Die prekäre Lage des iranischen Regimes

Der Einsatz steigt

Das iranische Regime setzt auf Repression, die Oppositionsbewegung ist gezwungen, sich neue Strategien zu überlegen.

Die Revolutionsfeierlichkeiten im Iran sind vorbei, doch einen klaren Sieger gibt es nicht. Das Regime konnte sich gerade noch aus der Affäre ziehen, die Oppositionsbewegung schaffte es hingegen nicht, sich auf den Straßen lautstark Gehör zu verschaffen. Doch ein Problem des Regimes ist offensichtlich geworden: Seine kurzfristigen politischen Ziele, Unterdrückung jeder öffentlichen Regung der Oppositionsbewegung, stehen in Widerspruch zu seinen langfristigen – Legitimität für die Ahmadinejad-Regierung und den Obersten Führer Khamenei, der sie nach der Wahlfarce inthronisierte – zu schaffen. Das führt zu weiteren Spannungen im Establishment.
Die Prinzipalisten-Fraktion sendet Signale an die oppositionelle: »Lasst Khamenei in Ruhe, wir sägen Ahmadinejad ab.« Diese Fraktion hat begründete Bedenken, dass die Ahmadinejad-Bande das gesamte islamische System gegen die Wand fährt und sie mit in den Abgrund reißt. Aber Khamenei mit seiner institutionellen Machtfülle, die einen Mussolini vor Neid erblassen ließe, sieht für einen Kompromiss mit den Anführern der oppositionellen Bewegung keinerlei Anlass. »Sie sind entweder anti-revolutionär oder dumme, dickköpfige Individuen, die nichts mit dem Volk zu tun haben«, sagte er kürzlich.
Doch durch die ausgedehnte Repression schaffen sich Khamenei und Ahmadinejad nur weitere Feinde. Seit den Unruhen vom 27. Dezember wurden schätzungsweise 1 000 Menschen verhaftet, die von Folter bedroht oder ihr bereits unterworfen sind. Dadurch und durch den Misserfolg bei dem Versuch, die Revolutionsfeierlichkeiten gegen das Regime zu wenden, ist die Opposition gezwungen, sich neue Strategien zu überlegen.
Was tun? Ein neues Element tritt in die Arena: die Rudimente einer gewerkschaftlich organisierten Arbeiterbewegung. Mit einer gemeinsamen Erklärung melden sich die Teheraner Busfahrergewerkschaft, das Syndikat der Zuckerraffineriearbeiter von Haft Tapeh, die Gilde der Elektrizitäts- und Metallarbeiter von Kermanshah und die Freie Versammlung iranischer Arbeiter zu Wort. Sie fordern unter anderem Streik-, Versammlungs- und Redefreiheit, ein Ende der Exekutionen und die Freilassung aller politischen Gefangenen, stellen ökonomische Forderungen auf wie eine Erhöhung des Mindestlohns, ein Ende von Ahmadinejads Plan zur Reduzierung der Subventionen für Brot, Sprit usw., Zahlung der ausstehenden Löhne, außerdem die Abschaffung aller diskriminierenden Gesetze gegen Frauen und ihre Gleichstellung in allen Aspekten des alltäglichen Lebens. Angesichts der explosiven sozialen Situation und einigen Arbeitskämpfen ist die Erklärung ein wichtiger Schritt.
Zudem naht der internationale Frauentag am 8. März. Das Regime lässt derzeit eine Neuauflage des Familiengesetzes debattieren, das die Polygamie und die »Heirat auf Zeit«, die schiitische Version der Prostitution, weiter erleichtern soll – ein offener Angriff auf jede Emanzipationsbestrebung.