Abtritt beim Auftritt

Das Gastland der Frankfurter Buchmesse ist in diesem Jahr China. Dass mit der Einladung dieses Partners auch Themen wie Pressefreiheit, Zensur oder inhaftierte Schriftsteller auf der Tagesordnung stehen, ist den Veranstaltern erst am vergangenen Wochenende aufgefallen. Ausgelöst wurde die späte Erkenntnis durch das Symposium »China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit«. Schon die Gästeliste entwickelte sich zur schwer lösbaren Herausforderung. Die eingeladenen Regimekritiker Dai Qing und Bei Ling wurden auf Druck von chinesischer Seite ausgeladen und vom deutschen Pen-Zentrum wieder eingeladen. Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, entschuldigte sich beschämt für die Ausladung seiner Gäste und erklärte, dass die Messe eigentlich »eine Plattform gegen Zensur« sei und er den Regimekritikern natürlich die Möglichkeit für ein Statement einräumen werde. Eine offizielle Wiedereinladung seitens der Buchmesse traute er sich nicht.
Das war aber nur der Auftakt für eine Reihe von Entschuldigungen, die zunehmend devoter wurden. Die chinesische Delegation reagierte ungehalten und verließ, während die Umweltaktivistin Qing die ersten Worte ins Mikrofon sprach, geschlossen das Podium. Kurze Zeit später betrat Boos die Bühne und entschuldigte sich pflichtschuldig bei den chinesischen Mitveranstaltern. Dabei sah er aus wie ein kleiner Schuljunge, der Angst davor hat, nicht mehr mitspielen zu dürfen auf dem »Marktplatz der Freiheit«, wie er die Buchmesse im Vorfeld bezeichnete. Markt scheint das richtige Stichwort zu sein, Peter Ripken, der Organisator des Symposiums, sprach von »Güterabwägung«, schließlich ist China das neue Wirtschaftswunderland.   mm