Die völkische »Weltanschauungsgemeinschaft« der Ludendorffer

Mit Zopf und Dirndl

Die völkischen Ludendorffer versuchen, mit unscheinbaren Veranstaltungen und Tagungen die »Rassenreinheit« zu retten. Schon ihre Gründerin wollte den Deutschen das »Irrsein« austreiben, das ihnen die Juden eingepflanzt hätten.

Spielen, tanzen, musizieren. Das Angebot des Vereins aus Bad Segeberg ist vielseitig. »Wir wollen mit Euch Kindern und Jugendlichen (…) am Lagerfeuer sitzen, Nachtwanderungen machen, Geländespiele gestalten, (…) Theater spielen und nicht zuletzt über wichtige Themen sprechen«, erklärt der Arbeitskreis für Lebenskunde e.V. auf seiner Website. Er deutet auch an, welche Themen ausgewählt und wie sie behandelt werden sollen: »Den Ausgangspunkt für die Gestaltung des Lagerablaufes, für die Auswahl der Lebenskundethemen und deren Behandlung, bildet die Philosophie von Mathilde Ludendorff.«

»Zu den Veranstaltungen kommt meist die ganze Familie«, weiß Anke Schmidt*. An Volkstanzveranstaltungen in Schleswig-Holstein hat sie teilgenommen, etwa in der Nähe von Bordesholm, wo die Anhänger von Mathilde Ludendorff, die mit ihrem Mann General Erich Ludendorff diese »Weltanschauungsgemeinschaft« aufbaute, mal zusammengekommen waren. Die Frau des Generals, der mit Adolf Hitler 1923 einen misslungenen Putschversuch anführte, entwickelte maßgeblich deren Ideologie. Mathilde Ludendorff, die von 1877 bis 1966 lebte, unterstellte den Juden, dass sie »insbesondere den Deutschen eine Art von Irrsein« übertragen hätten. Als Irrsinn, der zum Abfall vom »arteigenen Gotterleben« führe, machte sie auch die Verbreitung des Christentums, der Freimaurerei und des Sozialismus aus. Seitdem würden die Deutschen sich zu anderen »Rassen« hingezogen fühlen, so dass die »Rassentugenden mit dem ererbten Gotterleben« verloren gingen und »Blutsvermischung« zum »Volkstod« führe.
In ihrer Schrift »Aus der Gotterkenntnis meiner Werke« führte Mathilde Ludendorff aus: »Volksuntergang in Entartung naht, wenn das Volk aus seinem arteigenen Gotterleben entwurzelt wird.« Und sie betonte: »Die Erhaltung der Rassenreinheit und die Pflege des arteigenen Gotterlebens, der arteigenen Kunst, arteigenen Sitten, arteigenen Rechtes« sei »Voraussetzung dafür, dass der einzelne in seinem Volke seelisch festverwurzelt ist und alle segenreiche Auswirkungen des Rasse­erbgutes (…) gesund hält«.

Ihrer Ideen sind nicht nur in dem Verein immer noch präsent. So findet sich auf der Website des Aktionsbündnisses Ostfriesland eines ihrer Gedichte: »Deutsche Mahnworte – Sei deutsch«. Und auch im Internetauftritt des »Freien Nordhausen« sind die »Mahnworte« zu lesen: »Sei bewusst Deines Blutes (…) Sei Vernichtung dem Bösen.« Ebenso bezieht sich die NPD auf die Dame. Auf der Website der Bundes-NPD kann man in deren »A bis Z« der Politik unter »Volk« lesen: »Völker sind potentiell unsterblich (M. Ludendorff); aber stets bedroht durch Versagen der Auslese, geistige und biologische Überfremdung.«
Derartige Sprüche habe Anke Schmidt bei den Veranstaltungen nicht gehört. »Bei den Treffen ist das alles sehr familiär«, wiederholt sie. »Es denken dort eh alle ähnlich.« Sie betont, im Privaten werde das Politische gelebt, man sei sehr heimatverbunden, volksorientiert und umweltbewusst. »Über gesunde Ernährung konnte ich mich sehr intensiv mit ihnen austauschen«, erzählt sie. Bücher, Zeitungen oder Flugschriften hätten bei Treffen nicht ausgelegen. Schmidt meint: »Die sind schon vorsichtig.«
Zurückhaltend ist man auch im Hause Preisinger. Nahe Bad Segeberg in Bühnsdorf wohnt die Frau, die nachweislich 2009 die Website des Arbeitskreises verantwortete. Ein Familienmitglied erklärt höflich am Telefon, dass sich Maren Preisinger gerade im Urlaub befinde, gerne aber bereit sei, selbst über den Verein zu reden. Nach zwei Fragen heißt es dennoch nur noch knapp: »Steht auf der Website.« Was sich auf dieser Seite jedoch nicht findet, ist eine explizite Erwähnung der Nähe des Arbeitskreises zu dem rechtsextremen Bund für Gotterkenntnis (Ludendorffer e.V.) um Gunther Duda.

Kürzlich kam dieser Bund, der bundesweit 500 Aktive haben soll, in Dorfmark zusammen. In dieser niedersächsischen Gemeinde richtet er seit über 35 Jahren seine Ostertagung aus. Von Karfreitag bis Ostermontag nahmen an die 120 Ludendorffer an der Tagung teil. Meist kamen ganze Familien – vom Opa bis zum Enkelkind. Feine Anzüge und schicke Kleider trugen einige Anhänger. Viele Männer und Jungen bevorzugten aber auch Kurzhaarschnitt, Strickpulli und Knickerbocker-Hosen, während die Frauen und Mädchen zu Zöpfen und Dirndl-Kleidern neigten. Als Ehrengast erschien Hajo Herrmann, ein hoch dekorierter Jagdflieger im Nationalsozialismus.
»Wir sind bloß eine Weltanschauungsgemeinschaft«, erläutert Gerhard Fuchs. Der Ludendorffer, dessen Adresse in Hankenbüttel die einzige direkte Kontaktadresse des Bundes ist, ver­sichert: Mit Politik hätten sie nichts zu tun. Der Ehrengast allein widerlegt diese Behauptung. Herrmann ist bis heute seiner Gesinnung treu geblieben. Bei der NPD und der DVU ist der Alt­nazi als Redner immer wieder gern gesehen. Als Rechtsanwalt vertrat er so manchen Holocaust-Leugner.

Schmidt zeigt sich wenig überrascht über den Gast. Allerdings habe sie früher »verwundert, mit welcher Inbrunst die jüngeren Männer über den Kampf der Wehrmacht redeten, ganz als wenn sie dabei gewesen wären«. Bei einer Volkstanzveranstaltung hörte sie, dass die Männer über den Mangel an Ehrung für Wehrmachtssoldaten klagten. Von Verbrechen war nie die Rede, berichtet sie  – nur von den Gräueltaten der Roten Armee. Auf der Ostertagung, deren Veranstaltungen im Hotel »Deutsches Haus« und im Gasthof »Zur Post« stattfanden, dürften jene Verbrechen auch kaum beim Vortrag »Englands Kriegsausweitungsstrategie und Besetzung Norwegens vor 70 Jahren« thematisiert worden sein.
In der Zeitschrift der Ludendorffer, Mensch und Maß, führen Gundolf und Elke Fuchs aus, dass der »hitlerische Antisemitismus« durch »jüdische Glaubensmächte« finanziert worden sei, auch um den »reinen Gedanken der Volkserhaltung« zu beschädigen. Und Duda legt im gleichen Blatt, ganz im Geiste ihrer »Philosophie«, dar, dass der »Multikulturalismus«, der »entvolkende, einweltlerische Universalismus« die »völkische Eigenart in ihrer Reinheit« gefährde. Auf den Veranstaltungen aber habe Schmidt auch solche Sätze nicht gehört. Die Ludendorffer wüssten genau, wie sie agieren müssen, denkt sie.

* Name von der Redaktion geändert