Attac ist ein großer Spieler

Zehn Jahre lang ein großer Spieler

Seit der Gründung von Attac vor zehn Jahren konnte die Organisation den politischen Diskurs über Globalisierung entscheidend mitprägen. Auch ein paar praktische Ziele wurden erreicht. Wenn das Netzwerk flexibel genug bleibt, kann Attac auch in Zukunft die Rolle eines »großen Spielers« beanspruchen.

Wäre die Welt anders, wenn es Attac nicht gäbe? Das ist nicht ganz leicht zu beantworten, denn die Organisation hat die politische Wirklichkeit, in der sie agiert, nur zum Teil aktiv mitgestaltet. Zu einem mindestens ebenso großen Anteil war Attac Produkt dieser Wirklichkeit – und ist von ihr geformt worden.
Das gilt schon für den Beginn. Zuerst, im Januar 2000, war Attac nicht mehr als ein weiterer Vorschlag einiger NGO zur Bildung eines Bündnisses zum Zwecke der Thematisierung bekannter Anliegen. Zwar war es bis dahin nicht üblich, dass Finanzmärkte, Rentenprivatisierung und die Verschuldung des Südens gleichzeitig angesprochen werden, aber darin drückte sich keine poli­tische Klarheit über die Zusammenhänge aus. Schon der Name, mit dem das neue Bündnis auftrat, »Netzwerk für die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte«, macht das deutlich: »Demokratische Finanzmärkte« ist ein Begriff wie »hölzernes Eisen«. Wer ihn verwendet, verrät mehr über sich als über seine Ziele.
Attac hat das nie anders gewollt. »Attac hat keine Weltanschauung und braucht auch keine!« Attac wollte für bestimmte gemeinsame Forderungen eintreten, aber die Begründung jeder und jedem Einzelnen überlassen. So war Attac »die organisatorische Form, in der sich dieses diffuse Unbehagen an den Verhältnissen in politische Dynamik verwandelt«, wie ich im November 2001 schrieb.

Das war nach dem »Ende der Geschichte« und dem Denken, es gebe keine Alternative zum Kapitalismus, ein durchaus wichtiges Zeichen – und es wurde verstanden. Vom Sommer 2001 – dem Sommer des G8-Gipfels in Genua – bis zum Oktober desselben Jahres – dem Attac-Kongress in Berlin – verzehnfachte sich die Zahl der Attac-Mitgliedschaften von 300 auf 3 000, um sich bis zum Attac-Ratschlag im Mai 2002, wo die heute noch gültigen Statuten verabschiedet wurden, nochmals zu verdoppeln. Von dieser Dynamik profitierte die gesamte Linke. Alle möglichen Organisationen und Gruppen sahen, dass man politische Projekte erfolgreich neu beginnen konnte, und trauten sich wieder etwas zu. Dieser Mut­macheffekt dürfte eines der größten Verdienste von Attac sein. Er trat unabhängig davon ein, ob man sich dabei jeweils positiv oder negativ auf Attac bezog.
Die Strategie der radikalen Linken innerhalb von Attac war es, ihre Positionen nicht in einem Grundsatzdiskurs, sondern mittels der sozialen Frage einzubringen. Der Erfolg dieses Ansatzes ist unübersehbar. Es war das Netzwerk Attac, das dem Sozialabbau als Thema der Globalisierung und der Globalisierungskritik eine größere Öffentlichkeit verschafft hat. Lange Zeit wurden wir heftig dafür gescholten – von wohlmeinenden Journalisten, weil wir uns angeblich in nationalstaatlicher Betroffenheitspolitik verlören. Und von linksradikalen Genossinnen, weil wir wahlweise Privilegien des reichen Nordens oder des nationalen Kollektivs verteidigen würden – beziehungsweise weil wir die Klassenfrage nicht radikal genug stellten. All dieser Kritik wohnt eine gewisse Logik inne, und doch halte ich sie für falsch. Dass heute Bundesregierungen ihre soziale Kahlschlagspolitik mit sozialstaatlichen Floskeln begründen müssen, ist ein diskursiver Erfolg von Attac.

Gerne hätten wir dem auch ein paar praktische Erfolge beigestellt, aber die blieben spärlich, auch wenn es sie gab. Gemeinsam mit einer vielfältigen Bewegung hat Attac das internationale Dienstleistungsabkommen Gats skandalisiert. Auch wenn seine Verhinderung mehr auf innere Widersprüche der Staaten zurückgeht, haben die internationalen Kampagnen ihren Anteil am Scheitern von Gats gehabt. Cross border leasing war anfangs fast ausschließlich ein Attac-Thema. Lokale Initiativen haben den Neuabschluss solcher Verträge vielfach verhindert. Die dreimalige Verschiebung der schon terminierten Bahnprivatisierung hat ebenfalls sehr viel mit dem Engagement von Attac zu tun.
In all diesen Initiativen hat Attac immer mit
allen Strömungen der Linken zusammengearbeitet, die dazu bereit waren. Die in der Anfangszeit häufige Weigerung von Linken, mit Attac zusammenzuarbeiten, ist verschwunden. Manchmal ist gerade Attac die Organisation, mit der unterschiedliche Partner aus verschiedenen Richtungen, die normalerwesie nicht zusammenarbeiten würden, gerade noch so kooperieren. So bildet Attac gelegentlich so etwas wie eine Brücke innerhalb der Linken.
So wichtig diese Erfolge sind, sie allein werden die Zukunft von Attac nicht tragen. Sie wird davon abhängen, ob es dem Netzwerk gelingt, die gegenwärtige politische Landschaft immer wieder neu zu verstehen, so dass die dynamischen Potentiale erkannt und benannt werden. Wer sich in seinen Themen und Methoden einrichtet, kann dafür zwar weiterhin wichtig bleiben, wird aber bei der Gestaltung der politischen Zukunft nur eine kleine Rolle spielen. Der Anspruch von Attac war immer, ein großer Spieler zu sein. Und daran sollte Attac festhalten.

Werner Rätz gehört zu den Initiatoren von Attac Deutschland. Er ist außerdem bei der Informationsstelle Lateinamerika als auch bei der »Interventionistischen Linken« aktiv und befürwortet u.a. die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens.