Stellenabbau bei deutschen Banken

Rendite steigern mit Drückermethoden

Unter der Finanzkrise leiden nicht zuletzt die Bankangestellten. Viele Banken haben bereits Stellenabbau angekündigt. Und von ihren Kunden können die Bankangestellten derzeit kaum Solidarität erwarten. Viele zürnen ihren Finanzberatern.

Wer zum Beispiel Geld von seinem Sparkonto auf sein Giro-Konto überweisen möchte, erhält in der Regel nur noch eine kurze Einweisung, wie der dazu bereit stehende Automat zu bedienen ist – und schon steht die freundliche Bankangestellte wieder hinter ihrem Tischchen. Den Bankangestellten, die im Zuge der zunehmenden Automatisierung ohnehin immer mehr den Automaten weichen müssen, droht jetzt der Anfang dieses Jahres angekündigte Stellenabbau auf dem Finanzsektor. Die Commerzbank sprach davon, 6 500 Stellen innerhalb Deutschlands einsparen zu wollen, die Bayern LB will 5 000, die Deutsche Bank 1 500 Mitarbeiter entlassen. Wie geht es angesichts dessen der Dame am Schalter – hat sie Angst, dass Automatisierung und Krise auch sie eines Tages den Job kosten könnten?
Eine Berliner Angestellte der Deutschen Bank sagt, sie habe keine Angst um ihren Arbeitplatz, und fügt hinzu: »Ach, heute ist es ruhig. Aber Sie sollten mal gegen Ende des Monats kommen. Es gibt ja auch so viele Leute, die nicht ohne weiteres Zugriff auf ihr Konto haben, bei Pfändungen beispielsweise, da mach’ ich mir um meine Zukunft keine Sorgen.«

Aber selbst wenn die Bankangestellten in Zukunft noch gebraucht werden sollten, weil mehr und mehr Krisenopfern der automatisierte Konto­zugriff verwehrt wird, drohen ihnen noch andere Probleme. Seit im März dieses Jahres bekannt wurde, dass ältere Kunden, die sich von ihren Bankberatern die sogenannten Lehman-Papiere andrehen ließen und dadurch ihr Erspartes verloren, im Bankjargon »AD-Kunden« genannt wurden – A und D für alt und doof –, sehen sich Bankangestellte mit immer mehr Misstrauen und abweisendem Verhalten von Seiten derjenigen konfrontiert, mit denen sie alltäglich zu tun haben. Bankangestellte und Bankangestellter gehören nicht mehr zu den respektablen Berufen. Was Ehrlichkeit und moralische Lauterkeit angeht, rangieren die Bankangestellten in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Fortschreiten der Krise allmählich hinter den Gebrauchtwagenhändlern. In der Presse wird das Adjektiv »gierig« gerne im Zusammenhang mit Finanzberatern und Bankangestellten gebraucht, und sie werden mitunter entsprechend behandelt.
»Manche Leute haben aufgehört, freundlich zu sein«, gibt eine Bankangestellte in einer anderen Bankfiliale zu. Angesichts einiger Presseberichte über das Verhalten von Bankmitarbeitern ist dies kein Wunder. »Ich kam zu meinem Berater«, erzählt ein alter Mann einem Reporter von Spiegel online, »ich hatte für 50 000 Euro gekauft, das war alles, was ich hatte, und der Berater guckt auf seinen Schirm und sagt zu mir: ›Ihr Konto wurde auf null gestellt.‹«

Weit weniger schlimm, aber doch recht ärgerlich empfindet etwa die Projektmanagerin Stefanie Engelhardt das Gebaren ihrer Bank. »Ich erhielt einen Brief, dass man mit mir sprechen müsse«, erzählt die alleinerziehende Mutter, deren Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten der Bank nicht zu vereinbaren sind. »Ich denke Wunder was und nehme mir also einen Nachmittag frei, um zur Bank zu können. Da stellt sich raus, dass die Frau dort mir nur sagen wollte, dass ich meine wenigen Ersparnisse irgendwo anlegen sollte. Aber wenn ich das will, dann mache ich mich schon selber auf die Spur. Ich war richtig sauer, und das habe ich ihr auch gesagt.«
Bankkunden anzuschreiben oder sogar anzurufen, gehört tatsächlich zu den üblichen Gepflogenheiten im Bankwesen. »Das müssen wir aber auch«, erklärt die Dame von der Deutschen Bank. »Das Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet uns dazu, unsere Kunden zu informieren und auf dem Laufenden zu halten.« Ob sie manchmal auch Kunden anriefe, die keine Wertpapiere haben, sondern nur ein einfaches Girokonto? »Ja, wenn da sehr viel Geld drauf liegt, dann rufen wir an und geben einen Tipp...«
Unter Umständen auch einen schlechten, wenn auch nicht unbedingt bei der Deutschen Bank. Angestellte der Citibank, der Frankfurter Sparkasse oder auch der Dresdner Bank, die im Internet mit dem Slogan wirbt: »Schwierige Zeiten? Ich lass’ mich nicht verrückt machen, ich lass’ mich lieber weiterhin gut beraten«, taten sich im Handel mit den Lehman-Papieren besonders hervor. Zwei Mandanten des Frankfurter Rechtsanwalts Matthias Schröder, der sich um so genannte Lehman-Opfer kümmert, sollen von Bankberatern gar im Altersheim angerufen worden sein. Auch Menschen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, etwa Empfänger von Arbeitslosengeld II, finden Postwurfsendungen in ihren Briefkästen, in denen ihnen mitgeteilt wird, sie müssten nur unterschreiben und könnten umgehend einen selbst gewählten Kreditrahmen ausschöpfen. Selbst die Beratung für jene, die für die so genannte Riesterrente Geld anlegen wollen, lässt zu wünschen übrig. Sind Sie nun eher der konservative oder der risikofreudige Typ? Das entscheidet Ihr Bankberater offenbar nach Augenschein.

Hinter dem, was Bankkunden als ärgerlich oder gar unehrlich empfinden, steht jedoch der Druck auf die Bankangestellten, möglichst viele Bankprodukte verkaufen zu müssen. Hat dieser in der letzten Zeit zugenommen, wie Verdi behauptet? Wer darauf eine Antwort will, muss nachfragen, aber der zwischenmenschlichen Kommunikation sind auf dem Bankensektor enge Grenzen gesetzt. Etwa bei den rund um den Berliner Hermannplatz angesiedelten Bankfilialen. Die Angestellte in der Deutschen Bank sieht keine Probleme und verweist auf die ausgezeichnete Beratungsarbeit des vom Topverdiener Josef Ackermann geführten Konzerns, in dem, wie jüngst öffentlich wurde, Mitarbeiter ausgespäht worden sein sollen, wie dies bereits bei der Deutschen Telekom und der Deutschen Bahn geschah. Da darf die Deutsche Bank offenbar nicht fehlen.
Bei der Berliner Volksbank steht ein älterer Herr hinter dem Schalter und versteift sich angesichts von Nachfragen nach der Situation der Bankangestellten sofort. Er verweist auf die Presse­stelle. »Wir haben Anweisung, keine Fragen zu beantworten«, erklärt er. Auch bei der gegen­über­liegenden Commerzbank, möchte man keine Fragen beantworten. »Nicht möchte oder nicht darf?« Denn das macht schließlich einen Unterschied. »Nicht darf«, antwortet der Angestellte.
Ähnliches wird aus der Schweiz berichtet. Dort äußerte sich die Arbeitnehmervertreterin der Schweizer Bankangestellten, Denise Chervet, in der Neuen Zürcher Zeitung besorgt über den Umstand, dass allein das führende Finanzinstitut UBS angekündigt hat, 2 500 Stellen abzubauen. Die Stimmung der Bankangestellten bei der UBS sei schlecht, sagt Chervet der NZZ. Die Arbeitnehmer stünden stark unter Druck, und aus Angst wolle kaum einer mit den Medien über die Situation der Bankangestellten sprechen. Während die in der Schweiz offenbar nicht reden wollen, dürfen die Angestellten in Deutschland in der Regel nichts sagen. In der Sparkasse am Hermannplatz rufen die Angestellten den Filialleiter. »Von einem Sprechverbot kann gar keine Rede sein«, meint der jedoch, »man kann privat immer mit unseren Angestellten sprechen. Oder sich bei Verdi nach der Lage von Bankangestellten erkundigen.«

Wer das tut, erfährt, dass die von Verdi im Spätsommer und Herbst 2008 ausgerufenen Warnstreiks im Bankenwesen sich nicht nur gegen Stellenabbau richteten, sondern auch gegen Leistungsanreizsysteme und variable Einkommen. Denn immer mehr hängt der Verdienst von Angestellten davon ab, wie viele Finanzprodukte sie ihren Kunden verkaufen. Auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken kopieren die Verkaufsstrategie der Privatbanken, die ihre Finanzberater durch Prämien-Modelle unter Druck setzen.
Manche macht das krank. Als Verdi im März dieses Jahres eine Online-Befragung zur Situation der Bankangestellten durchführte, war die Resonanz überwältigend, innerhalb von vierzehn Tagen meldeten sich 1 000 Beschäftigte. In ihren Mails berichten sie von Scham und schlechtem Gewissen, wenn sie Bankkunden Versicherungen und Vorsorge-Produkte verkaufen müssten, die sich nicht an den Bedürfnissen und Interessen der Kunden, sondern an den Renditeerwartungen des Dienstherrn orientieren. Denn den einzelnen Filialen werde vorgegeben, wie viele Produkte sie in der laufenden Woche zu verkaufen hätten, und die Verkaufsresultate werden kontrolliert.
Zwar konnte Verdi im April 2009 eine bis November 2008 rückwirkende Gehaltssteigerung von 2,5 Prozent durchsetzen und darauf bestehen, dass die variable Vergütung nicht weiter verschärft wird. Die Gewerkschaft sieht sich aber bereits mit einem neuen Problem konfrontiert. Denn das Bundesministerium für Finanzen hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes im Bereich des Banken- und Versicherungswesens vorsieht. Konkret gehe es dabei, so Verdi, um steuerliche Förderung, wenn Betriebsteile von Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken ausgegliedert werden. Mit solchen Auslagerungen aber haben Arbeitnehmer bisher schlechte Erfahrungen gemacht. Verdi befürchtet denn auch, dass solche steuerlich begünstigten Auslagerungen mit Tarifflucht und Gehaltsdumping einhergehen könnten, und ruft daher zum Protest gegen das geplante Gesetz auf. Ob dieser Wirkung zeitigt, ist jedoch dahingestellt: Von den rund 680 000 Bankangestellten, die es in Deutschland gibt, sind allein 15 Prozent organisiert.