Schein verliert Scheinwahl

Sergej Bozhenow, der Bürgermeister von Astrachan, gehört der Regierungspartei »Einiges Russland« an. Wer sich nicht mit ihm einig ist, hatte es schwer im Kommunalwahlkampf. Die Helfer seines Gegenkandidaten, des linken Gewerkschafters und Duma-Abgeordneten Oleg Schein von der Partei »Gerechtes Russland« wurden verprügelt, Scheins Wahlkampfchef wurde mit einem Molotow-Cocktail bedacht. Bei Sammeltaxis, die mit Plakaten für Schein warben, wurden die Reifen zerstochen, und wer unliebsame Transparente auf seinem Balkon angebracht hatte, erhielt nachts unerwünschten Besuch. Am Tag der Abstimmung mischte bei Prügeleien sogar ein Abgeordneter des Gebietsparlaments mit. Die Bevölkerung reagierte auf die Wahlfarce mit Protestaktionen und einem Zeltlager im Zentrum, das die Miliz allerdings nach drei Tagen räumen ließ. Bozhenow bleibt im Amt.
Die Operation Kommunalwahl, die am 11. Oktober über die Bühne ging, war für das »Einige Russland« ein Erfolg. In 76 Regionen wurde über die Kommunalvertretungen abgestimmt, in Moskau, Tula und der Republik Marij El stand die Wahl der Regionalparlamente auf dem Programm. Im Schnitt wurden dem »Einigen Russland« etwa 80 Prozent der Stimmen zugesprochen, die liberale Opposition, Jabloko und »Die rechte Sache«, erhielt keinen einzigen Sitz. Wenn der Einsatz »administrativer Ressourcen« wie staatlicher Wahlkampffinanzierung, regierungstreuer Medien und folgsamer Beamter nicht genügte, wurden die Wähler auch mit Gewalt gelenkt. So wurden in der Stadt Derbent in der Kaukasusrepublik Dagestan Abstimmungswillige mit der Schusswaffe in Schach gehalten. Die Oppositionsfraktionen in der Duma verlangten wegen der Unregelmäßigkeiten Rechenschaft von Präsident Dmitrij Medwedjew. Erst nachdem die Ab­geordneten demonstrativ den Sitzungssaal verlassen hatten, gewährte Medwedjew ihnen einen Gesprächstermin.   uw