Über den Film »Sex and the City 2«

Wenn Burka auf Blahniks trifft

Sex on the Beach – in New York nur ein Drink, in Abu Dhabi ein Verbrechen. Dass das arabische Emirat nicht als Exilland gelangweilter und sexuell ­expliziter New-Yorkerinnen taugt, müssen die Girls in »Sex and the City 2« erfahren.

Am Anfang erscheint alles großartig. New York beginnt gerade ein wenig zu langweilen. Die letzten Nachzügler sind in den Hafen der Ehe eingelaufen, Carries bester Freund, der schwule Stanford, und Charlottes tuntiger Weddingplaner, der Sizilianer Anthony, haben sich auf einer extrem kitschigen Hochzeitsfeier das Ja-Wort gegeben. Mr. Big und Carrie vermissen im zweiten Jahr ihrer Ehe bereits das alte Prickeln. Charlottes Anspruch, eine perfekte Mutter zu sein, wird jeden Tag von ihrem Schrei-Baby auf harte Proben gestellt, und die feministische Anwältin Miranda reibt sich weiterhin in einer patriarchal geprägten Kanzlei auf. Die Einladung eines arabischen Medienmoguls, die Samantha und ihre Freundinnen ins Luxus-Resort nach Abu Dhabi führt, inklusive eigener Dienerschaft und Maybach-Wagenpark, kommt da gerade recht.
Die Begeisterung für die neue Megacity ist groß, aber sie währt nur kurz. Anfangs erscheinen die glamourösen Wüstensöhne als die wahren Märchenprinzen; sie sind sexy, aber zurückhaltend. Auch sonst scheint die Welt noch in Ordnung zu sein, es gibt keine Immobilienkrise und die Skyline der architektonisch grandiosen Stadt ist auch noch intakt. Samantha vergisst die Anti-Aging-Pillen und schaufelt der Phytoöstrogene wegen Humus in sich hinein. Carrie trifft, die Welt ist klein, beim Schuhekaufen auf dem Basar ihren Ex-Lover Aiden wieder, sie wird in Versuchung geführt und lässt sich öffentlich küssen.
Es war das revolutionäre Moment der Serie, die wie kaum eine andere von den Medien wahrgenommen wurde und sich ins Kollektivgedächtnis gleich mehre Generationen eingeschrieben hat, dass sie Themen wie Single-Sein, Sexualität und Freundschaft verhandelte und sich ihre Protagonistinnen ständig gegen traditionelle Rollenzuschreibungen wehrten. Aber mit jeder neuen Staffel wurden die Frauen älter und die No-Goes von einst, Ehe, Mutterschaft, Hausfrauendasein, wichtiger.
Wenn Manolo Blahnik auf Burka trifft: »Sex and the City 2« versucht einen neuen Dreh und lässt die Frauen gegen die Geschlechterklischees einen Zweifrontenkrieg führen. Nicht nur in den Beziehungen und Partnerschaften müssen Freiheiten gegen Retraditionalisierung verteidigt werden, sondern auch gegenüber den Forderungen einer nicht-westlichen Kultur.
»Sex and the City« war schon drauf und dran, seinen einstigen Status als das große geistreiche, stylische und urbane Epos über weibliches Beziehungsverhalten einzubüßen und von der Kritik zum Hausfrauenkino degradiert zu werden.
Küssen lässt sich auch Samantha, und zwar nachts am Strand von einer Zufallsbekanntschaft. Ein Hotelgast hat es bemerkt und ruft die Polizei. Samantha wird inhaftiert und kommt nur dank guter Beziehungen auf freien Fuß. Ab diesem Zeitpunkt müssen sich die Girls auf eigene Faust durchschlagen, das Märchen aus 1001 Nacht endet hier, und plötzlich ist das Emirat weit davon entfernt, das neue New York zu sein.
Heike Runge

Skandal in Rom
Bereits die Ankündigung, dass ein zweiter Kinofilm gedreht werden würde, galt in Italien unter den Liebhaberinnen der Serie als traurige Nachricht. Von der nun bevorstehenden Weltpremiere ist kaum mehr die Rede. Dafür gibt es einen Grund: »Sex and the City 2« – das klingt nach einer Fortsetzung der Skandalgeschichte um den italienischen Ministerpräsidenten. In der im Frühjahr vergangenen Jahres angelaufenen Realitysoap ging es um Geld, Macht und Sex. Frauen kam dabei die Rolle des Accessoires zu: Wie Charlotte ihre Vuitton-Handtasche und Carrie ihre Manolo Blahniks, so stellte Silvio Berlusconi junge Frauen zur Schau. Diese erhofften sich durch ihre Dienste für den Mr. Big der italienischen Politik eine Zukunft als TV-Sternchen, wenigstens aber einen Auftritt als Model für jene Mode-Designer, die für die Ausstattung von »SATC« zuständig sind.
Die Serie kam erst mit großer Verspätung ins italienische Fernsehen. Zum Stammpublikum zählten Vierzig- bis Fünfzigjährige, die sich mit den attraktiven, gutverdienenden, weltoffenen Singles identifizieren konnten. Für sie war schon der erste Kinofilm eine Enttäuschung. Carrie, Miranda, Samantha und Charlotte waren nicht mehr vier unabhängige Freundinnen, sondern langweilige Ehefrauen, überforderte Mütter, vor allem aber waren sie ebenso wie sie selbst mit den Widrigkeiten des Älterwerdens beschäftigt. Wehmütig wird seither durch endlose Wiederholungen der Geist der ersten TV-Folgen beschworen, als man sich noch lustvoll in den New-Yorkerinnen spiegeln konnte: Vor den Schaufenstern in der Via Condotti war es leicht, sich als Carrie wiederzuerkennen. Wer so erfolgreich war wie Miranda, konnte sich auch einen neuen Tailleur leisten. Charlottes Familiensinn war den meisten sowieso angeboren und trotz der frauenbewegten Jugendjahre nicht abhanden gekommen. Von Samanthas ungezügeltem Sexleben konnten sie alle nur träumen.
Seit alle die italienische Version von »Sex and the City« mit Berlusconi in der männlichen Hauptrolle kennen, ist der Spaß vorbei. Die Sexszenen, die im Frühjahr vorigen Jahres unzensiert an die Öffentlichkeit gelangten, waren nicht witzig, allenfalls tragikomisch. Anders als die vier Freundinnen, die sich in New York im Café über die sexuellen Schwierigkeiten ihrer Liebhaber lustig machen, müssen Frauen in römischen Bars neuerdings erleben, wie sich Männer an der zur Schau gestellten Potenz ihres Präsidenten berauschen. Dass ihre einstigen Heldinnen auf einem Trip nach Abu Dhabi nun ausgerechnet an der Verkleidung als arabische Wüstenköniginnen Vergnügen finden, muss ihnen unerträglich sein, nachdem sich ihre Regierung in ein Sultanat verwandelt hat, das einen Harem junger Frauen unterhält. Die Skepsis, mit der der zweite Kinofilm kommentiert wird, verrät, dass sich die Frauen zwar immer noch in den »SATC«-Darstellerinnen spiegeln, doch statt sich in deren Rolle hineinzufantasieren, projizieren sie ihre eigene Melancholie auf die vier New-Yorkerinnen. Die aber sind gar nicht so frustriert wie ihre italienischen Fans: Samantha kann über ihre Botox-Injektionen immerhin noch lachen.
Catrin Dingler

Ein Blüschen überziehen
Das Werbeplakat für den Kinofilm »Sex and the City 2« darf in Israel nicht überall gezeigt werden. Stein des Anstoßes war das Wörtchen »Sex« im Titel des Films. Die Stadtverwaltung in Jerusalem sowie in der kleinen Stadt Petach Tikwa bei Tel Aviv will bei Werbung im öffentlichen Raum auf Züchtigkeit achten, um die Gefühle der streng Religiösen nicht zu verletzten. Diese Bevölkerungsgruppe stellt in Jerusalem zwar nicht die Mehrheit dar, aber der säkulare Bürgermeister Jerusalems, Nir Barkat, möchte sich mit ihr nicht anlegen. So wurde beschlossen, dass Nacktheit und explizite Begriffe wie »Sex« nicht im öffentlichen Raum präsent sein sollen.
Da half es auch nichts, dass die Schauspielerin Kristin Davis im Juni 2008 zu Werbezwecken Jerusalem besucht hatte. Und dass die von ihr dargestellte Figur Charlotte zum Judentum konvertiert ist, damit sie ihren jüdischen Freund heiraten konnte, interessierte auch niemanden. Auch Hauptdarstellerin Sarah Jessica Parker hat bereits Erfahrungen mit Israels ultra-religiöser Fraktion sammeln müssen. Als sie vor sieben Jahren auf Plakten für die Seife Lux posierte, erregte ihr tiefes Rücken-Dekolleté den Unmut der Sittenwächter. Mittels Photoshop musste ihr ein Blüschen übergestreift werden, damit die Zniut, die »Sittlichkeit«, gewahrt blieb.
Shai Keidar von der Werbeagentur Maxi­media, die in Israel die Außenwerbung für den Film organisiert, wird nach den Protesten auf das Aufhängen der Plakate in Jerusalem und Petach Tikwa verzichten.
Bei Forum Films, dem israelischen Verleih von »Sex and the City 2«, reagierte man empört. »Wir haben nicht beabsichtigt, mit Nacktheit zu werben oder mit Dingen, die für die Öffentlichkeit generell oder speziell für ultra-orthodoxe Juden anstößig sein könnten. Nichtsdestotrotz lautet der Titel des Films eben so. Wir empfinden es als lächerlich, für den Film zu werben, ohne ihn beim Namen nennen zu können.«
Der israelische Filmstart am 29. Mai wird in der heiligen Stadt und in Petach Tikwa also ­lediglich in Zeitungen und im Internet angekündigt.
Felice Naomi Wonnenberg

Wer will schon einen Mr. Right?
Wenn der zweite »Sex and the City«-Film in die Kinos kommt, werde ich ihn, genau wie den ersten, nicht ansehen. Dabei hatte mich die Serie damals schon gereizt: Dem Klischee entsprechend saß ich pünktlich zur Ausstrahlung der ersten Folge mit zwei Freundinnen vor dem Fernseher. Serien im Original aus dem Internet herunterzuladen, war 2001 für mich noch Zukunftsmusik, Napster hatte ich gerade erst kennengelernt. Lang, lang ist’s her!
Und am Anfang sah es aus, als würde es etwas mit mir und den vier Frauen aus New York werden. Derbe Witze, ausgewachsene Neurosen, bei denen Woody Allen wahrscheinlich neidisch geworden ist, das zeitgemäße, humorvolle und handfeste Anpacken weiblicher Lebenswelten und die spezifische Mischung aus Drama und Komödie machten mir Lust auf weitere Folgen. Bloß währte die nicht besonders lange: An einem Punkt, an dem alle Welt sowieso irgendwie davon ausging, dass Feminismus jetzt vorbei sei und sich in die beiden Bereiche »Gender und Queerness« (im akademischen Umfeld) und totales Empowerment (also eher im Schuhkäuferinnenumfeld) aufgeteilt habe, kam »Sex and the City« und vertrat die sehr merkwürdige These: »Schaut mal, Mädels, wir können alles haben. Saucoole Jobs, sauviel Freizeit, oberkrasse, hohe und megateure Schuhe.« Das mit dem Mann fürs Leben, wird einem in »Sex and the City« klar gemacht, ist ein bisschen schwieriger, aber wenn wir uns mit unseren romantischen Ansprüchen zurückhalten, wird auch das was, und wenn wir weiterhin viel Sex haben, Yoga machen und Weizenkleieshakes trinken, klappt es auch mit der Bikinifigur nach dem Baby in Staffel XY. Mr. Big war nur ein Synonym für Sicherheit, lebenslange Liebe, Familiengründung und nicht zuletzt: Mr. Right. Und bei aller Fortschrittlichkeit der Themenauswahl, in ihren Fragestellungen blieb die Serie immer nur in Dualismen verhaftet: Ehe oder Single, Kind oder kinderlos, kleiner Mann oder großer Mann, Ja oder Nein. Und es gibt noch etwas, dass ich der Serie übelnehme: dass wegen des Hypes um »Sex  and the City« Mädchen mit zu großen Taschen und zu karierten Röcken und gestreiften T-Shirts, auf denen übergroße Blumenbroschen angeheftet waren, durch die Städte liefen. Das hat mir in den Augen weh getan und nicht wenige Male ordentlichen Brechreiz ausgelöst.
Aber ich will nicht nur meckern, und letztlich gibt es zwei Dinge, für die ich »Sex and the City« auch dankbar bin. Zum einen für die Szene (»Just Say Yes«), in der Carrie in Aidans Tasche den für sie bestimmten Verlobungsring findet und kotzen muss, denn so sehr habe ich selten gelacht. Und zum anderen für den Einzug des HBO-Logos in mein Leben, aber vor allem des begleitenden Jingles. Bis heute eines der schönsten und verheißungsvollsten Geräusche in meinem Wohnzimmer.
Nina Scholz

Bin ich der Aiden-Typ?
Was früher bestimmte Bücher, Platten und Filme waren, sind heute Fernsehserien: kulturelles Kapital, durch das man sich selbst und andere definiert. Das funktioniert mit Serien deshalb so gut, weil man sie nicht einfach ad hoc konsumiert. Man muss sich für sie bewusst entscheiden, man muss sie sich erarbeiten, dabei bleiben. Dann kann man von »seiner« Serie reden und tut das auch sehr gerne.
Komischerweise sind Serien eines der letzten kulturellen Felder, auf denen sich wirklich Geschlechterunterschiede festmachen lassen. »Battlestar Galactica« oder »Rom« sind tendenziell Männerserien, »Desperate Housewives«, »Gilmore Girls« oder »Ally McBeal« richten sich explizit an Frauen. Und natürlich »Sex and the City«. Fast alle Frauen haben zumindest eine Meinung zu »Sex and the City«, viele von ihnen sind Hardcore-Fans, und das in einem Maße, wie das keine andere Serie je geschafft hat. Frauen erwarten von Männern gar kein Wissen über »Sex and the City«. Sie gehen davon aus, dass sich diese New Yorker Glamourwelt aus Luxusmarkenklamotten, Männerproblemen und Frauenfreundschaft sowieso nur an sie als Wunsch und Vorstellung richtet. Viele Frauen sagen, »Sex and the City« sei »ihre« Serie, ich kenne keinen Heteromann, der es ihnen da gleichtut.
Sich als heterosexueller Mann »Sex and the City« zu erarbeiten, macht somit auch gerade deswegen so viel Spaß, weil man das Gefühl hat, sich etwas wirklich Fremdes anzueignen, etwas, mit dem man bald mehr anfangen kann, als man vorher dachte. Ist man selber eher der Aiden-Typ? Also beziehungsfähig, aber auch etwas kontrollfreakig? Oder ähnelt man eher »Mr. Big«, der sich bis zu dem mediokren ersten »Sex and the City«-Film einfach nicht endgültig auf ein Zusammensein festlegen kann? Identifiziert man sich überhaupt mit den Männern in dieser Serie oder doch mit den vier Hauptdarstellerinnen, die immerhin vier recht verschiedene Rollenmodelle anbieten, von denen man sich eines aussuchen kann?
Zu Beginn der Serie habe ich mich immer in den Typen gespiegelt, inzwischen ist mein Blick ähnlich »weiblich« wie der der vier Frauen, auch wenn diese zugebenermaßen alle unterschiedliche Ansprüche an ihre potentiellen Kandidaten haben. Ich werde mal zu Carry, mal zu Samantha, auch für mich sind die Männer jetzt »die anderen«. Selten hat Gender Switching so viel Spaß gemacht. Obwohl ich manchmal auch ganz gerne »Mr. Tongue« wäre, den die Männer, die diesen Text lesen, natürlich gar nicht kennen.
Andreas Hartmann

»Sex and the City 2« (USA 2010). Start: 27. Mai