Die Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswahl

Next Boss vom Schloss

Am 23. Mai wählt ein Verein von Politikern und B-Promis, genannt Bundesversammlung, zwischen vier schlimmen Kandidaten den nächsten Bundespräsidenten für die Bundesrepublik Deutschland, oder auch eine Bundespräsidentin. Auch in der Jungle World wird abgestimmt: Wer ist der bzw. die Schlimmste? Vier Plädoyers.

Peter Sodann:Der Kleine Mann

Ich gestehe frei heraus: Ich hasse Peter Sodann. Der gute Mann kann nichts dafür. Ich kenne ihn nicht. Wenn man ihn näher kennte, wäre er vermutlich ungefähr so wie Eddi Arent. Aber den kenne ich auch nicht. Wenn man Peter Sodann jedoch nicht näher kennt, ist er eben das, was man für Peter Sodann hält, und das ist nicht so sehr ein Tatort-Kommissar, sondern vor allem: der Kleine Mann. Der ist immer der Dumme, der Loser, das Opfer. Und die da oben meinen es gar nicht gut mit ihm. Doch schelmisch ist er, der Kleine, spitzbübisch grinst er, spöttisch zitiert er Brecht (aus dem Kopf!), wo er – laut Protokoll – das Grundgesetz hätte zitieren sollen. Dieser freche Schalk. Hat er das schon getan, oder wird er es erst noch tun? Ich weiß es nicht, aber egal, so oder so, darauf kommt es nicht an.
Wenn man den Kleinen Mann fragen würde, endlich einmal fragen würde (und es gerade keine Online-Abstimmung zum Anklicken gibt), dann spricht er, der Kleine Mann, leise, aber bestimmt spricht er, und zwar im Namen jedes Kleinen Mannes, denn jeder Kleine Mann ist wie jeder andere Kleine Mann und wie jede andere Kleine Frau auch, denn sie alle sind ja Opfer von denen da oben, den großen Männern, den Mächtigen, denen, die uns Übles wollen. Wie erst könnte der Kleine ­Sodann-Mann fürs Volk sprechen, der Volkskommissar!
Nicht alle Kleinen Männer aber sind, obwohl das ihrer Figur angemessen wäre, Gartenzwerge. Wenn sie einmal etwas zu sagen hätten, so denken sie oft, also wenn sie nicht nur etwas zu sagen hätten, sondern wenn man zudem auch auf sie hörte, nur einmal, ein einziges Mal, dann würden, na dann würden sie erstmal ... alle da oben verhaften lassen, zum Beispiel. Kurzen Prozess, den Saustall ausmisten usw.
Ein anderer Ossi, leider verstorben, Gerhard Gundermann, hatte schon damals, nach der Wende also, ein Lied über solche Peter Sodanns gemacht: »Wenn ich’n Räuber wär, da knallte ich mit’m Schießgewehr, mal hin und her, schon wär der Königsessel leer. Wenn ich’n König wär, wär ich auch Chef der Feuerwehr, und mein Sekretär schaffte lauter nackte Weiber her.« Nein, nein, keine Sorge, dazu ist Sodann zu brav, aber der Refrain könnte von ihm sein: »Ich bin ein guter Mann, so lasst mich schon an’s Ruder ran. Ich bin ein guter Mann, so lasst mich schon an’s Ruder ran!« Zum Glück wird erstens kein Führer, sondern nur ein Operettenpräsident gewählt, und zweitens nicht Peter Sodann.
Ivo Bozic

Horst Köhler:Der Wurzelpräsident

Mit Horst Köhler stimmt ganz gehörig etwas nicht. Er ist besessen. Und zwar von Wurzeln.
»Diese Feier erinnert daran, wie tief unsere freiheitliche Demokratie in der deutschen Geschichte wurzelt«, sagte er zum 160. Jahrestag der so genannten Paulskirchenverfassung. Ein bisschen kennt man das auch von anderen deutschen Politikern. Wurzeln müssen immer dann herhalten, wenn man über die dunklen Jahre lieber nicht so viel reden möchte, weil das die Laune verdirbt. Und Horst Köhler hält immer alle bei Laune.
»Wir sollten uns unserer kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst sein«, sagen deutsche Politiker auch gern, wenn sie sich, wie Köhler, irgendwo in der Provinz blicken lassen. Denn das bedeutet nichts, und Wurzeln kommen gerade in ländlichen Gegenden gut an, weil die Menschen dort wissen, dass man sie aus dem Acker zieht und satt davon wird.
Doch Horst Köhler hält seit fünf Jahren Wurzelreden. Er spricht von guten Wurzeln, starken Wurzeln, festen Wurzeln und tiefen Wurzeln, von intellektuellen Wurzeln und ethischen Wurzeln, von familiären Wurzeln, deutschen Wurzeln und europäischen Wurzeln, von denselben Wurzeln und anderen Wurzeln, von seinen Wurzeln, ihren Wurzeln, unseren Wurzeln. Alle werden mit Wurzeln behelligt. Jedem Bewohner von Siebenbürgen, jedem ehrwürdigen Verein, dem Deutschen Richterbund und noch dem unschuldigsten Ding wie dem Halberstädter Domschatz zwingt Köhler Wurzeln auf. Wurzeln, Wurzeln, Wurzeln. Die Wurzelquote Köhlers hat inzwischen beängstigende Züge angenommen. Suchte man gestern bei Google nach »Horst Köhler« und »Wurzel«, erhielt man 16 900 Treffer. Heute sind es bereits 17 100! Wo soll das noch hinführen?
Gab es früher keine Rede ohne Wurzeln, kennt Köhler heute schon keinen Satz mehr ohne. Lesen Sie und urteilen Sie selbst, ob dieser Mann noch ganz bei Trost ist: »Die Zweige des Affenbrotbaums sehen wie Wurzeln aus. Ich will auch den Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft sehen wie einen Baum mit Wurzeln an beiden Enden des Stammes. Die Wurzeln des Vereins sind in Hamburg verankert. Aber der Verein hat es geschafft, auch in Afrika Wurzeln zu schlagen.« Das sagte er erst vor wenigen Tagen. Bloß nach seinen eigenen Wurzeln gefragt, antwortete er einmal: »Das ist nicht so einfach.« Da kam der Blackout. Der Mann ist durch, der Mann ist gefährlich. Wählt ihn ab!
Regina Stötzel

Gesine Schwan:Die Super-Nanny

Gesine Schwan ist die schlimmste Bundespräsidentschaftskandidatin, gerade weil sie auf den ersten Blick so harmlos wirkt. Wenn sie über die »tiefe kulturelle Krise« spricht, die sie hinter der Wirtschaftskrise ausgemacht haben will, dann mögen sie viele wegen ihrer einprägsamen Frisur und ihren stets lachenden Augen für etwas verrückt, aber doch sympathisch halten. Aber wenn eine Professorin und Bundespräsidentschaftskandidatin eine solche Vogelnestfrisur trägt, ohne Unterlass aus den Augen lacht und dabei über »entfesselte Konkurrenz« und »Leistungsterror« klagt, ist Wachsamkeit angesagt. Hatte man wie ich eine ähnlich gelockte, ebenso penetrant aus den Augen lachende sozialdemokratische Religionslehrerin, ahnt man, was hinter solchem Gebaren steckt.
Wer nämlich in allen möglichen Stiftungen, Parteien, Kirchengemeinden, Verbänden und Universitäten an der Spitze mitmischt, dabei eine solche Vogelnestfrisur trägt und die »entfesselte Konkurrenz« beklagt, dem dienen Frisur und das von christlicher Nächstenliebe getragene Solidaritätsgewäsch meist als jene Art ganz besonderer Stoßdämpfer, die dem eigenen Ellenbogeneinsatz größtmögliche Effizienz verleihen. Beklagt man sich nämlich über solch gut gepolsterte Ellenbogenstöße, gilt man auf der Stelle als »strukturell verantwortungslos«, »egoistisch«, »strategisch orientiert« und »unauthentisch«.
Verweigerte man sich etwa dem Unterricht meiner Religionslehrerin, dann war man nicht einfach ein schlechter Schüler (das wäre keine ganzheitliche Beurteilung), auch kein schlechter Mensch (das entspräche nicht dem christlichen Menschenbild), sondern galt als unsolidarisch. Und wer nicht mitmachen will, muss erzogen werden. Natürlich nicht im Sinne »elitären Leistungsdenkens«, sondern, wie Schwan es will, im Sinne der »Förderung von Vielfalt«, der »Stärkung der Potenziale«, des »Prinzips des partnerschaftlichen Miteinanders«. Wie das konkret aussieht, kann man sich bei RTL ansehen. Katharina Saalfrank, die »Super-Nanny«, fühlt sich Gesine Schwan und ihren Zielen »sehr nahe«. Ihr wie auch Schwan geht es um »Gemeinsamkeit«. Das hört sich nicht so völkisch an wie »Gemeinschaft«, soll aber vermutlich trotzdem irgendwie kuschliger klingen als etwa »Spitzenleistung«. Und wozu ist die »Gemeinsamkeit« dann da? »Wer Deutschland zu neuen Spitzenleistungen führen will, muss für eine neue Kultur der Gemeinsamkeit sorgen«, sagt Gesine Schwan.
Daniel Steinmaier

Frank Rennicke:Der Minnesänger
Frank Rennicke ist ein Nazi. Das macht ihn zwar zu einer ganz und gar verachtenswerten politischen Figur, muss aber für das Amt des Bundespräsidenten nicht von Nachteil sein. Karl Carstens (SA, NSDAP) war in den Jahren 1979 bis 1984 schließlich auch ein vollkommen angemessener Repräsentant Deutschlands. Das wirklich Verheerende an Frank Rennicke ist vielmehr: Der Nazi musiziert.
Seit etwa 20 Jahren betätigt der Mann sich nach eigenen Angaben als »nationaler Barde«. Betritt er die Bühne, trägt er eine Bundfaltenhose, ein Hemd und einen Scheitel, was besonders seriös wirken soll, aber eher so aussieht, als würde der Mittvierziger immer noch von seiner Mutter eingekleidet und frisiert. Dann nimmt er seine Gitarre in die Hand, holt tief Luft und fängt an: Die Linke befingert das Griffbrett, die Rechte schabt über die Saiten, Akkordfolgen, deren jeder Anfänger im Grundkurs »Wandergitarre« an der Volkshochschule spätestens nach zwei Wochen überdrüssig wird, durchscheppern unbarmherzig die Lieder, während Rennickes Mund unaufhörlich krächzende, fistelige Tönchen entfahren, die nie die richtige Höhe erreichen und musikliebenden Menschen anders als Rennickes an ästhetischem Empfinden armem Stammpublikum keinen Applaus entlocken, sondern arge Schmerzen verursachen.
Die meisten der derart vorgetragenen Verse überraschen inhaltlich nicht: Rennicke mag Runen, Rudolf Hess, die Wehrmacht und die »Heimat« bzw. Deutschland. Hass empfindet der Lieder­macher u.a. für »die Türken«, »die Juden«, »rote Ratten« und die Oder-Neiße-Grenze, weshalb seine Lieder die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wiederholt beschäftigt haben. Geradezu achtlos ließen die Behörden jedoch Rennickes »Minnelieder« durchgehen, obwohl er in Holperversen wie diesen der Lyrik eindeutig schlimmste Gewalt zufügt: »Kleine Erika, warst mir so nah / sah in dir stets den Freund mit Herz / Auf dich war Verlass / deine Lieblingsworte war’n: ›Ach was?!‹ / Hattest immer Zeit, warst frohgelaunt / Hast mich oft erstaunt.«
Es ist davon auszugehen, dass Rennicke im höchsten Amt der Bundesrepublik die öffentliche Aufmerksamkeit skrupellos für musikalische Darbietungen ausnutzen würde. Einen »Bundespräsidenten Rennicke« gilt es deshalb zu verhindern, wenn nötig auch mit den drastischsten Mitteln, die zur Verfügung stehen: Köhler, Schwan oder Sodann.
Markus Ströhlein