Saufen und Fußball

Berlin Beatet Bestes. Folge 50. FC Mutter Ernst: »Ganz egal« (1983).

Fußball interessiert mich eigentlich nicht, und Massenaufläufe meide ich sowieso. In riesigen Konzerthallen, auf Festen oder auf Demos regiert immer nur der Stumpfsinn. In meiner Diktatur wären übergroße Menschenansammlungen verboten. Ich kriege oft schon in der U-Bahn Beklemmungen, ich bin es einfach nicht mehr gewohnt, so nah mit so vielen Menschen zu sein. Dabei lebe ich seit 40 Jahren in einer Großstadt. In Berlin ist es allerdings kein Problem, den Massen zu entgehen. Die Millionen von Menschen, die regelmäßig zur Loveparade oder vor vier Jahren zur WM nach Berlin kamen, hat man in Kreuzberg gar nicht bemerkt.
Im Überschaubaren liegt für mich die Freiheit. In kleinen Gruppen kennt man sich und behandelt einander besser. Die Anonymität der Masse, hinter der der Einzelne sich verstecken kann, die Masse, die sich als Masse spürt, verschreckt mich. Ich bin ein romantischer Individualist, andere würden sagen: eitel. Ich hasse es, in der Masse unterzugehen.
»The masses are dumb asses!« – diesen Leitsatz meiner Jugend, den der Anarchist, leider aber auch der Kapitalist denken kann, will ich bis heute nicht abschütteln. Trotzdem interessiert es mich, was die Masse interessiert. Die Fußballweltmeisterschaft werde ich also im Kreis meiner Freunde zuhause am Fernseher, oder in einer kleinen Kneipe um die Ecke verfolgen. Das macht eigentlich immer Spaß. Und weil ich leider keine zweite oder dritte Ethnie und auch keinen weiteren Pass zur Verfügung habe, werde ich auch diesmal mit den »Unsrigen« mitfiebern. Alles andere wäre Quatsch. Die Kreuzberger Hippies, die immer für Brasilien sind, werden von den echten Brasilianern ­sowieso nur ausgelacht.
Jetzt zu der Schallplatte, um die es hier eigentlich gehen soll. Es ist eine Platte, die mir den Fußball näher ans Herz gebracht hat. Aufgenommen und privat gepresst von einem kleinen Frankfurter Kneipenteam, dem FC Mutter Ernst, geht es in den zwei Songs nur um den Spaß am Fußball und am Saufen. Der Song »Ganz egal« beginnt mit einer für die frühen Achtziger typischen Rockgitarre und einem piepsigen Keyboard: »Wir spielen Fußball, wir spielen gut. Wir sind Talente, uns liegt es im Blut. Wir sind ein Wahnsinnsteam, wenn wir auf dem Rasen sind. Leider ist die Puste knapp und unser Torwart ist blind. Ganz egal, wir sind dabei, beim Kicken und Saufen auf jeden Fall.« Diese Single war nur dazu gedacht, Spaß zu haben. Das mit dem Spaß am Fußball bringen diese Jungs wirklich gut rüber. Saufen ist allerdings nicht so mein Ding. Obwohl: Das eine oder andere Bier werde ich in den kommenden WM-Wochen schon trinken. Im gemütlichen kleinen Kreis.