Der Staat und die Hypo Real Estate

Hyper, hyper, Hypo

Von Anfang an war die Hypo Real Estate ein Art Bad Bank. Dieser Tage könnte sie offiziell zu einer werden.

Die Hypo Real Estate, kurz HRE, hat in weniger als einem halben Jahr eine wundersame Entwicklung durchgemacht. Ende 2008 meldete das Unternehmen einen Verlust von 5,5 Milliarden Euro. Dadurch sank seine Eigenkapitalquote auf 3,4 Prozent und damit unter die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe von vier Prozent. Die Bank war faktisch pleite.
Im Mai 2009 verkündet der Hauptanteilseigner J. C. Flowers, er wolle die Anteile der Bank unbedingt halten, offenbar weil er für das Unternehmen eine rosige Zukunft voraussieht. Wie aber konnte in so kurzer Zeit aus einem konkursreifen Unternehmen ein scheinbar zukunftsträchtiges werden?

Nachdem im Spätsommer 2008 offenkundig geworden war, dass der Kapitalismus in einen tief gehenden Krisenprozess schlitterte, erklärte die Bundesregierung die HRE zur »systemrelevanten Bank«. Würde diese Bank, von der bereits bekannt war, dass sie sich im Gefolge der Immobilienkrise in finanziellen Schwierigkeiten befand, untergehen, dann hätte dies unabsehbare Folgen für die gesamte Branche. Also wurde die Bank mit Krediten und Darlehen unterstützt.
Bereits im September 2008 erhielt die HRE erste staatliche Hilfen. Diese bestanden zunächst in Ausfallbürgschaften. Als sich kurz darauf weitere Finanzlöcher auftaten, wurden Anfang Oktober Kredite in Höhe von 15 Milliarden Euro an den Immobilienfinanzierer überwiesen. In der Folge gab es dann noch mal 50 Milliarden Kredite sowie weitere 52 Milliarden als Bürgschaften. Doch auch diese beachtlichen Zahlungen reichten nicht aus, um Rekordverluste im Geschäftsjahr 2008 zu verhindern. Entsprechend hätte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Immobilienfinanzierer eigentlich schließen müssen. Dann hätten die Aktionärinnen und Aktionäre ihr eingesetztes Kapital komplett verloren und das unternehmerische Risiko zu tragen gehabt: den Bankrott.

Aber es kam anders. Der Bund stieg mit 60 Millio­nen Euro bei der Hypo Real Estate ein und erwarb auf diese Weise 8,7 Prozent der Anteile des Unternehmens. Gleichzeitig kündigte man an, die Bank vollständig übernehmen zu wollen. Mit dem auch als HRE-Gesetz bezeichneten Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz wurde die bis dahin fehlende juristische Basis für eine solche Übernahme geschaffen.
Im April zeigte sich der Bund dann bei einem Übernahmeangebot an die Aktionärinnen und Aktionäre der HRE ziemlich großzügig. Statt des gesetzlichen Mindestpreises von 1,26 Euro bot man 1,39 Euro pro Aktie – ein Preis, der an der Frankfurter Börse als durchaus akzeptabel galt. Der FAZ sagte ein Händler, das Angebot sei »überraschend hoch«. Das Ziel dieser großzügigen Offerte war es, die Aktien zu 100 Prozent zu erlangen. Das allerdings ist nicht gelungen. Lediglich 47,3 Prozent der Aktien konnten trotz der großzügigen Konditionen erworben werden. Vor allem der Finanzinvestor Flowers ließ frühzeitig durchblicken, dass er nicht bereit sei, seine Anteile abzugeben.
In einer außerordentlichen Hauptversammlung soll nun am 2. Juni eine Erhöhung des Eigen­kapitals beschlossen werden. Dadurch würde der Anteil von Flowers so klein, dass er mit einer Zwangs­abfindung für Altaktionärinnen und Altaktionäre aus dem Unternehmen gedrängt werden könnte.
Während eine Übernahme durch den Kauf der Aktien bereits 290 Millionen Euro gekostet hätte, wird diese Strategie noch teurer. Bis zu 5,64 Milliarden Euro aus dem Bankenrettungsfonds sollen für die Aktion zur Verfügung stehen.

Die stete Weigerung von Flowers, seine Anteile abzustoßen, dürfte vor allem strategische Bedeutung haben. Er hatte für seine Beteiligung an der HRE noch im Juni vorigen Jahres – also bereits im Angesicht der Immobilienkrise – 1,1 Milliarden Euro hingeblättert. Und davon versucht er nun, den einen oder anderen Euro zu retten. Dass er und andere Aktionärinnen und Aktionäre mit dieser Strategie bislang ziemlich erfolgreich sind, zeigt recht deutlich, dass die staatliche Politik alles daran setzt, die Reproduktion des Kapitals aufrechtzuhal­ten – und sich dabei derzeit besonders rührend um die angeschlagene Finanzsphäre kümmert.
Obwohl der Markt in seiner unendlichen Weisheit dem Vermögen all jener, die Anteile an der HRE halten, bereits die letzte Ehre erwiesen hatte, es also nach dem herkömmlichen liberalen Credo überhaupt nichts mehr zu enteignen gäbe, gelingt es den Anteilseignerinnen und Anteilseignern scheinbar mühelos, sich vom Staat vor dem faktischen Ruin retten zu lassen. Ihr Vorteil: Das eingesetzte private Kapital war an einem neuralgischen Punkt im Reproduktionsprozess des Gesamtkapitals angelegt.
»Alle Räder stehen still, wenn der Anlageberater es will« – unter dieser gemeinsamen Losung führen die hinter Flowers versammelten Anlegerinnen und Anleger derzeit einen ausgesprochen effizienten Interessenkampf. Das allerdings ist nichts Neues. Schon immer haben einzelkapitalistische Akteurinnen und Akteure versucht, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Sie folgen damit einem rationalen Motiv – dem der Kapitalvermehrung. Das Niveau und die Intensität staatlicher Entschädigungszahlungen haben, flüchtig betrachtet, mit Rationalität nur insofern zu tun, als dass die Funktionen der HRE tatsächlich systemnotwendig sind.
Dabei werden die vielen Milliarden, die gerade mir nichts, dir nichts im Bankensystem verbrannt werden, sicherlich nicht von »uns« gezahlt, wie es vor kurzem noch auf den Krisen-Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main skandiert wurde. Dabei ist es auch ziemlich egal, wer mit »uns« gemeint ist. Es ist illusorisch davon auszugehen, dass Beträge in dieser Größenordnung irgendwann überhaupt von irgendwem zurückgezahlt würden.

Der Hypo Real Estate könnte jedenfalls noch eine steile Karriere bevorstehen: Sie könnte von der Bundesregierung zur Bad Bank erklärt werden. Zwar war sie das in gewisser Weise von Anfang an – entstand sie doch im Jahr 2003 aus der Hypo-Vereinsbank, die ihre desaströsen Immobilien­geschäfte auf diese Weise loswurde.
Diese Woche entscheidet die Regierung über das so genannte Bad-Bank-Gesetz, aber eine Einigung scheint noch nicht in Sicht. Während der Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) den Banken lediglich ein Angebot schaffen will, ihre wertlosen Papiere freiwillig loszuwerden, sprach sich der Haushaltsexperte der SPD, Carsten Schneider, für verpflichtende Maßnahmen aus. Und nicht nur der Haushaltsexperte der Union, Ole Schröder, brachte die HRE neben Commerzbank/Dresdner Bank und den Landesbanken als potenzielle Bad Banks ins Gespräch.
Derweil träumte Herbert Schui von der Linkspartei, der sich gegen verpflichtende Bad Banks, aber für Staatsbeteiligungen bei den kriselnden Finanzdienstleistern aussprach: »Im Ergebnis werden alle wesentlichen Banken in öffentliches Eigentum überführt. Die Gewinne der Zukunft fließen dann in die öffentlichen Kassen.«
Also quasi an »uns«.