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Die Anti-AKW-Demo am vergangenen Samstag in Berlin war die größte seit Tschernobyl. Die Anti-Atombewegung erlebte eine Renaissance und mit ihr die gelben »Atomkraft? Nein danke!«-Sticker der achtziger Jahre, die umweltbewusste Menschen damals auf ihre nicht ganz so umweltschonenden Autos klebten. 50 000 Teilnehmer zählten die Veranstalter, die Polizei tippte auf 36 000, war aber angesichts der Familienfestatmosphäre durchaus bereit, ihre Schätzung nach oben zu korrigieren. Großeltern, Kinder und Enkelkinder demonstrierten gemeinsam, das passt nicht nur gut zu einer Jugend, die in ihren Eltern die »besten Freunde« gefunden hat, sondern auch zum Ergebnis der von Greenpeace beauftragten TNS-Emnid Studie: 59 Prozent der Bundesbürger fordern den Atomausstieg.
Unter dem Motto »Mal richtig abschalten« wurde generationenübergreifend mobilisiert. Der Slogan trifft das Lebensgefühl der Lohas (»Lifestyle of Health and Sustainability«), die gerne ökologisch korrekt konsumieren und dabei den allergrößten Wert auf entspanntes und lässiges Auftreten legen. Für Wiedersehensfreude bei den langjährigen Aktivisten sorgten die 350 Trecker der Bäuerlichen Notgemeinschaft, die wie beim legendären Gorleben-Treck vor 30 Jahren, die Spitze des Demonstrationszugs bildeten.
Die Atomkraft ist Wahlkampfthema, spätestens seit der erneuten Pannenserie in Krümmel und den revidierten Plutoniummengen im Atommüllager Asse. Die Organisatoren der Demo wollten keine explizite Wahlkampfveranstaltung abliefern. Politiker durften bei der Abschlusskundgebung nicht auf die Rednerbühne am Brandenburger Tor. Renate Künast, Jürgen Trittin und Wolfgang Thierse begaben sich unter das Fußvolk, schwenkten ihre Köpfe in Richtung der Fernsehkameras und gaben fleißig Interviews. Umweltminister Sigmar Gabriel war terminlich verhindert, verband seine Solidaritätserklärung aber gewohnt routiniert mit einem Angriff auf Schwarz-Gelb: »Hört endlich auf, den verlängerten Arm der Atomindustrie zu spielen.« Dass es nicht nur um Gutes, sondern auch um Geld geht, demonstrierte Herrmann Albers. Der Vizepräsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie trug als einziger Redner ganz businessmäßig Anzug und Krawatte.