Im Gespräch mit Sister Fa über Frauen und HipHop im Senegal

»Die jungen Leute sind unsere Zukunft«

»Sarabah – Tales from the Flipside of Paradise« heißt die erste internationale Veröffentlichung der senegalesischen Rapperin Sister Fa, die im Mai erschienenen ist. Die seit drei Jahren in Berlin ansässige 27jährige singt in Wolof, Mandingo, Jola und Französisch über das Leben von Frauen und Soldaten im Senegal, über Aids, Politik und ihre persönlichen Erfahrungen. Ihre Songs spiegeln die reichhaltige Kultur des west­afrikanischen HipHop, in der sich westliche und afrikanische Einflüsse vereinen.

Du wolltest bereits als kleines Mädchen ein Rap-Star werden. Ist dieser Traum, zumindest im Senegal, in Erfüllung gegangen?
Ich kann nicht sagen, dass er bereits wahr geworden ist, aber ich bin auf dem richtigen Weg. Als ich sehr klein war, war das wirklich so etwas wie mein großer Traum. Ich habe immer zu meinen Schwestern gesagt: Wenn ich einmal ein Star bin, dann werde ich so und so reden und mich so und so bewegen. Doch du musst wirklich sehr hart arbeiten, um das zu erreichen.
Wie ist dein Stand im Senegal? Bist du eine Prominente dort?
Ich würde mich selbst nicht so bezeichnen. Ich bin eben eine Rapperin, und ich hatte in dieser Stilrichtung die erste Soloveröffentlichung einer Frau im Senegal überhaupt. Ein TV-Sender dort zeigte drei meiner Videoclips, mindestens einmal pro Wo­che lief ich im Fernsehen. Ich bin bekannt im Senegal, aber kein großer Star – bestenfalls ein armer Star.
Wann kamst du das erste Mal mit HipHop in Berührung?
Am Anfang gab es da einen großen Einfluss meines Cousins und der Musik, die wir gemeinsam zu Hause hörten, das war vor allem französischer HipHop. Ich hörte das oft, als ich sehr jung war. Meine älteren Brüder hörten auch HipHop, und das hat mich stark beeinflusst. Auch die westafri­kanische und senegalesische Musik war im Spiel. Zu jener Zeit waren Positive Black Soul oder Daara J angesagt. Im Jahr 2000 begann ich damit, Texte zu schreiben. Zwei Jahre später startete ich meine musikalische Karriere.
Du bist eine der wenigen Frauen in der HipHop-Szene Senegals. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Es war auf jeden Fall nicht einfach. Das erste Problem waren meine Familie und die Nachbarschaft. Die kommen einfach nicht klar damit, dass eine junge Frau jeden Tag ausgeht und spät in der Nacht nach Hause kommt, weil sie im Studio oder auf der Bühne ist. Sie beobachten dich ständig und reden schlecht über dich: Sie ist nie zu Hause, sie ist eine Prostituierte, heißt es dann. Aber nachdem meine Familie verstanden hatte, was ich will, hat sie mich in Ruhe gelassen und mich unterstützt.
Wie waren die Reaktionen deiner männlichen Rapper-Kollegen?
Die Männer nehmen uns nicht ernst. Die Produzenten und Promoter sagen immer: Sie wird nicht länger als fünf Jahre Musik machen, weil sie heiraten und Kinder bekommen wird, oder die Familie wird es nicht zulassen. Sie hatten in der Vergangenheit kein großes Interesse an Musikerinnen, doch jetzt ändern sich diese Dinge ein wenig.
Du kommst aus der Casamance-Region im Süden des Senegal. Dort gibt es seit vielen Jahren einen Konflikt zwischen bewaffneten Gruppen und der Regierung. Wie ist die Situation zurzeit?
Die Dinge ändern sich nicht zum Guten, es ist schlimmer als zuvor. Die Regierung versucht zu intervenieren, aber wir wissen, wie das läuft. Sie versucht, alles zu politisieren, und unternimmt nichts für die Entwicklung im Süden des Landes. Der Aufstand ist ein willkommener Vorwand für ihre Untätigkeit. Die Aufständischen wiederum bestehlen und drangsalieren die Bevölkerung. Die Bewohner der Region, die in erster Linie Frieden wollen, sind die Opfer dieses Konflikts. Die Rebellen sagen, sie würden für die Unabhängigkeit der Casamance kämpfen, aber ich glaube ihnen nicht.
Unterstützen die Bewohner die Forderung nach Unabhängigkeit für die Casamance?
Nein, absolut nicht. Ich für meinen Teil kann diese Forderung auch nicht nachvollziehen. Vor fünf oder sechs Monaten zeigten sie einen Beitrag im Fernsehen darüber, dass die Rebellen 15 Menschen das linke Ohr abgeschnitten haben. Wenn sie solche Sachen machen, frage ich mich, für wen sie diese Unabhängigkeit erkämpfen wollen. Wenn sie die Bosse sind, werden sie wohl die ganze Bevölkerung töten.
Du bist gerade von einem Besuch im Senegal zurückgekommen. Wie ist es dort?
Die Menschen leiden, glaub mir. Du hast sicherlich von den jungen Leuten gehört, die versuchen, auf die Kanaren zu gelangen, und auf der Überfahrt sterben. Sie machen das, weil es im Senegal nichts gibt. Arbeit ist nicht zu finden, das Leben ist sehr teuer, es gibt keine Hoffnung. Der Präsident wiederum ist sehr alt und versucht gerade, seinen Sohn als Nachfolger einzusetzen. Ich befürchte stark, dass wir in Kürze eine Menge Ärger bekommen im Senegal.
In deinem Song »Milyamba« bezeugst du den Frauen, die auf dem Land leben und dort harte Arbeit leisten, deinen Respekt. Das ist ein ungewöhnliches Thema für einen HipHop-Song …
Ich komme aus einem Dorf im Süden. Ich habe selbst erfahren, unter welch harten Bedingungen die Frauen dort leben. Sie stehen in aller Frühe auf und laufen viele, viele Kilometer, um auf der Farm zu arbeiten. Wenn sie zurückkommen, ist es 18 Uhr, und sie müssen dann noch Wasser holen, Holz hacken, kochen und den restlichen Haushalt besorgen. Viele haben noch nicht mal eine Stunde Zeit für sich selbst. In der Stadt suchen sich sogar die armen Frauen eine Haushälterin. Während die Regierung versucht, den armen Frauen in der Stadt zu helfen, hat sie die Frauen in den ländlichen Gebieten vergessen. Deshalb habe ich diesen Song und den Videoclip gemacht. Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass es ihnen immer noch schlecht geht.
Was ist mit den Männern in den Dörfern?
Ach, vergiss es. Sie sitzen nur die ganze Zeit herum, trinken Tee und labern ohne Ende. Sie arbeiten nicht. Es sind vor allem die Frauen, die das machen. Es tut mir leid, aber so ist es.
Beschweren sich die Frauen nicht darüber?
So ist es nun mal, wer kann das ändern? Seit langer, langer Zeit ist das so. Die Männer arbeiten ein­fach viel weniger als die Frauen. Ich bin mir nicht sicher, ob das in naher Zukunft anders laufen wird.
In ganz Westafrika hat HipHop einen enormen Einfluss auf die Ideen und Vorstellungen junger Leute. Warum ist das so?
HipHop wird eben vor allem von Jugendlichen gemacht. Wenn ich zum Beispiel einen Text schreibe, dann versuche ich immer, die Jungen zu erreichen. Wenn ich über weibliche Genitalverstümmelung rede, ein wichtiges Thema für mich, ist es wichtig, einen Song zu machen, der den jungen Leuten nahegeht. Sie sind die Zukunft. Wenn sie sagen, wir wollen dies und das anders machen, dann können sie es ändern.
Hat Musik einen direkten Einfluss auf die Politik im Senegal?
Auf jeden Fall. Im Jahr 2000, als die seit 40 Jahren regierende Sozialistische Partei abgewählt wurde, hat HipHop entscheidend dazu beigetragen. Die jungen Leute gingen in den Jahren davor nicht mehr zur Wahl, beschwerten sich aber dauernd. Vor neun Jahren brachten wir einige Compilations heraus und sagten: Werft keine Steine, aber werft eure Stimmzettel in die Urnen, es ist euer Recht. Wir können uns nicht immer nur beschweren. Und dann änderten sich die Dinge tatsächlich, der Oppositionskandidat Aboulaye Wade gewann. Es ist nur traurig, dass er alle Hoffnungen, die wir in ihn setzten, enttäuscht hat.
Wie wichtig ist der Islam für das Leben im Senegal?
Die Religion ist das einzige, was wir dort haben. Wir haben kein Geld, aber wir haben Gott. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Dinge laufen würden, wenn es diese Art der religiösen Bildung nicht geben würde. Es käme zu vielen Morden, Diebstählen und Aggressionen. Wir haben eben diesen starken Glauben, dass sich eines Tages die Dinge ändern werden: Heute bin ich arm, aber in naher Zukunft werde ich wohlhabend sein, wenn ich bei meiner positiven Einstellung bleibe, so denken die Leute.
Wie siehst du die Beziehung zwischen dem Islam und Frauenrechten? Vor allem in arabischen Ländern scheinen sie oft im Gegensatz zu­einander zu stehen. Ist das in Westafrika anders?
Die Situation im Senegal unterscheidet sich auf jeden Fall von den Regionen, die du ansprichst. Ich bin sehr traurig, wenn ich manche Dinge aus diesen Ländern sehe. Kürzlich lief zum Beispiel eine Reportage über, wenn ich mich recht erinnere, Pakistan. Die Taliban verprügelten eine Frau, weil sie angeblich Ehebruch begangen hatte. Das hat mich echt mitgenommen. Diese Leute versuchen, ihre eigene Gerechtigkeit durchzusetzen. Ich bin zwar eine Muslima, aber ich mag diese Dinge überhaupt nicht. Das ist kein Islam. Diese Menschen spielen sich auf, als ob sie Gott wären.
Wie stehst du zur Homosexualität, die in vielen afrikanischen Ländern gesellschaftlich und staatlich geächtet ist?
Als ich noch im Senegal gelebt habe, war das für mich etwas Abscheuliches. Ich verstehe in gewisser Weise auch die Leute im Senegal, die das ablehnen. Wir wachsen nicht mit der Homosexualität auf. Es gibt zwar viele Homosexuelle, aber sie müssen sich verstecken, sie zeigen sich nicht wie in Europa. Heutzutage versuchen sie, in die Öffentlichkeit zu gehen, aber die Senegalesen können es nicht verstehen. Seit ich in Berlin bin, habe ich allerdings viele schwule und lesbische Freunde. Darum ist das für mich inzwischen normal. Es ist ihr Leben, und sie können tun, was immer sie wollen.
Was magst du an Berlin, was gefällt dir nicht?
Berlin ist eine internationale Stadt. Es gibt jede Menge Möglichkeiten, Musik und andere künstlerische Sachen zu machen. Ich mag die Stadt wirklich sehr. Das einzige, was mich stört, sind diese komischen Leute, die es überall gibt – sogar im Senegal gibt es Rassisten. Dann und wann habe ich sehr unschöne Erlebnisse mit ihnen. Das letzte Mal war das in den Rathaus-Arkaden in Neukölln. Ich aß eine Banane, und ein um die 50 Jahre alter Mann sagte: Oh, die Banane steht dir gut, und er meinte offensichtlich, dass ich ein Affe sei.
Passieren dir solche Sachen regelmäßig?
So ungefähr einmal im Monat habe ich so ein Erlebnis. Doch mittlerweile habe ich mich damit abgefunden. Ich kann es nicht ändern und lebe damit.