Leichenschau mit totem Terrier

Als der Wagen das Kaff Ackerman’s Field erreicht hat, versammelt sich augenblicklich eine Menge Schaulustiger. Die Pritsche des Wagens stellt mehr schlecht als recht von Stroh bedeckte Leichen zur Schau, allesamt Opfer grausamer Morde. Darunter ein karamellfarbener Terrier – mit Ohrringen. »Kannst du dir denken, warum der Killer auch den Hund getötet hat?«, fragt jemand. »Ich glaube, es war einfach nichts anderes zum Töten mehr übrig.« Stephen King, Großmeister des Horrors, nennt William Gays im Tennessee der fünfziger Jahre angesiedelten Schauerroman »Nächtliche Vorkommnisse« sein »Buch des Jahres«.
Das ist vielleicht ein bisschen viel des Lobes. Obwohl die Geschichte um das Leichen ausbuddelnde Geschwisterpaar Corry und Kenneth Tyler und den nekrophilen Leichenbestatter Fenton Breece immerhin Cormac McCarthys finsterer, aus lakonisch knappen Sätzen gemeißelter Prosa alle Ehre zu machen sucht. Nur gelingt das nicht so ganz. Die Messlatte ist allerdings auch verdammt hoch. Etwas zu eindeutig ist hier das Gute vom Bösen geschieden. Und ein Quentchen weniger blutgetränkte Fabulierlust des Autors zugunsten mehr erzählerischer Logik hätte dem Buch auch gut getan. Aber knallhart und spannend schreiben kann er durchaus, dieser William Gay. Ein faltiger Zottel und Auto­didakt übrigens; bis zur Veröffentlichung seines ersten Romans im Jahr 1999 arbeitete er als Dachdecker, Schreiner und ­Maler.

William Gay: Nächtliche Vorkommnisse. Arche Literatur Verlag, Zürich Hamburg 2009, 300 Seiten, 19,90 Euro