Berlin Beatet Bestes, Spezial-Folge 32

Mit Spülmittel und Make-Up-Pads

Berlin Beatet Bestes. Spezial-Folge 32.

Hat sich schon mal jemand gefragt, wie es ist, die Freundin eines Sammlers zu sein?
Bei uns sieht es nicht gerade japanisch aus. Die Wohnung ist riesig, aber trotzdem haben wir nur sehr wenig Platz. Feng Shui würde sich umbringen, wenn er Andis Zimmer sehen würde.
Ein Sammler sammelt, und er sammelt nicht nur eine Sache, sondern alles Mögliche. Wenigstens mein Sammler tut das. Schallplatten, Comics, Möbel, Zeitschriften, Fanzines, Flyer, T-Shirts, Spielzeug und seltsame Dinge aus den fünfziger Jahren. Andis Zimmer sieht aus wie das von Else Kling aus der Lindenstraße. Was nicht bis 1956 hergestellt wurde, darf nicht rein.
Jede Woche bringt Andi neuen Kram in die Wohnung und nichts fliegt raus. Logischerweise kann das nicht endlos so weitergehen. Irgendwann brechen wir durch den Boden in die Wohnung des türkischen Ehepaars und liegen da begraben unter einer gut sortierten Plattensammlung. Manchmal mietet Andi einen Stand auf dem Flohmarkt, und ich singe glücklich: »Platz, Luft, Licht, das Zeug verlässt die Wohnung … « Aber dann geht er in den Keller, bleibt da ein paar Stunden und sein Zimmer sieht aus wie immer. Was da so im Keller lagert … keine Ahnung. Ich war noch nie dort.
Wozu braucht man eigentlich die komplette Ausgabe der »Klingenden Post«? Warum hängt mein Freund so an den Werbeplatten für Teroson-Autolack und dem Nescafé-Calypso? Manchmal passiert es, dass ich mit Andi auf dem Flohmarkt lande, weil er mir die wahren Intentionen, warum wir das Haus verlassen haben, verschweigt. Ich denke, wir gehen zum Supermarkt, und am Ende sehe ich ihn vor dem Stand eines alten Typen knien und in einer Kiste mit staubigen Singles kramen. Ich kriege auch nie mit, wann, wie oder was er kauft. Und wenn wir zu Hause sind, dann versteckt er seine Neuerwerbungen vor mir.
Wascht ihr eure Schallplatten? Tut das überhaupt irgendjemand außer meinem Freund? Andreas hat seine ganz eigene Plattensäuberungstechnik. Er nimmt Spülmittel und Make-up-Pads. Hingebungsvoll werden da Platten vom Dreck der Jahrzehnte gereinigt und Plattencover mit Haarwachs eingefettet. Das macht er wirklich gerne, und er liebt es auch, seinen Sammlerfreunden Vorträge darüber zu halten.
Andreas ist ein Stubenhocker. Manchmal kann ich ihn aber doch dazu überreden, die Wohnung für mehr als eine Stunde zu verlassen und sich weiter wegzubewegen als bis zum Ende unserer Straße. Es fällt ihm sehr schwer, seine Sammlungen zu verlassen. Wir saßen an den schönsten Orten der Welt, aber Andi bekommt ziemlich schnell Heimweh. Zehn Tage, länger geht nicht. Er versucht, sein Heimweh damit zu bekämpfen, dass er, egal wo wir sind, nach Singles sucht. Wusste jemand, dass es in Bangkok irgendwann eine Rock’n’Roll-Szene gab? Wir saßen in Oaxaca in Mexiko und ein kleines Mädchen wollte uns traditionellen Indio­schmuck verkaufen. Andi schmollte: »Wenn die jetzt mit alten Platten rumkäme, aber so … «
Okay, jetzt denkt ihr bestimmt: Warum verlässt sie den Kerl nicht und zieht in ein Kloster? Nun, mein Problem ist, dass ich selbst Sachen nicht wegwerfen kann, weil ich immer denke, ich könne sie irgendwann noch mal gebrauchen: Briefpapier aus den frühen Siebzigern mit kleinen weißen Elefanten drauf, Pappkartons in unterschiedlichen Größen (immer praktisch), Geschenkpapier vom letzten Weihnachten (Warum wegwerfen? Kann man doch nächstes Jahr …), Marmeladen-Gläser (ich wollte doch Marmelade machen, nächsten Sommer), Füll­material für Pakete, alte T-Shirts (zum Putzen).

Julia Tägert ist die Freundin von Andreas Michalke, dem Autor von »Berlin Beatet Bestes«.