Die rechtsmilitante Miliz der Oath Keepers

Tee mit Schuss

Die Tea-Party-Bewegung hat auch einen militärischen Arm: die Oath Keepers. Der US-Regierung in Washington trauen sie grundsätzlich nicht, und ihre Waffen möchten sie auch behalten.

Er heißt John Pray, ist US-Soldat und Mitglied der 2009 gegründeten Oath Keepers. Das ist eine kleine milizähnliche Organisation, deren Mitglieder hauptsächlich ehemalige Militärs sind. Prays Weltbild ist rechtslibertär, geprägt durch seine Angst vor der Macht der föderalen Regierung in Washington, durch Verschwörungstheorien und durch Videos auf Youtube, in denen gegen die Regierung gehetzt wird. Die Oath Keepers sind – meinte jüngst Justine Sharrock in der linksliberalen US-Zeitschrift Mother Jones – so etwas wie der »militärische Arm« der Tea Party. Ihre Mitglieder schwören einen Eid auf die Verfassung und nicht auf den Präsidenten Barack Obama, den sie wahlweise als illegitimen Usurpator der Macht, militanten Schwarzen, heimlichen Muslim, primär aber als jemanden, der den totalitären Staat nach Amerika bringt, bezeichnen.
Gegründet von einem ehemaligen Berater Ron Pauls, eines Abgeordneten des Repräsentantenhauses, der selbst ein gefeierter Held der schnell wachsenden rechtslibertären Bewegung in den USA ist, sind die Oath Keepers der Anti-Defamation League zufolge nur der sichtbarste Beweis dafür, dass die regierungsfeindliche Milizbewegung unter den US-Rechten wieder präsent ist.

Die seit dem Amtsantritt Obamas wachsende rechte Milizbewegung hat ihre Wurzeln in den neunziger Jahren. Auch damals, während der Präsidentschaft Bill Clintons, organisierten sich rechtslibertäre Kräfte vor allem im »Heartland« der USA. In diesen Jahren trainierten Zehntausende Anhänger regelmäßig in ihren privat organisierten Milizen. Auch damals bildeten sich verschiedene harte Kerne einer ansonsten eher losen Bewegung aus: Es gab von charismatischen Predigern geführte christlich-fundamentalistische Gottesstaatler, gewalttätige Abtreibungsgegner, informelle Zusammenschlüsse bewaffneter Regierungsgegner und sogar eine terroristische »Freemen«-Bewegung. Diese mündete 1995 in ein Bombenattentat auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City, bei dem 168 Menschen starben. Ältere rechtsgerichtete paramilitärische Organisationen wie der 1969 gegründete Posse Comitatus (etwa: »Macht des Landes«) hatten viel Zulauf, vor allem in den ersten Jahren der Clinton-Regierung.
Obgleich in diesem Milieu die traditionellen Muster des Rassismus und Antisemitismus weit verbreitet und die Nähe zu älteren Organisationen wie dem Ku Klux Klan oder der Aryan Nation offensichtlich waren, blieb die Kernideologie der Hass auf die föderale Regierung der Vereinigten Staaten. Nach der Wahl des konservativen Republikaners George W. Bush zum Präsidenten und nach dem 11. September 2001 verlor die Szene viele Anhänger. Übersteigerter Patriotismus war in den USA plötzlich wieder Mainstream, und die Gefahr von außen sowie die von Bush gewählte harte Gangart gegen die Jihadisten führten viele rechtsradikale Mitläufer wieder heran an die Republikanische Partei und die Zentralregierung.

Es gibt verschiedene Gründe, warum die heutige rechtsmilitante Bewegung nicht nach denselben ideologischen Mustern wie in den neunziger Jahren operiert. Mit dem Aufkommen der Verschwörungstheorien zum 11. September in den USA seit 2004 entwickelte sich vordergründig eine vermeintlich linke Theorie über die Beteiligung der US-Regierung an den Flugzeugattentaten auf das World Trade Center in New York City, die bis zur Wahl Obamas 2008 im Wesentlichen mit der anti-imperialistischen Variante dieser Theorie in Europa übereinstimmte. Doch verbreitete sich in den USA auch eine rechte Variante dieser Verschwörungstheorien, bei der das Narrativ ein anderes ist. Obgleich in beiden Varianten behauptet wird, dass die US-Regierung unter Bush die Attacken selbst inszeniert habe, verstehen dies die rechten »Truthers« als Zeichen der Übermacht der föderalen Regierung über die eigenen Bürger der Vereinigten Staaten.
Doch es ist nicht nur so, dass die heutige Milizbewegung versucht, mittels des Vorwurfs einer Konspiration in den obersten Rängen der Regierung Anhänger zu gewinnen, es hat sich auch tatsächlich einiges geändert am Zustand der US-Politik. Gemeinhin werden seitens der Rechtslibertären – ob militant oder nicht – die Bush-Jahre als eine Zeit der immensen Akkumulation von Macht auf Seiten der US-Bundesregierung verstanden. Unter Bush, und entgegen seinen Wahlversprechen, hat sich in der Tat das Machtzen­trum in Washington verstärkt, auf Kosten der Rechte der Bürger. Auf den Patriot Act und weitere sicherheitspolitische Änderungen, die zum Abbau von Bürgerrechten führten, sowie durch die Errichtung des Departments of Homeland Security reagierte nicht allein die linksemanzipatorische Öffentlichkeit mit Besorgnis. Die rechten Regierungsgegner sahen und sehen sich ebenfalls als Opfer dieser Machtkonzentration.

Insbesondere hieraus entstehen virulente Angstvorstellungen wie die, dass die Regierung plane, die Anhänger rechter Ideologien zu entwaffnen und anschließend in Konzentrationslagern zu internieren. Dabei gibt es noch nicht einmal konkrete Hinweise darauf, dass die jetzige Regierung plant, überhaupt das von der Verfassung garantierte Recht aller US-Bürger anzutasten, sich zu bewaffnen, um Bürgermilizen zu bilden. Doch wenn man bereit ist, daran zu glauben, dass der 11. September ein »inside job« war, dann ist es wohl nicht weit hergeholt, auch zu glauben, dass – wie Mother Jones zufolge organisierte Oath Keepers behaupten – die föderale Regierung Konzentrationslager auf Militärstützpunkten vorbereite.
Nach Ansicht der großen antirassistischen Bürgerrechts-Organisation Southern Poverty Law Center ist der ausschlaggebende Unterschied zwischen der heutigen Milizbewegung und jener in den neunziger Jahren jedoch der, dass mit Barack Obama die US-Regierung jetzt ein schwarzes Gesicht hat. Dieser Unterschied gilt analog wohl auch für andere nicht militante rechtslibertäre Bewegungen und für viele ländliche weiße Konservative mit ihren ausgeprägten regierungsfeindlichen Ressentiments. Die rassistische Argumentation wird unterstützt von einer weiteren Verschwörungstheorie, nämlich der, dass Obama kein legitimer Präsident sei, weil er nicht, wie es die Verfassung vorschreibt, geborener US-Amerikaner sei. 2009 versuchte ein US-Soldat sogar unter Berufung auf diese Theorie, wenn auch vergeblich, seine Entsendung in den Irak zu verhindern. Die »Birther«-Bewegung ist aber nicht allein Sache von Rechtsextremisten. Umfragen zufolge vertreten bis zu einem Drittel aller Republikaner diese oder ähnliche Theorien, wie etwa dass Obama heimlich Muslim sei und auf der Seite der Jihadisten stehe.
Eine wirklich große Gefahr ist die Existenz jenes militärischen Arms der rechtslibertären Opposition zwar bisher nicht. Er bleibt eine Randerscheinung einer seit Beginn der Reagan-Ära 1981 bewusst radikalisierten rechten Ideologie, die allerdings weit in das republikanische Establishment hinein wirkt. Wenn gewählte republikanische Amtsträger Verständnis für das jüngste Flugzeugattentat auf ein Gebäude des US-Finanzamtes äußern oder prominente Fernsehpropagandisten die Demokraten in die Nähe von Nazis rücken, dann überrascht es auch nicht mehr, wenn Plakate von Obama als schwarzem Hitler in den Händen von provokativ bewaffneten Männern auf rechten Demonstrationen auftauchen.