Das »Bankentribunal« von Attac

Showprozess auf der Volksbühne

Attac veranstaltete am Wochenende ein »Bankentribunal«. Was dabei herauskam, war ödes, moralisches Theater.

Das Wort »Bankentribunal« habe eine »große Strahlkraft«, stellt die Moderatorin der gleichnamigen Veranstaltung fest. Ja, »Tribunal« und »Aufarbeitung«, das hört sich nach Blut, nach gnadenlosen Strafen an, fast nach Genozid in Ruanda. Dementsprechend ist die Berliner Volksbühne, der Schauplatz des »Bankentribunals« ausverkauft. Schaulustige verfolgen den Prozess gegen Banker und Politiker beim »Public Viewing«, ein paar Hundert sehen sich das Spektakel im Internet an. Denn jetzt richten wir! Wir haben recht! Und das Recht dazu!
Warum? »Jemand muss es ja tun«, das hat sich Attac als Motto für die Lust am Richten ausgesucht. Mit diesem Satz wurden schon ganz andere Untaten gerechtfertigt, aber wer wird sich an stalinistischen Reminiszenzen stören. »Es bleibt nur der Weg, dass das Volk seine Souveränität wahrnimmt und die Sache selbst in die Hand nimmt!« sagt der Eröffnungsredner Wolfgang Lieb. Man kennt dessen Vokabular. »Skrupellose Finanzwirtschaft«, »Kriminalstück der vermögenden Eliten«, »Charaktermasken«. So hört er sich an, der »Versuch, der Moral und der Gerechtigkeit wieder zur Geltung zu verhelfen«. Wenn aber Jutta Sundermann von Attac, die durchs Programm führt, ihre globalisierungskritischen Sätzchen sagt, klingt das nach einer Predigt in einem evangelischen Kindergottesdienst. So wird das nichts mit dem Tribunal, wenn sie wenigstens einen Henker mit Henkerskapuze da hätten, wo bleibt die Show? Die Dramaturgie ist schlicht, drei Tische auf der Bühne, ein paar Richter, Verteidiger und Ankläger, alle beredt, prominent und meist um Sachlichkeit bemüht. Immerhin orientiert sich der Prozess am Russell-Tribunal, mit dem 1966 Leute wie Jean-Paul Sartre oder Peter Weiss Kriegsverbrechen in Vietnam aufklären wollten und das schon vielen anderen Tribunalen als Vorbild diente, in denen die vermeintlich Guten über die vermeintlich Bösen richten. Auch hier ist von Beginn an klar, wer gut oder böse ist. Richter Jürgen Borchert, auch im echten Leben Richter, ruft die Angeklagten auf: den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, die amtierende Kanzlerin Angela Merkel, Josef Ackermann von der Deutschen Bank und Hans Tietmeyer von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. »Ist nicht anwesend«, wiederholt der Richter nach jedem Aufruf. Da lacht das Publikum.
Immerhin gibt es Pflichtverteidiger. Der ehemalige Chefredakteur des Manager-Magazins, Wolfgang Kaden, vertritt Ackermann. »Die Aufgabe von Ackermann ist es, mit seiner Bank Profit zu machen«, verteidigt Kaden den Manager, als sei diese Selbstverständlichkeit eine Provokation. Das Urteil folgt am Ende der Moral der Anklage: »Dem Chef der Deutschen Bank ist anzulasten, dass er seine gesamtwirtschaftliche Verantwortung nicht wahrnimmt und sich darauf beschränkt, die Gewinnmöglichkeiten seiner Bank zu maximieren.«
Es hörte sich grausam an, das Tribunal, aber eigentlich ist die Veranstaltung ödes, moralisches Theater. »Wir wurden angerufen von Attac über die Nummer vom Humoristen-Notdienst«, witzeln die Kabarettisten Urban Priol und Georg Schramm, die das Publikum bespaßen sollen. »Lassen sie uns hier ein bisschen Aggressivität und Ernsthaftigkeit in den Laden bringen!« ruft Schramm. »Was nutzt uns Aggressivität hier im Laden, die muss aus dem Laden herausgetragen werden!« entgegnet Priol. Da johlt das Publikum. Und bleibt mit seiner »Wut und Empörung« zum Glück brav sitzen.