Die Innenministerkonferenz

14 Punkt und fett

Innenministerkonferenzen scheinen sich in der Krise zu befinden. Gemeinheiten bringen sie dennoch hervor. Weil keine Bleiberechtsregelung beschlossen wurde, droht vielen Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, die Abschiebung.

Innenministerkonferenz und Landwirtschaftsmesse haben einen Sinn. Sie besorgen auch den Taxifahrern und Bordellbetreibern in ausgestorbenen Provinzstädten alle paar Jahre ein wenig Kundschaft. Die bleibt zwar nur zwei oder drei Tage, aber in Orten wie Bremerhaven, Saarbrücken oder Brandenburg an der Havel, die reich sonst nur an Regenwetter und Langeweile sind, ist man für jede Aufmerksamkeit dankbar. Die Innenminister und ihre Arbeitsstäbe ihrerseits sind froh, wenn die langen Tage der IMK schnell wieder vorüber sind. Und so gaben sich am Wochenende alle Beteiligten auch die größte Mühe, die unvermeidliche Tagung ohne viel Aufregung so reibungslos wie möglich hinter sich zu bringen.
Das war schon einmal anders. Als gälte es, das Abendland zu retten, wurden auf den Innenministerkonferenzen einst Bleiberechtsregeln verworfen, Abschiebestopps beendet und Rückführungen beschlossen. Minderheiten aller Nationalitäten gingen auf Tauchstation, wenn die nächs­te Innenministerkonferenz ins Haus stand, und Fluglinien hielten vorsorglich schon ein paar Plät­ze frei in den Maschinen, die abschieberelevante Gegenden anflogen. So viele Mahnwachen konnten die Flüchtlingskreise sozial engagierter Kirchengemeinden gar nicht abhalten, wie die Innen­ministerkonferenz Gemeinheiten ausheckte.
Wenn sich heutzutage die Innenminister der Länder treffen, dann haben sie größte Mühen, die Tagesordnung überhaupt zu füllen. Jeder Minister ist daher dazu verpflichtet, ein Thema mitzubringen. Und wie bei einer Party, bei der die Gäs­te Essen und Getränke selbst mitbringen, ist es nicht eben das Beste, was geboten wird. Nieder­sachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte, den Berliner Ersten Mai zu verbieten, um die Polizisten vor Gewalttaten zu schützen, ganz so, als würden die Barrikaden vorher beim Ordnungsamt angemeldet. Volker Bouffier (CDU), Innenminister in Hessen, schlug ernsthaft vor, Leuten, die möglicherweise in ein Terror­camp reisen könnten, elektronische Fußfesseln anzulegen, mittels deren man sie jederzeit orten kann. Hessen hat die elektronische Fußfessel vor einigen Jahren für viel Geld getestet und wird sie jetzt nicht mehr los.
Also hörte man sich den nicht eben brandaktuellen Bericht des baden-württembergischen Innenministers Heribert Rech (CDU) über den Amok­lauf vor drei Monaten in Winnenden an. Mitreißend dürfte auch der Beitrag des Landes Niedersachsen über jugendliche Testkäufer für Alkohol gewesen sein. Hier immerhin »empfiehlt die IMK … im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs Testkäufe als ein im Einzelfall geeignetes Instrument … zu prüfen«. Die Pressestelle musste die Abschlusserklärung auf 14 Punkt und fett gedruckt verteilen, damit überhaupt anderthalb Seiten inklusive Briefkopf dabei herauskamen.
Dass die Tagung doch nicht nur eine reine Ressourcenverschwendung ist, sondern immer noch ihre Gemeinheiten parat hält, dafür sorgt mitunter die Tatenlosigkeit selbst. Ein vorgeschlagenes vereinfachtes Bleiberecht für in Deutsch­land lebende Flüchtlinge wurde kurzerhand abgelehnt. Damit werden viele Tausende Flüchtlinge weiter im Ungewissen gehalten darüber, ob sie bleiben dürfen, wenn Ende des Jahres die Altfallregelung für Geduldete ausläuft. Betroffen sind Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben. Ihnen droht, sollten sie nicht bis Ende des Jahres ihren Lebensunterhalt selbst gestalten können, die Abschiebung. »Klar, dass sie dann ausreisepflichtig sind«, schloss Uwe Schünemann die Sitzung. Bis zum nächsten Mal.