Vom Papier zum Paulus

Für einen Platz im Landtag reichte es nicht, denn als Andreas Paulus im Jahr 2003 in Bayern kandidierte, scheiterte die FDP an der Fünfprozenthürde. Eine solche Hürde gibt bei der Auswahl der Richter für das Bundesverfassungsgericht nicht. Das Verfahren ist kompliziert, es läuft darauf hinaus, dass die im Bundestag vertretenen Parteien die Besetzungsvorschläge untereinander aushandeln. Die Regierungsparteien haben sich nun darauf geeinigt, dass die FDP wieder einmal dran ist. Deshalb gilt es als sicher, dass Paulus noch in dieser Woche in das Bundesverfassungsgericht nachrücken wird, weil Hans-Jürgen Papier ausscheidet.
Das für sein Amt notwendige Alter von 40 Jahren hat der 1968 geborene Paulus erreicht. Er ist zweiffellos ein fleißiger Jurist. »Er war seinen Lebensjahren immer voraus in seinen wissenschaftlichen Leistungen«, urteilt sein Mentor Bruno Simma, dessen Assistent Paulus im Fall Lagrand, einem Rechtsstreit mit den USA über Fragen der konsularischen Betreuung deutscher Staatsangehöriger, war. Paulus war überdies Praktikant im Office of the Legal Counsel der Vereinten Nationen, einem Gremium der internationalen Justiz, und befasste sich später mit anderen juristischen Arbeiten im Ausland. Man darf also vermuten, dass er fließend Englisch spricht. Eigentlich hätte angesichts dieser Kompetenzen die FDP Paulus zum Außenminister ernennen und den Juristen Guido Westerwelle für das Verfassungsgericht vorschlagen können. Doch mangelt es Paulus offenbar an polemischem Talent, eigentlich sind überhaupt keine politischen Äußerungen von ihm bekannt, abgesehen von der Ansicht, das Vorgehen der USA in Guantánamo sei nicht immer legal gewesen. Daher ist auch nicht viel Widerspruch aus anderen Parteien zu seiner Ernennung zu erwarten, auch wenn Brigitte Zypries lieber eine Frau an seiner Stelle gesehen hätte.
Als Experte für internationales Recht wäre Paulus eher für den zweiten Senat prädestiniert gewesen, der sich unter anderem mit europäischen Rechtsfragen befassen muss. Doch er sitzt im ersten Senat. Liberale hoffen nun, dass er sich für die Bürgerrechte einsetzen wird. Doch obwohl die Besetzung der Richterstellen eine Angelegenheit der Parteien ist, verhalten die Richter sich nicht immer so, wie man es von ihnen erwartet. Sicher ist nur, dass Paulus viel zu tun haben wird. Schließlich gibt es kaum noch ein Gesetz, dass nicht vom Verfassungsgericht revidiert werden muss.