Der Burschentag in Eisenach

Nicht ganz tadellose Burschen

Die Deutsche Burschenschaft (DB) fühlt sich der »Antifa-Hetze« ausgesetzt und ungerecht behandelt – steht sie doch nach eigenen Angaben für Demokratie, Freiheit und ein kritisches Bewusstsein. Der Burschentag in Eisenach und die Publikationen der DB vermitteln einen anderen Eindruck.

Besonders viele Burschenschafter sind nicht zusammengekommen: Zum »Burschentag« in Eisenach finden sich in diesem Jahr nur etwa 500 ein, bei mehr als 120 Burschenschaften, die in der »Deutschen Burschenschaft« (DB) zusammengefasst sind, also nur etwa vier Mitglieder je Bund. Zwar ist der Anteil alter Herren – jene Mitglieder der Bünde, die ihr Studium bereits ab­geschlossen haben – recht hoch. Dennoch hat sich auch Nachwuchs zum Festakt in der Wartburg eingefunden. Die Jüngeren bekennen mit den alten Herren zusammen Farbe – zumeist Schwarz-Rot-Gold.
Was die Burschenschafter von heute umtreibt, ist schwer herauszufinden. Die meisten erweisen sich als ausgesprochen ungesprächig, mitunter auch feindselig. Mit der Presse redet der Burschenschafter nicht gerne. Das gilt im Besonderen für die Presse, die im Verdacht steht, sich der »Antifa-Hetze« gegen die DB anzuschließen.

Die Wenigen, die sich äußern, verweisen auf den »Pluralismus der Meinungen« in der DB, auf das großartige Gemeinschaftsgefühl oder bedauern, dass nicht sonderlich viele Burschenschafter angereist sind. Als wesentlich kommunikativer erweist sich Michael Schmidt von der Burschenschaft Hilaritas Stuttgart – als Pressesprecher der DB, die den Burschentag veranstaltet, ist das schließlich seine Aufgabe. Er ist sichtlich bemüht, mit der »unfairen Kritik« an dem Verband aufzuräumen. Nach seiner Darstellung sind die in der DB versammelten Bünde Vereinigungen, in denen ein kritisches, politisches Bewusstsein gefördert und zu Demokratie und Freiheit erzogen wird.
Probleme mit Rechtsextremen im Verband sieht er nicht. Zwar gebe es solche Personen. »Die können menschlich super sein, nur dann sagen sie inakzeptable Dinge«, berichtet Schmidt. Die Betreffenden auszuschließen, hält er jedoch für falsch. Zum einen sei die Mitgliedschaft ein ­»Lebensbund«. Zum anderen könnten Rechtsex­treme in ihren Bünden »zur Mitte hin erzogen« werden. Darüber hinaus hat Schmidt allerdings ganz persönlich keine Bedenken, weiterhin Freundschaften zu solchen Burschenschaftern zu pflegen – allerdings nach eigener Aussage nicht ohne stets darauf hinzuweisen, dass er ihre Meinung für kritikwürdig halte. Die DB ist also, wenn man dem Pressesprecher glaubt, eine Institution für die Entnazifizierung, in der freiheits­liebende Demokraten geformt werden.
Geht es um die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, so behauptet Schmidt sehr überzeugt, die Vergangenheit der Bünde sei aufgearbeitet. Viel bedenklicher als rechtsextreme Umtriebe in den eigenen Reihen findet er ohnehin die Forderung nach »Umerziehung« an Personen, die wie die DB unpopuläre Meinungen vertreten. Die Kritik an den Burschenschaften sei das Resultat einer gleichgeschalteten Gesellschaft, in der bestimmte Meinungen tabuisiert würden – und zwar nicht nur die, die auch der Pressesprecher selbst für inakzeptabel hält.

Im Zuge der Feierlichkeiten zeigt sich noch einiges mehr vom Weltbild der DB. Nach der Bücherverbrennung während des Hambacher Festes 1817 gefragt, entgegnet ein alter Herr der Hannoverschen Burschenschaft Armenia, es sei »lediglich so getan worden«, als seien Bücher verbrannt worden – wohl aber nicht wegen des mangelnden Willens, sondern weil »echte Bücher zu teuer waren«. Das Engagement von Burschenschaftern im Na­tionalsozialismus – den die DB vor ihrer Selbst­auflösung 1935 ausdrücklich begrüßte – kommentiert Pressesprecher Schmidt lediglich mit den Worten: »Menschlich nicht ganz ­tadellos.« Schuld an der Finanzkri­se sind seiner Ansicht nach vor allem die USA und ihr ganz besonders zügelloser Kapitalismus.
Dann geht es los zum großen Fackelmarsch. Das Ziel ist das Denkmal für die während der beiden Weltkriege gefallenen Burschenschafter, für die ein »Totengedenken« abgehalten wird. Der Wachsgeruch der Fackeln liegt in der Luft, junge Burschenschafter recken während der Schweigeminute für die gefallenen Kameraden die stolzgeschwellte Brust. Schließlich setzen alle zum Gesang an: »Deutschland, Deutschland über alles!« Schmidt sagt auf Nachfrage: »Wir singen das Lied der Deutschen. Also alle drei Strophen.«
Wer an einem solchen Spektakel teilhaben möchte, muss sich um die Mitgliedschaft in einer Verbindung bemühen. Bewerber werden auch heutzutage noch darauf geprüft, ob sie »deutsch« sind – gemeint ist nicht der Pass, sondern die Zugehörigkeit zum »Deutschen Volk«. Völkische Ideologie findet sich auch in der Publikation des DB, den Burschenschaftlichen Blättern. Im Jahr 2007 beschäftigten sich die Autoren unter an­derem mit dem »Vaterlandsbegriff heute« und entwickelten einen »Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik«. Zugleich warnten sie unter dem Titel »Ein Volk verzichtet auf Weiter-Existieren« vor einem Aussterben der Deutschen – wobei diesen auch ganz selbstverständlich die Österreicher zugerechnet wurden.
Im Jahr 2008 beschäftigte sich eine Ausgabe mit der »Freiheit«, bedroht sahen die Schreiber vor allem ihre eigene Meinung. So hieß es in ­einem Beitrag zu dem »Urburschenschafter« Johann Georg August Wirth: »Die mit Schreib- und Sprechverboten einhergehende ›Meinungsdiktatur‹ unserer Tage – wie sie jüngst in der Kampagne gegen die Totenehrung Hans Filbingers ihr Haupt erhob und eine unsägliche Clique von Gesinnungsrichtern auftreten ließ – hat längst ein Stadium erreicht, das zum politischen Widerstehen ermächtigt.« An anderer Stelle wurde über die Meinungs- und Pressefreiheit »zwischen Volkspädagogik und staatlicher Instrumentalisierung« sinniert. Auch hier sahen die Autoren der Burschenschaftlichen Blätter Gesinnungswächter am Werk, die die Selbstzensur einer unfreien Gesellschaft vorantrieben. Im ersten Heft des Jahres 2009 widmete sich das Magazin der Globalisierung – und ließ hierzu unter anderem Alain de Benoist, einen bekannten Vertreter der »Neuen Rechten« in Frankreich, zu Wort kommen.

Die von Pressesprecher Schmidt angemahnte Toleranz kommt in den Publikationen also dem Geschichtsrevisionismus, großdeutschen Nationalismus und rassistischen und xenophoben Ressentiments zu. Die ungerechte, politische Stigmatisierung der DB, die Schmidt zufolge in einem Land allgegenwärtig ist, in dem die Antifa angeblich die Meinungshoheit hält, lässt sich in Eisenach nicht erkennen. Die Burschentage verliefen in der vergangenen Woche vollkommen ungestört. Und auch die Antifa war dieses Jahr auf der Wartburg und am Burschenschaftsdenkmal nicht zu sehen.