Die SPD und »Die Linke«

Die SPD und ihre Piusbrüder

Sich rhetorisch abgrenzen, pragmatisch zusammenarbeiten – so läuft es mit der SPD und der »Linken«.

Was soll er denn auch anderes sagen? Als Franz Müntefering bei seinem Besuch in der Redaktion der Saarbrücker Zeitung in der vergangenen Woche davon sprach, dass man die Linkspartei nicht bis in alle Ewigkeit verdammen solle, ja, dass sogar auf Länderebene eine Zusammenarbeit mit der Partei vorstellbar sei, war seine Äußerung in erster Linie eine pragmatische. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten ist sich der Umfragewerte im Saarland natürlich bewusst: Dort liegen SPD und Linkspartei nahezu gleichauf bei etwa 25 Prozent. Es ist durchaus möglich, dass die Linkspartei und ihr Spitzenkandidat Oskar Lafontaine bei der Wahl am 30. August mehr Stimmen bekommen als die Sozialdemokraten. Vieles deutet darauf hin, dass die SPD, will sie nicht in einer Großen Koalition regieren, nach der Wahl um eine Kooperation mit der Linkspartei nicht herumkommen wird.
Müntefering hat aus dem kläglichen Scheitern von Andrea Ypsilanti in Hessen die naheliegende Konsequenz gezogen: Wenn absehbar ist, dass eine Regierungsbeteiligung der SPD nur durch eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei möglich ist, dann geht natürlich Regieren vor Abgrenzen. Ypsilanti hatte noch am Wahlabend behauptet, sie schließe eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in jedem Falle aus. Aus wahltaktischen Überlegungen leuchtet Münte­ferings Verhalten also ein.
Doch er belässt es nicht bei diesem Pragmatismus, rückt er doch permanent die angebliche Unvereinbarkeit der Ansichten von Linkspartei und SPD auf Bundesebene in den Vordergrund. Noch vor kurzem sagte er, die Linkspartei betreibe eine »nationale soziale Politik«. In Saarbrücken fügte er hinzu, die Linkspartei bestehe aus »Sozialromantikern«, die gegen die EU seien und deutsche Soldaten verunglimpften.
Sein Ziel ist relativ leicht zu durchschauen: Durch die resolute Abgrenzung von der Linkspartei soll einer eventuellen Zusammenarbeit der Charakter einer völlig nüchternen, prag­matischen Zweckgemeinschaft gegeben werden. Die rhetorische Konstruktion einer eindeutigen Grenze zwischen Linkspartei und SPD ist die Voraussetzung für die zukünftige Kooperation der beiden sozialdemokratischen Parteien.
Einen unpassenderen Ort als das Saarland hätte sich Müntefering allerdings nicht aussuchen können. Denn insbesondere im Saarland, wo ein ehemaliger Sozialdemokrat die Linkspartei anführt und dessen von der SPD enttäuschte Anhänger besonders zahlreich sind, zeigt sich, dass jeder Abgrenzungsversuch scheitern muss und gerade auf die Nähe zwischen Linkspartei und SPD verweist. Wie eng die beiden Parteien aufeinander bezogen sind, lässt sich an der Rhetorik der Abgrenzung ablesen. Müntefering sagte, es sei falsch, die Mitglieder der Linkspartei »für die nächsten 200 Jahre zu exkommunizieren«. Seine Wortwahl legt nahe, dass es sich bei den Anhängern der Linkspartei gewissermaßen um die Piusbruderschaft der SPD handelt, um eine Vereinigung, die gegen ihren Willen aus der Gemeinschaft der SPD ausgeschlossen wurde, deren Exkommunikation durch Papst Müntefering aber rückgängig gemacht werden kann. Münteferings Worte sind klüger als er selbst. Denn die Linkspartei ist ja nicht das Gegenteil der SPD, sondern ihr Komplementärstück.