Räumt das Schloss Bellevue!

Schloss Bellevue räumen!

Das Amt eines Bundespräsidenten ist vollkommen überflüssig und verschlingt nur Steuergelder.

Betrachtet man den Hype um die Wahl des Bundespräsidenten, könnte der Eindruck entstehen, es handele sich dabei um einen ziemlich einflussreichen Posten mit viel Macht. Geht es dabei vielleicht sogar um die Funktion eines Staatenlenkers? Der Bundespräsident (nachfolgend wird ausschließlich die männliche Form benutzt, denn eine Bundespräsidentin wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben) ist nichts von alledem. Einflussreicher als der Bundespräsident sind viele. Die einen wurden gewählt (Abgeordnete, Regierung), die anderen nehmen ohne ein solches Mandat Einfluss. Sie bestimmen die Geschicke des Staates in wesentlich höherem Maß als der Bundespräsident. Der Bundespräsident ist ein besserer Grüßonkel – für den jährlich 30 Millionen Euro ausgegeben werden.

Die Funktion und Arbeitsweise des Bundespräsidenten ist gut beschrieben in Rainald Grebes Lied »Ich bin der Präsident«. Dort wird wirklichkeitsnäher und realistischer dargestellt, was der Herr Präsident so macht (Fähren taufen u.ä.), als an anderer Stelle. Eine dieser anderen Stellen ist das Grundgesetz. Es widmet dem Bundespräsidenten einen ganzen Abschnitt (Artikel 54 ff.). Was dort steht, hört sich erst mal mächtig gewaltig an – ist es aber nicht. Der Bundespräsident hat am Ende ziemlich wenig zu entscheiden.
Wir brauchen den Bundespräsidenten, wird gesagt, weil er den Bund völkerrechtlich vertritt und im Namen des Bundes Verträge mit auswärtigen Staaten schließt. Dafür brauchen wir ihn aber gerade nicht, denn sobald die Verträge die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, ist ein Bundesgesetz erforderlich – und dieses wird im Bundestag beschlossen. Welchen Sinn die Regelung der völkerrechtlichen Vertretung und die Vertragsabschlusskompetenz für den Bundespräsidenten dann noch ergeben, hat sich mir nicht erschlossen. Sie sind schlichtweg überflüssig.
Eine Aufgabe des Bundespräsidenten lässt ­Jurastudierende regelmäßig verzweifeln. (Die Abschaffung des Präsidentenamtes würde also auch ihr Leben erleichtern.) Artikel 82 des Grundgesetzes sieht vor, dass die Bundesgesetze vom Präsidenten gegengezeichnet werden müssen, bevor sie veröffentlicht werden, was wiederum Voraussetzung für ihr Inkrafttreten ist. Die armen Studierenden werden nun regelmäßig mit der Frage gequält, ob der Präsident eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Gesetze hat und wie weit diese geht. Dass es eine solche Prüfungskompetenz nach herrschender Meinung gibt, hat die Prüfung durch Bundespräsident Horst Köhler zum Zugangserschwerungsgesetz (besser bekannt als Internet-Sperre-Gesetz) gezeigt. Schon in meinem Studium habe ich nicht verstanden, woraus sich eine solche Prüfungskompetenz des Präsidenten herleiten lassen soll. Von der sachlichen Kompetenz will ich im Beispielsfall mal gar nicht reden. Es ist schlichtweg absurd, dass ein Bundespräsident einfach die Möglichkeit haben soll, einen demokratisch gefassten Beschluss über ein Gesetz zu stoppen, zumal der Präsident nicht einmal Jurist sein muss. Für die Frage der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen sollte allein das Bundesverfassungsgericht zuständig sein.

Der Bundespräsident kann aber auch an einem anderen Punkt allein entscheiden. Er hat das Recht, Begnadigungen vorzunehmen. Wieso eine solch wichtige Befugnis einer einzelnen Person vorbehalten sein muss, auch das ist für mich nicht nachvollziehbar. Es wird suggeriert, der Bundespräsident sei überparteilich. Artikel 55 des Grundgesetzes legt dies zunächst auch nahe. Denn der Bundespräsident darf weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft eines Bundes oder eines Landes angehören. Diese formalen Voraussetzungen werden immer erfüllt sein, aber das Hickhack um die jetzigen männlichen Kandidaten zeigt, dass es dabei selbstverständlich um Parteipolitik geht. Auch das ist ein Grund, das Präsidentenamt abzuschaffen, wir brauchen nicht noch einen Oberparteienvertreter.
Im Wesentlichen besteht die Aufgabe des Präsidenten darin, schmucke Empfänge zu geben, den Frühstücksdirektor zu machen und mehr oder weniger schlaue Reden zu halten – dafür sind 30 Millionen Euro im Jahr einfach zu viel Geld. Seine wenigen – und in der Sache zu kritisierenden – Entscheidungsbefugnisse können auch durch andere wahrgenommen werden.

Die Autorin ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei »Die Linke« und Abgeordnete des Deutschen Bundestags.