Zum Tod von Eric Rohmer

Die ganz großen Ferien

Zum Tod von Eric Rohmer.

Es passiert bekanntlich nicht viel in Filmen wie »Pauline am Strand«, »Die Sammlerin« oder »Die Liebe am Nach­mittag«. Am Maßstab des Hollywoodkinos gemessen, ereignet sich eigentlich gar nichts. Was sich bei Eric Rohmer als ­Ereignis darstellt, ist die Exaktheit in der Sprache, der Mimik und Gestik, die Nähe zu den Figuren, denen die Kamera aufmerksam folgt, immer auch nah an der Grenze zum Voyeuristischen, aber dann doch wieder so diskret, dass die Beobachteten mit dem ­Beobachtetwerden einverstanden zu sein scheinen, wie das Mädchen im Prolog zur »Sammlerin«.
Ein Strand, ein Mädchen, eine Kamera. Die Filme sind mit einfachen Mitteln gedreht und erinnen mit ihrem mediterranen Charme an alte Super-Acht-Ferienfilme aus Jugendtagen. Wie in allen Rohmer-Streifen wird in »Die Sammlerin« im Handumdrehen ein Erzählraum etabliert, und man ist von der ersten Sekunde an mit am Ort des Geschehens. Es gibt keine Filmmusik, die eine Stimmung vorgibt, man hört nur ein leises Plantschen, wenn das Mädchen durchs Wasser läuft. Sie bleibt völlig grundlos stehen, und die Kamera fährt in aller Ruhe ihren braungebrannten Körper im hellblauen Bikini ab. Kniekehlen, Schlüsselbeine, Taille und Nacken von Haydée Politoff gibt es zudem in Detailaufnahme. Der Plot: Ein Mann lernt ein junges Mädchen kennen und wehrt sich dagegen, was mit ihr anzufangen, wird am Ende aber doch schwach.
Es sind die vielen Bikini tragenden Lolitas, die durch die Filme spazieren, aber auch die Schauplätze, das Ferienhaus in der Normandie, die Bretagne-Insel; die Beziehungs- und Figurenkonstellationen, erwachsener Mann liebt sehr viel jüngere oder gebunde­ne Frau; die Dialoge »um nichts« und die ewigen Sommerferien, die das Kino Rohmers ausmachen. Die Orte und Konstellationen werden variiert, die fast ausschließlich auf der sprach­lichen Ebene verhandelten Themen sind immer gleich: die Verletzlichkeit der Liebenden, der Zauber der Jugend, die Flüchtigkeit des Begehrens. Ein Mathematikstudent verliebt sich in eine kellnernde Erstsemesterstudentin, das ist die typische Rohmer-Erzählung. Auf dem kurzen Weg vom Ferienhaus zum Strand ist man sich dann schon nicht mehr einig, türmen sich Missverständnisse, Enttäuschungen, Probleme auf. Sein Kino steht, ganz ähnlich wie das Woody Allens, für die Intellektualisierung der Sexualität und das Fragilwerden der Liebesbeziehungen.
Rohmer-Filme zu gucken sei ungefähr so aufregend wie der Wandfarbe beim Trocknen zuzusehen. Der Spruch stammt aus einem B-Movie und wurde dort Gene Hackman in den Mund gelegt. Auch wenn er klar abfällig gemeint ist, bringt er den Stil dieses Kinos doch auf den Punkt. Die Sexyness eines Rohmer-Films ist ein gutes Stück vom Mainstream entfernt.