Hauptsache Gipfelsturm

Die Bewegungslinke hat den Klimawandel entdeckt und steckt all ihre Kraft in die Mobilisierung nach Kopenhagen. Aber wie viele auch kommen: die Gipfelfixierung der Bewegung zeigt nur ihre Schwäche.

Die globalisierungskritische Bewegung ist tot, hier kommt die Klimabewegung. Aber was hat sich eigentlich verändert? Hinter beiden Bewegungen stecken dieselben: Attac, Interventionistische Linke, Gruppen wie etwa »Fels«, Antifas. Ihr Aktionismus ist der alte. Und die Ideologie ist ohnehin die gleiche: das regressive Faible für den Beruf des Kleinbauern, das populistische »wir da unten« gegen »die da oben«, alles noch da. Wenn sich sonst nichts getan hat, warum machen jetzt Linksradikale den Klimawandel zur Chefsache, den man doch stets als Symptom des Kapitalismus begriff? Weil der Untergang naht? Weil auch die Antifa Pinneberg ihn aufhalten will?
Die Aufrufe zu den Protesten in Kopenhagen geben nur bedingt Auskunft, um was es den linken Klimaschützern geht. Auf der Website von »Fels« heißt es etwa: »Der Klimawandel ist nur ein Symptom eines Kampfes gegen den Kapitalismus, er verschärft bestehende Probleme wie Gentrifzierung und ein Umweltkapitalismusüberwachungsstaat droht. Der Kampf gegen den Kapitalismus muss gemeinsam unter Einbeziehung der ganzen Themenvielfalt geführt werden.«
Aus solch eigenwilligem Deutsch geht vor allem hervor, dass die Bewegung das Thema aufgreift, weil der Klimawandel mehr Mobilisierung verspricht als das Thema »Kapitalismus«. Denn wäh­rend die Globalisierungskritiker die Wirtschaftskrise vor einem Jahr noch für ihre historische Chance hielten, entpuppte sich diese hierzulande in Wirklichkeit als historische Chance der FDP. Offenbar ist Kapitalismus wegen seiner scheinbaren Naturwüchsigkeit zur Agitation der »Multitude« weniger geeignet als der Klimawandel.
Den Klimawandel auf die linke Agenda zu setzen, ist leicht zu rechtfertigen. Die »Einbeziehung der ganzen Themenvielfalt« wird zwar überstrapaziert, wenn man den Klimawandel zum Faktor für Gentrifizierung erklärt. Dass der Klimawandel noch mehr Hunger, Flüchtlingselend und rassistische Abschottungspolitik mit sich bringen wird, ist jedoch klar. Aber warum steht unter all diesen protestwürdigen Symptomen kapitalistischer Gesellschaftsordnung der Klimawandel jetzt ganz oben auf der linken Agenda? Weil es einen prominenten Klimagipfel gibt. Natürlich betonen radikale Linke, es gehe ihnen nicht darum, die Gipfelteilnehmer zu irgendetwas zu bewegen, von den »Herrschenden« erwarte man nichts. Im Gegenteil, indem diese sich des Klimas annähmen, kompensierten sie eine »globale Legitimationskrise der Herrschaft«, indem sie sich als »Weltenretter« aufspielten. Diesen Trick wolle man ver­eiteln. Der Trick misslingt den Regierenden bislang schon ganz von allein. Trotzdem wollen die linken Klimaschützer den Gipfel »delegitimieren«.
Wie aber soll das gehen? Die Bewegung klebt an diesen Gipfeln. Denn wenn sie sich nicht an solche Inszenierungen politischer Repräsentation heften würde, die sie damit immer wieder affirmiert, hätte sie kaum Chancen, überhaupt wahrgenommen zu werden. Weil auf lokaler Ebene in den »globalen sozialen Kämpfen« nämlich fast nichts passiert: kaum Streiks, kaum Fabrikbesetzungen, keine gesprengten Abschiebeknäste, keine Aufstände. Dazu kommt, dass die, denen es »ums Ganze« geht, nicht gerade mit »Systemalternativen« punkten. Wer will schon die »bäuerliche Subsistenzwirtschaft«, die in fast allen Aufrufen gepriesen wird? Der Bewegung bleibt nur der Gipfelprotest und die Spielchen mit der Polizei. Hinterher verkauft man als Erfolg, dass man es geschafft hat, über einen Zaun zu klettern.
Wenn sich Linksradikale vom Wahnsinn der internationalen Klimapolitik zu Plädoyers für Konsumverzicht und »Kleinbauerntum« hinreißen lassen, erscheinen bürgerliche NGO mit ihren reformistischen Zielen plötzlich angenehm rational. Das Climate Action Network fordert etwa ein rechtlich bindendes Klimaabkommen, exakte Summen, die die entwickelten Länder den Entwicklungsländern zu zahlen haben, klimafreundlichen Hightec und Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Dass die Politik diese Ziele realisiert, ist noch unwahrscheinlich genug. Aber wahrscheinlicher, als dass uns die antikapitalistische Bewegung vor dem Klimawandel rettet. Denn wenn die so weiter macht, ist gut möglich, dass dann, wenn die Revolution beginnt, Bangladesch schon 200 Jahre untergegangen sein wird.