Die rechtsextreme Partei Jobbik verbündet sich in Ungarn mit einer Polizeigewerkschaft

Des Nazis Freund und Helfer

In Ungarn hat die rechtsextreme Partei Jobbik einen Pakt mit einer Polizeige­werk­schaft geschlossen. Darin wird ein Polizeistaat programmatisch vorbereitet.

Der liberale Politiker József Gulyás sah sich kürzlich zu einer beunruhigenden Feststellung veranlasst: »Personen, die mit extremistischen, radi­kalen Organisationen auf Tuchfühlung sind, haben nicht nur die Geheimdienste, sondern auch die Polizei infiltriert.« Gulyás zufolge gibt es nirgendwo auf der Welt einen Rechtsstaat, der zulässt, dass innerhalb des polizeilichen Apparats das Ansehen der Polizeiführung untergraben wird und die verfassungsrechtlichen Normen in Frage gestellt werden. Außer in Ungarn.

Worauf der Politiker die ungarische Öffentlichkeit eindringlich aufmerksam machen wollte, ist ein vor kurzem geschlossener Pakt zwischen der rechtsextremen Partei Jobbik und der über 5 000 Mitglieder (rund ein Zehntel des Personalstandes der ungarischen Polizei) zählenden so genannten Gewerkschaft der Tatkräftigen Ungarischen Polizei (TMRSZ). Inhalt des Abkommens: TMRSZ bietet Jobbik »fachliche Unterstützung«, um ein Programm zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszuarbeiten – mit anderen Worten, um die programmatische Basis für einen Polizeistaat zu legen. Im Gegenzug setzte Jobbik die Generalsekretärin von TMRSZ, Judit Szima, prompt auf Platz vier ihrer Kandidatenliste für die Wahlen zum Europa-Parlament.
Szima ist in Ungarn nicht unbekannt. Angesichts ihrer harschen Kritik an der Polizeiführung des Landes leitete die Militärstaatsanwaltschaft in der Vergangenheit wegen »Hetze« ein Verfahren gegen sie ein. Das Verfahren musste allerdings wegen des Europa-Wahlkampfs ausgesetzt werden, weil Szima als Kandidatin Immunität ge­nießt. Szima und ihrer Gewerkschaft wird aber nicht bloß eine extrem rechte, sondern auch eine antisemitische Gesinnung nachgesagt. Wirft man einen Blick in die Postille der von Szima geführten Gewerkschaft wird rasch klar, warum. So heißt es dort unverhohlen, dass der Antisemitismus in Ungarn nicht eine Möglichkeit, sondern Pflicht sei. Vom Chefredakteur selbst stammt folgender Satz: »Es herrscht dieser Tage ein Bürgerkrieg zwischen Ungarn und Roma, der von den Juden angezettelt worden ist.«

Die Liaison zwischen Jobbik und TMRSZ ist daher kein Zufall. Jobbik ging im Herbst 2003 aus einer rechten Studentenbewegung (»Rechte Jugendgemeinschaft«) hervor. Über Jahre hinweg war die Partei von anderen am rechten Rand des politischen Spektrums jedoch kaum zu unter­scheiden. Ihre Politik erschöpfte sich darin, sattsam be­kannte rechtsextreme Phrasen zu dreschen. Damit vermochte sie die ähnlich gesinnten Wähler aber kaum zu beeindrucken. Nachdem ihr Wahlbündnis mit der offen antisemitischen Partei für Gerechtigkeit und Leben (MIÉP) bei den Parlamentswahlen nur knapp über zwei Prozent der Wählerstimmen erreicht hatte, entschloss sich Jobbik zu einer Neuausrichtung ihrer Politik.
Die Geschicke der Partei übernahm damals der Geschichtslehrer Gábor Vona, der mit sicherem Gespür auf die »Zigeunerfrage«, oder besser: auf die Hetze gegen die Roma setzte. Jobbik bescherte die neue Linie prompt die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit. Dies hat seinen guten Grund: Nach einer Erhebung des Budapester Progressiven Instituts hegen nicht weniger als 80 Pro­zent der Ungarn Ressentiments gegen­über den mehr als 600 000 Roma im Land. Sätze, wie der folgende des stellvertretenden Vorsitzenden von Jobbik, Csanád Szegedi, kommen nicht von ungefähr: »Die ungarischen Menschen haben genug davon, dass mit ihren Steuergeldern eine staatlich gelenkte und koordinierte Zigeunerzucht finanziert wird.« Wer glaubt, dass diese Äußerung einen Aufschrei der Empörung nach sich ge­zogen hätte, liegt falsch. Ein Großteil der ungarischen Gesellschaft denkt nämlich tatsächlich so. In ihren Augen sind die Roma Sozialschmarotzer, die zu Hause herumlungern und Monat für Monat ungeniert Sozialhilfe – sprich: die Steuergelder der wackeren und aufrechten Ungarn – einstreichen.
Jobbik betrachtet die Roma indes nicht nur als Sozialschmarotzer, sondern auch gleich als kriminelles Pack. Im Europa-Wahlkampf erregte sich der Parteivorsitzende Vona wiederholt darüber, dass die »Zigeunerkriminalität« überhand nehme. Entsprechend dramatisch pflegt er die aktuelle Situation darzustellen: Alten Menschen sitze die Angst in den Gliedern, ob sie den morgigen Tag erleben werden, sie könnten doch von Roma um­gebracht werden. Eltern sei ständig Angst und bange, ob ihre Kinder nach Hause kommen, sie könnten doch von Roma ermordet werden. Vona hat freilich eine Lösung parat: die Schaffung einer Gendarmerie, die als militärische Organisation für Ordnung sorgt, denn auf die ungarische Polizei sei »kein Verlass« mehr. Jobbik befürwortet zudem die Wiedereinführung der Todesstrafe in Ungarn.
Nicht zuletzt um der »Zigeunerkriminalität« Einhalt zu gebieten, hat Jobbik die Ungarische Garde (Magyar Gárda) gegründet, die sozusagen den uniformierten Arm der Partei abgibt. Die in schwarzen Uniformen und Springerstiefeln auf­tretende Vereinigung hat es sich seit ihrer Gründung im Jahr 2007 zur Gewohnheit gemacht, in Ortschaften mit einem hohen Anteil an Roma, also insbesondere im Osten, Nord- und Südosten des Landes, aufzumarschieren. Offenbar verfolgt sie damit das Ziel, die Roma einzuschüchtern.
Im Europa-Wahlkampf buhlt Jobbik außerdem vor allem mit drei Schlagworten um Wähler: Wirtschaftsnationalismus, öffentliche Ordnung und Nationalbewusstsein. Was die Partei unter Na­tionalbewusstsein versteht, erklärte Vona folgendermaßen: Die Ungarn seien »genetisch und biologisch« eine starke Nation, ja sie seien genetisch sogar robuster als manche westeuropäische Völker.

Der neue Pakt zwischen TMRSZ und Jobbik wurde, abgesehen vom linksliberalen Lager, auch von der rechtskonservativen Oppositionspartei Fidesz heftig verurteilt. Der Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für den Schutz der öffentlichen Ordnung, das Fidez-Mitglied János Lázár, schrieb in einer Presseerklärung, dass die ungarische Polizei nicht den geringsten Verdacht aufkommen lassen dürfe, dass sie mit politischen Kräften enge Bande knüpft. Klare Worte wie diese waren aus den Reihen des Fidesz nicht immer zu hören. Die Partei grenzt sich erst seit einigen Monaten in aller Deutlichkeit von Jobbik ab. Auf der Ebene der Kommunen hat der Fidesz, der mit großer Wahrscheinlichkeit die ungarischen Parlamentswahlen im Frühjahr 2010 gewinnen wird, bereits mehrfach mit der rechtsextremen Partei kooperiert.
Was die Polizeigewerkschaft TMRSZ angeht, hat ihr Abkommen mit Jobbik bereits Konsequenzen gezeitigt. So wurde die Gewerkschaft aus dem Landesverband der Arbeiterräte ausgeschlossen. Dessen Vorsitzender, Imre Palkovics, begründete diesen Schritt unter anderem damit, dass auf der Homepage von TMRSZ Äußerungen zu le­sen seien, die keineswegs den gesellschaftlichen Normen entsprächen. Palkovics bezog sich damit nicht zuletzt auf den Aufruf, dass der Antisemitismus in Ungarn Pflicht sei.