Der BND-Untersuchungsausschuss und die Politik der Geheimhaltung

Geheim ist geheim

Künftig muss der BND-Untersuchungsausschuss besser begründen, warum viele Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.

Nein, zu der Frage, ob oder wie es in der von Frank-Walter Steinmeier geleiteten Präsidentenrunde zu der Entscheidung kam, den Bremer Murat Kurnaz aus Sicherheitsgründen nicht schon 2002 aus Guantánamo zurückkehren zu lassen, dürfe der Zeuge nicht aussagen. Dieser Bereich berühre die »Funktionsfähigkeit« und die »Eigenverantwortung« der Regierung und könne deshalb im BND-Untersuchungsausschuss nicht ­erörtert werden.
Während der dreijährigen Ermittlungen des Ausschusses wurde die Aufklärung in Fällen wie dem von Kurnaz oder jenem des verschleppten Khaled el-Masri häufig dadurch behindert, dass Beamte oder Minister wie Otto Schily zu wichtigen Themen nicht aussagen durften, weil diese den »Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung« beträfen oder aus Gründen des »Staatswohls« geheim gehalten werden müssten. Dafür genügte beispielsweise jeglicher Zusammenhang mit der so genannten Präsidentenrunde, einem informellen Gremium aus Staatssekretären und den Präsidenten von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, das unter der Leitung von Steinmeier als Beauftragtem für die Nachrichtendienste des Bundes Kabinettsentscheidungen vorbereitete. Aus den gleichen Gründen weigerte sich die Bundesregierung häufig, angefragte Akten herauszu­geben.

Wie das Bundesverfassungsgericht auf Antrag von FDP, Linkspartei und Grünen in einer erst vergangene Woche veröffentlichten Entscheidung vom 17. Juni feststellte, hat die Regierung mit dieser Geheimhaltungspraxis das Informations- und Untersuchungsrecht des Bundestags verletzt. Die gerade zur Aufklärung von exekutiven Rechtsverstößen wichtigen Kontrollrechte des Parlaments könnten zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Regierung zwar begrenzt werden, aber immer nur nach einer konkreten Abwägung und Begründung: »Pauschales Berufen auf einen der verfassungsrechtlichen Gründe, die dem parlamentarischen Untersuchungsrecht Grenzen setzen, genügt in keinem Fall.« Auch wenn es um Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten gehe, sei dies allein kein Grund für eine Geheimhaltung.
Angesichts der Argumentation der Regierung, die ungeniert den größtmöglichen »Arkanbereich in Sicherheitsfragen« reklamierte, sahen sich die Karlsruher Richter sogar zu dem Hinweis gezwungen, »dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist« und dass Parlamentsorgane »nicht als Außenstehende behandelt werden« dürften, »vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind«. Einer Exekutive, die sich im Geiste der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts mit dem Staat an sich gleichsetzt, muss also vom Verfassungsgericht erklärt werden, was in einer parlamentarischen Demokratie selbstverständlich sein sollte.

Vertreter der Oppositionsparteien freuen sich indes über dieses »Urteil von epochaler Bedeutung« (Max Stadler, FDP). Bahnbrechend ist nach Ansicht von Hans-Christian Ströbele (Grüne) insbesondere die Feststellung, dass nicht alles geheim sei, was die internationale Zusammenarbeit der Dienste betrifft. Für den BND-Untersuchungsausschuss, der sich unter anderem auch mit den Beiträgen deutscher Spione zum Bombardement von Bagdad und den illegalen Gefangenentransporten der CIA über Deutschland beschäftigte, dürfte die Entscheidung allerdings zu spät kommen. Ströbele, der wie Stadler auf eine Sondersitzung drängt, um bislang gesperrte Akten sichten zu können, vermutete im Gespräch mit der Jungle World, die große Koalition werde »ihre bisherige Obstruktionspolitik fortsetzen, um das Ganze über die Bundestagswahl zu retten«. In der Tat hält der Vorsitzende des Ausschusses, Siegfried Kauder (CDU), das Gremium, das im Juni seinen Abschlussbericht vorlegte, für gar nicht mehr existent. Auch für die Zukunft beruhigte Kauder schon einmal die zuständigen Sicherheitsorgane: Die Geheimhaltungspolitik könne beibehalten werden, nur die Begründungen müssten detaillierter ausfallen.
Aus bürgerrechtlicher Perspektive skeptisch ist Heiner Busch, Vorstandsmitglied des Komitees für Grund­rechte und Demokratie. Die parlamentarischen Informationsrechte seien in der Vergangenheit stetig verbessert worden, »aber Geheimdienste sind prinzipiell nicht demokratisch kontrollierbar. Die einzige wirksame Kontrolle ist ihre Abschaffung.«