Die Ziele des Gipfels in Kopenhagen

Der Handel mit dem Wandel

Die USA und China haben Klimaschutzziele verkündet, um vor der Konferenz in Kopenhagen guten Willen zu zeigen. Aber selbst wenn es in dort zu einem neuen Klimaschutzabkommen kommt, wäre davon nichts Gutes zu erwarten.

Wer vom Ausgang des anstehenden »Klimagipfels« vom 7. bis zum 18. Dezember in Kopenhagen die rettende Nachricht erwartet, der offenbart seine politische Verblendung. Schließlich geht es bei den Klimaverhandlungen schon immer darum, mit gutem Willen entschiedenes Handeln vorzutäuschen, und darum, einen existenziellen Systemwiderspruch zuzukleistern: Die kapitalistische Produktionsweise ist ohne Wachstum nicht denkbar. Dieses Wachstum wird mit Hilfe der massenhaften Verbrennung fossiler Energien hervorgebracht, Konsequenz ist eine ständige Steigerung des CO2-Ausstoßes. So beschleunigt der kapitalistische Wachstumszwang die globale Klima­erwärmung und erzeugt durch die exzessive Ausbeutung vieler anderer Ressourcen gleichzeitig eine Vielzahl weiterer Krisen: Wasserknappheit, Verlust von Biodiversität, Degradation von Ackerland. Wer daran wirklich etwas ändern will, muss sich über Alternativen zum Kapitalismus ernsthaft Gedanken machen und sich um deren Realisierung kümmern. Das steht aber weder beim Gipfel in Kopenhagen noch bei den globalen Nichtregierungsorganisationen auf dem Programm.

Ganz im Gegenteil. Die als flexibel bezeichneten, in der Praxis neokolonialen Instrumente wie der »Clean Development Mechanism« (CDM) richten noch mehr Schaden an. Mit dem CDM können sich Industrieländer zertifizierte Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern kaufen. So glaubwürdige Klimaschützer wie etwa der Energiekonzern Eon gründen sogar eigene Tochtergesellschaften – Eon Climate & Renewables –, um diese Projekte gleich selbst abzuwickeln. Beim CDM werden beispielsweise Feuchtgebiete für den Anbau von Pflanzen zur Verwendung als Agrotreibstoff trockengelegt und Urwälder abgeholzt. Die Landbevölkerung wird dabei vertrieben oder durch die Konzerne aus dem Norden der Möglichkeit beraubt, Lebensmitteln für den Eigenbedarf zu produzieren. Auch der Bau von Staudämmen wird mit diesem Instrument gefördert. In China kann man die Folgen beispielhaft besichtigen: Flussgebiete werden zerstört, Fischerei und Ackerbau am Flussufer verhindert und Tausende Menschen vertrieben.

Wie ernst es den am Klimagipfel beteiligten Staaten mit dem Überleben der Menschheit ist, zeigt auch ihre fehlende Aufmerksamkeit für die Welternährungskonferenz in Rom. Verschiedenen Berichte der Vereinten Nationen zufolge gibt es eine Milliarde hungernder Menschen. Eine Milliarde, das heißt: Jeder sechste Mensch hat nicht einmal genug zu essen. Die Aufmerksamkeit des Publikums richtet sich auf die versprochene »Rettung des Klimas« statt auf die Verelendung der Menschen. Beide Sachverhalte haben aber eine gemeinsame Ursache: Hunger und Klimaveränderungen beruhen auf globalen Ausbeutungsverhältnissen. Gegen deren Folgen will sich der Westen abschotten. So rüstet die EU weiterhin am Mittelmeer und anderswo fleißig auf, um Elends- und Klimaflüchtlinge daran zu hindern, festen Boden unter ihre Füße zu bekommen. Wenn Klimapolitik zivil keine Erfolge zeitigt, wird sie schnell zur militärischen Mission.
Aber bevor offenbar wird, was so politisch schon vorbereitet wird, gibt es eben die UN-Klimakonferenz mit Delegierten aus 192 Ländern. Und die hat bereits ausreichende Probleme innerhalb ihres eigenen Gefüges zu lösen. Das gegenwärtig gültige Kyoto-Protokoll, in dem sich die Industrieländer verpflichtet haben, in der Periode von 2008 bis 2012 ihre Treib­hausgasemissionen um lediglich 5,2 Prozent zu reduzieren, läuft 2012 aus. Die Delegierten brauchen schnell ein Nachfolgeabkommen, um der Tournee der nächsten Klimakonferenzen Anschlussmöglichkeiten zu bieten. Dies gelingt aber nur, wenn sich an einer Abschlusserklärung die USA und China beteiligen – die beiden Staaten, die für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind.
Tatsächlich wird US-Präsident Barack Obama auf dem Weg zur Entgegennahme des Friedensnobelpreises in Stockholm einen Abstecher nach Kopenhagen machen, um die Bereitschaft der USA zu verkünden, sich mit einer Reduzierung ihrer CO2-Emissionen von 17 Prozent bis 2020 zukünftig am Klimazirkus zu beteiligen. Auf diese Zahl haben sich die Abgeordneten des Repräsentantenhauses im Sommer geeinigt. ­Obama versucht, sich so mit einem völlig unzureichendem Beschluss in Siegerpose zu werfen. Denn zieht man als Vergleichswert statt des Co2-Ausstoßes der USA im Jahr 2009 den Wert des Basisjahrs 1990 heran, auf das sich das Kyoto-Protokoll bezieht, ergäbe sich für das Jahr 2020 nur ein angekündigtes Minus von drei bis vier Prozent. Damit läge die Reduktion also unter den 5,2 Prozent des Kyoto-Protokolls und erfolgte mit acht Jahren Verspätung. Yes, he can.

Der Staatsratsvorsitzende der Volksrepublik China, Wen Jiabao, ist da noch mutiger und will in Kopenhagen lediglich zusagen, den Anstieg der CO2-Emissionen zu verlangsamen, nicht aber die Emissionen zu senken. Auch darin hat China schon vom Westen gelernt. In der Umweltpolitik wird in diesem Zusammenhang immer von der Entkopplung des wirtschaftlichen Wachstums und des Wachstums der CO2-Emissionen gesprochen.
Deutschland und die EU versuchen derweil weiterhin, ihre heiße Luft aus dem Zusammenbruch der Industrie in Mittel- und Osteuropa zu vermarkten. Darauf beruht ja größtenteils der bisher erreichte Rückgang von 8,5 Prozent der CO2-Emissionen. Zu acht Prozent hatte sich die EU im Kyoto-Protokoll verpflichtet. Auf dieser Grundlage präsentieren sich die EU und vor allem Deutschland als globale Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Bundeskanzlerin Angela Merkel geht auf jeden Fall mit einer klaren Botschaft in die anstehenden Verhandlungen: »Kopenhagen ist ein Erfolg!« Darin stimmt auch der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas überein: »Kopenhagen wird ein Erfolg.« Etwas direkter artikuliert: ein Erfolg für die deutsche Indus­trie und ihre Interessen. Der Präsident ihres Bundesverbandes, Peter Keitel, hält es für nachteilig für die deutsche Industrie, wenn kein neues Abkommen zustande kommen sollte. Während scharfe Klimaschutz-Auflagen zu globalen Wettbewerbsnachteilen führen würden, erwartet sich die deutsche Industrie von einem neuen Abkommen vor allem Exportchancen für Umwelttechnologien.
Russlands Präsident Medwedjew hat sich beim EU-Russland-Gipfel Mitte November der europäischen Selbstverpflichtung angeschlossen, im Vergleich zu 1990 bis 2020 die CO2-Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren. Nach dem Zusammenbruch der sowjetischen Industrie ist das natürlich kein Problem. Im Klartext bedeutet diese Verpflichtung lediglich, auf einen Teil der heißen Luft zu verzichten, um den Rest dann tatsächlich in Zukunft vermarkten zu können. Allerdings ist Russland mittlerweile nach China, den USA und der EU der viertgrößte Emittent von Kohlendioxid.

Und was hat der ganze Klimazirkus in Hinblick auf den Ausstoß von Treibhausgasen bisher gebracht? Seit 2000 ist der jährliche Kohlendioxid-Ausstoß – trotz Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls – um 29 Prozent gestiegen. Auch im Jahr 2008 stiegen die CO2-Emissionen aus der Verbrennung der fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle global um zwei Prozent, und dies trotz der beginnenden Finanzkrise. Die Industrieländer sind vorrangig damit beschäftigt, Wege aus der Finanzkrise zu suchen. Stellvertretend für viele andere klimafeindliche Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise seien die Abwrackprämien in Europa und den USA erwähnt.
Gleichzeitig steht statt der Bekämpfung des Klimawandels immer häufiger die Anpassung an seine erwarteten Folgen auf der politischen Agenda. So wurde in Deutschland am 17. Dezember 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel verabschiedet. Man will sich auf die Zunahme von Infektionskrankheiten vorbereiten, Deiche erhöhen und die Landwirtschaft frühzeitig auf veränderte klimatische Bedingungen einstellen. Auch in Hinblick auf Entwicklungsländer wird argumentiert, diese bräuchten Finanzmittel, um sich an den Klimawandel anzupassen. Wenigstens dieser Teil der Politik scheint sich nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der Klimazirkus den Klimawandel nicht aufhalten kann.