Zum Tod von Patrick Swayze

Der letzte Engtanz

Zum Tod von Patrick Swayze.

Eben erst wurde bei der Fashion-Week in New York verkündet: Schulterpolster kommen zurück. Es geht also weiter mit dem Achtziger-Revival, das endgültig kein Ende mehr zu nehmen scheint. Heute ist wie damals und Angehörige der Generation Golf werden von einer Nostalgiewelle nach der anderen in die eigene Jugend zurückgetragen. Erst ist Michael Jackson gestorben und jetzt auch noch Patrick Swayze. Auf jeder Privatparty hört man heute »Thriller« oder »Beat It«, und wer letztes Wochenende Pärchen glücklich machen wollte, der legte zwischendurch auch noch »Time of my Life« oder »She’s like the Wind« auf, diese gefürchteten Kuschelimperative aus »Dirty Dancing«, gegen die sich der Soundtrack aus »La Boum« geradezu wie Heavy Metal ausnimmt.
Patrick Swayze ist tot, verstorben an Bauchspeicheldrüsenkrebs, einer Kettenraucherkrankheit, die nicht so recht zu dem Tanzlehrer, den Swayze in »Dirty Dancing« verkörperte, passen mag. Der Superstar der Achtziger, der völlig abgemeldet war ungefähr ab dem Zeitpunkt, in dem Grunge als Massenphänomen die Neunziger als neues Jahrzehnt definierte, ist tot, und damit kommt alles zurück. Vor allem natürlich »Dirty Dancing«, dieser Film aus dem Jahr 1987, der allen Jungs, die damals in der Pubertät steckten, verdeutlichte, dass Mädchen wohl doch anders ticken als man selbst.
Heute ist andauernd die Rede davon, dass die Jungs die wahren Verlierer unserer Zeit seien. Jungs stellen Unfug in der hintersten Schulbank an, während Mädchen brav den Satz des Pythagoras auswendig lernen, Mädchen besitzen bereits in einem Alter eine Sozialkompetenz, in dem Jungs ihre Konflikte noch wie Steinzeitmenschen untereinander austragen. Mädchen seien eben früh viel weiter als Jungs, das sagt heute die Wissenschaft. Früher muss das anders gewesen sein. Wir Jungs interessierten uns für Filmkunst wie »Spiel mir das Lied vom Tod« und das Gitarrenspiel von Angus Young von der anerkannten Rockinstitution AC/DC, während die Mädchen von diesem weichgespülten Tränenzieher »Dirty Dancing« und seinem männlichen Hauptdarsteller schwärmten und auch noch dessen Gesangskünste für alles andere als unterirdisch hielten.
Es ist bis heute so: Generation-Golf-Männer gehen nicht gemeinsam mit ihren besten Freunden auf die Toilette und können sich nur mit Grauen an »Dirty Dancing« erinnern, den Film, den die Mädchen liebten, den sie selbst aber einfach nicht verstanden haben. Frauen dagegen begeben sich bekanntlich nur im Rudel Richtung WC und können – ich habe das selbst erlebt – ganze Passagen aus der Tanzlehrerszene des Dramas zitieren.
Dabei muss man im Nachhinein zähneknirschend zugeben: Eigentlich hatten wohl doch schon damals die Mädchen Recht. »Dirty Dancing« war letztlich bloß die Vorstufe für »Titanic«, und diesen Film haben wir ja wohl alle geliebt. Sieht man heute »Dirty Dancing« doch noch einmal, ist der Film eigentlich perfekt. Sozialdrama, Aschenputtelstory, verbotene Liebe, alles drin. Und retro­spektiv hat man auch ein ganz anderes Bild von Patrick Swayze. Man hat ihn inzwischen in »Outsiders« gesehen, dem Jugenddrama von Francis Ford Coppola, mit dem der gelernte Balletttänzer halbberühmt wurde. Dann natürlich »Die rote Flut«, dieser sagenhaft dämliche Kalter-Krieg-Film, in dem die Russen in Amerika einfallen wie ehemals die Nazis in Polen und Swayze den Anführer einer Widerstandsgruppe Jugendlicher gab. Der Film ist reaktionärer als das Gesamtwerk von Sylvester Stallone, in seiner ironiefreien Blödheit aber so verblüffend konsequent, dass er eindeutig zu der Kategorie der »guilty-pleasure«-Filme gehört. Außerdem spielte Swayze neben Keanu Reeves einen mysteriösen Surfer in dem Wellenreiter-Hit »Gefährliche Brandung«, auch so eine Rolle, in der der ehemalige Schönling genügend Ecken und Kanten gewann, um mehr zu sein als bloß der ewige Mädchenschwarm.
Erst im Nachhinein fällt auch auf, dass Patrick Swayze in ein paar der denkbar hollywoodmäßigsten Hollywoodfilme mitgewirkt hat, in radikalamerikanisierten Werken wie der Südstaaten-Serie »Fackeln im Sturm« und natürlich in der Mutter aller Romantic-Hollywood-Filme neuerer Machart, in »Ghost«, der nebenbei noch die grassierende Mystery-Welle mitausgelöst hat. Dieses Swayze-Hollywood, dieses schillernde, durchgeknallte Mainstream-Kino, das versteht man jetzt ja erst richtig, wo man auch AC/DC für überschätzt hält, ist aber doch eigentlich das wunderbarste Kino der Welt, ein grenzenloser Möglichkeitsraum. Wir Männer müssen uns im Nachhinein bei Patrick Swayze entschuldigen und geben auch noch zu: So schlimm ist »Time of my Life« gar nicht.