Ohne Popstars

Berlin ist Weltmeister in Sachen Clubkultur, und jeder ist hier ein DJ. Für etwas anderes als Techno scheint sich in dieser Stadt niemand mehr zu interessieren, erst recht nicht nach dem Wegsterben von Gangstarap. Doch im Schatten der Großclubs und wie eine Art Echo auf die Gentrifizierung ist noch etwas anderes gewachsen, und zwar die Anti-Folk-Szene, die in Berlin so prächtig gedeiht wie wohl nirgendwo sonst, mit der Ausnahme von New York vielleicht. In Clubs, die teilweise so klein sind, dass kaum jemand weiß, wie sie überhaupt heißen, kann man Straßenmusiker und selbsternannte Singer-Songwriter erleben, die sich bemühen, dem guten alten Format Song noch etwas abzugewinnen. Von überallher kommen diese verkrachten Poeten und Randexistenzen, sie sind keine Popstars und wollen in den meisten Fällen auch gar keine sein. Sie beschwören den Geist von Bob Dylan, wollen aber auch so schrabbelig klingen wie die allererste Punkband.
Das Verdienst von Jan Nikolaus Junker und Sebastian Hoffmann ist es, regelmäßig ein paar dieser songförmigen Kleinode zusammenzutragen und sie auf einer CD zu veröffentlichen, die selbstverständlich nicht im Handel erhältlich ist. »Berlin Songs« heißt ihre Reihe, von der nun der dritte Teil erschienen ist. Zu hören sind Lieder von bereits gut eingeführten Größen des Anti-Folk, aber vor allem stößt man auf Namen, von denen man noch nicht so oft gehört hat. Gesungen wird auf Englisch oder Deutsch, so wichtig ist das alles nicht. Erstaunlich ist bloß, wie gut auch diese Sammlung wieder geworden ist.

Berlin Songs Volume 3 (www.berlinsongs.com)