Erkennt Unrecht!

Wann ist Unrecht Unrecht? Diese Frage muss sich der letzte linke Student stellen. Denn: nicht immer kann man Unrecht als Unrecht bezeichnen. Weil: das Unrecht manchmal ein Unrecht ist, das auch die politischen Gegner als Unrecht bezeichnen. Und dann: spielt man dem politischen Gegner in die Hände, wenn man Unrecht ebenso Unrecht nennt. Beispiel: Sowjet­union. In der Sowjetunion war fast alles richtig. Allerdings: Stalin war nicht so gut. Nun wird aber gerade mit Stalin immer wieder gegen die Sowjetunion als Ganzes polemisiert. Was heißt: wegen Stalin sollen wir vom Kommunismus lassen. Aber: der letzte linke Student wäre nicht der letzte linke Student, würde er vom Kommunismus lassen. Er liebt den Kommunismus! Allerdings: das Totalitäre am Kommunismus, das liebt er nicht.
Heute allerdings: geht es nicht um die Sowjetunion. Heute: geht es um Dresden. In Dresden: sind viele Leute gestorben. Im Bombardement. Und: wo Leute sterben, da herrscht Unrecht. Das hat sogar schon Bazon Brock gewusst. Doch: dieses Unrecht kann man nicht Unrecht nennen. Denn: auch die Nazis nennen das Unrecht Unrecht. Nun gilt: was die Nazis sagen, ist gelogen. Heißt: das Unrecht kann nur Recht gewesen sein. Eigentlich. Uneigentlich aber: stimmt das vielleicht gar nicht. »Manchmal sagen auch Nazis die Wahrheit.« Dieser Satz steht bereits im besonderen Notizbuch. Er ist: eine erkenntnistheoretische Wahrheit. Das aber bedeutet: die Nazis lügen nicht, wenn sie das Unrecht von Dresden anprangern. Daher wiederum: geht der letzte linke Student nicht auf die Demo gegen die Nazis in Dresden. Denn: Unrecht muss Unrecht bleiben! Und auch wir sollten die Erkenntnis zulassen, dass die Welt zwar einfach eingerichtet ist, aber doch nicht ganz so einfach!