Zieht Bilanz!

Der letzte linke Student

Der letzte linke Student zieht Bilanz. Ja: der letzte linke Student weiß, dass man seinen Jahresabschluss machen muss. Bekanntlich: sind Bilanzen gut für die Selbstvergewisserung. Die Selbstvergewisserung wiederum braucht man, damit man weiß, wo man steht. Und muss man nicht wo stehen, damit man wo ist? Heißt es nicht, dass, wenn du mir sagst, wo du stehst, ich weiß, wer du bist? Muss nicht jeder irgendwo stehen?
Der letzte linke Student also zieht die Bilanz dieses Jahres, damit er weiß, wo er steht. Und sich selbst sagen kann, wer er ist. Damit: er wer ist. Was also denkt sich der letzte linke Student? Er denkt: »Noch immer bin ich ein ordentlicher Linker. Das ist gut. Ich bin sehr belesen. Das ist auch gut. Das Studium läuft wie immer so lala. Das ist immerhin wie immer. Früher war alles besser. Das ist reaktionär, aber leider richtig.
Mit der neuen schönsten Studentin klappt es nicht. Aber vielleicht klappt es ja nur noch nicht. Also, wenn man jetzt mal das ›Noch‹ doppelt dick unterstreicht. Denn Heiner Müller sagt ja, dass der Optimismus die Hauptkraftquelle der Linken ist. Also muss ich auch hier optimistisch bleiben.
Das aber heißt, dass auch dieser Punkt positiv gewertet werden kann.
Das bedeutet folglich alles in allem: ein ziemlich gutes Jahr.«
Das ist die Bilanz des letzten linken Studenten. Und siehe: die Bilanz fällt gut aus. Das aber heißt: der letzte linke Student weiß nun, wo er steht. Er steht: ganz bei sich selbst. Das wiederum heißt: nichts kann ihn erschüttern. Eine feste Burg ist unser letzter linker Student. Weil er nämlich: Prinzipien hat. Und auch wir sollten Prinzipien haben und nicht immer erschütterlich sein.