Welcher Eistyp bist Du? Schoko, Erdbeer und Vanille waren gestern

Welcher Eistyp bist du?

Schoko, Erdbeer, Vanille – das war einmal. Heute stehen Limette-Ingwer, Schlumpfeis und After Eight auf der Speisekarte. Wie soll man sich entscheiden?

Der Wintereis-Typ
Es gibt Schönwetterfußballer, Schönwetterfahrradfahrer, Schönwetterdemonstranten – und Schönwettereisesser. Wahre Eisliebhaber haben sich jedoch von den vermeintlichen Zwängen des Wetters befreit und sitzen nicht nur bei strahlendem Sonnenschein und hohen Temperaturen mit einer üppigen Portion delikater Kügelchen im Park, sondern gehen ihrer Leidenschaft in Sommer wie Winter, Herbst wie Frühling nach. Vollkommen unverständlich ist es für wahre Eisliebhaber also, dass alljährlich erst ab einer konstanten Temperatur von über 25 Grad die Saison ausgerufen wird. Schließlich lässt sich auch bei 25 Grad unter Null ein großer Eisbecher mit Hochgenuss verputzen: Einfach das Thermostat bis zum Anschlag aufdrehen, und schon klappt es mit der ganzjährigen Eissaison.
Markus Ströhlein

Der Becher-Typ
Was lernen wir aus David Cronenbergs »Die Fliege«? Dass Albert Einsteins Garderobe aus sechs identischen Anzügen bestand, weil er täglich das gleiche tragen wollte. War Einstein deshalb ein verspießerter Langweiler, ein konservativer Biedermann? Nein, er war ein verdammtes Superhirn! Ein cooler Checker, der seine geistigen Ressourcen nicht an die Wahl des richtigen Anputzes verschwenden wollte. Für ihn gab es Größeres zu tun, jede einzelne Synapse sollte verfügbar sein bei der Jagd nach der Quantenrelativität. Oder wie das heißt.
Begreift man sich, so wie ich, als direkter Nachfahre des Superhirns, bleibt einem aber nicht nur der elendige Zwang zur Wahl erspart: Zackig bestelle ich »3 Kugeln Wannillle!« in der erdigen Eisdiele Venezia, oder noch besser »Wie immer!« im eingebildeten Eiscafé San Marco. Ich vermeide außerdem unangenehme Überraschungen (Vanilleeis ist einfach und schmeckt fast nie scheiße) und helfe umsichtigerweise dabei, folgende Situation zu umgehen: Hordenweise Kinder und Erwachsene drängeln vor der Eisdiele, können sich nicht entscheiden zwischen Himmelblau, Kaktusfeige oder Zitronensorbet, lassen ihre Augen dutzende Male über das Angebot gleiten, ändern ihre Bestellungen im letzten Augenblick und verursachen schier endlose Schlangen. Wie die Emotion zu nennen ist, die in solchen Momenten in meinen Adern kocht? HASS! Es ist blanker Hass, der mich unter der glühenden Hitze von Berlin-Mitte regelmäßig befällt!
Ob Waffel oder Becher? Waffeln tropfen, wir alle kennen das. Die geschmolzene Eiscreme seilt sich oftmals schon nach Minuten vollkommen unbemerkt durch dieses klitzekleine Loch an der Spitze der Tüte ab. Ergebnis: Hose vollgesaut, Schuhe bekleckert und zum Vorstellungsgespräch braucht man so auch nicht mehr zu erscheinen. Deshalb an dieser Stelle eine Empfehlung: Wer sein eigenes Tempo fahren möchte, den Essrhythmus nicht dem unerbittlichen Joch der triefenden Waffelspitze unterzuordnen bereit ist, lasse sich das Eis im Becher kommen. Einziges Manko: Fahrradschieben beim Eisessen geht nicht, in der zweiten Hand steckt ein Löffel. Was verkraftbar ist, man will ja auch nicht fahrradschiebenderweise den ganzen Bürgersteig blockieren. Welche Emotion in mir kocht, wenn der Bürgersteig blockiert wird? Ich glaube, ich erwähnte es bereits.
Oliver Koch

Der Vanille-Typ
Wie es kommen kann, dass man, obwohl als Kind der weltgrößte Fan von Zitroneneis, nie wieder auch nur einzige Kugel des blassweißen Gefrorenen verspeisen wird, ist schnell erklärt. Manche Erlebnisse vergisst man nämlich einfach nie, auch wenn sie schon sehr lange her sind. Wie zum Beispiel das, rund ein Viertelpfund Zitroneneis zu erbrechen, und zwar so, dass die säuerlich-gallehaltige Flüssigkeit, zu der das Gelato im Magen recht schnell wird, den Körper gleichmäßig aus Mund und Nase heraus verlässt.
Also: Nie wieder Zitroneneis. Ein Kind ohne Lieblingssorte hat es jedoch schwer, und so folgte dem traumatischen Erlebnis eine ausgedehnte Testphase. In der die meisten Eise ausgeschlossen werden mussten: Erdbeer? Geht nur dann, wenn man den Geschmack gefrorener Kinderzahnpasta wirklich außerordentlich schätzt. Schokolade? Ist schon rein optisch indiskutabel. Banane und Melone schmecken in aller Regel nach etwas, das sehr lange vor sich hin verrottet ist, Himbeer erinnert viel zu sehr an die Lippenfarbe von Kindern, die seit Stunden im Nichtschwimmerbecken herumplanschen und keinesfalls zurück auf die Liegewiese wollen.
Bleibt also nur Vanille. Und zwar bis heute. Sicher, es gibt ganz ausgewiesen scheußliches Vanilleeis, das vermutlich so hergestellt wird: Man schüttet mehrere Hektoliter möglichst alter Kondensmilch in einen Bottich, gibt viele Kilo des billigsten Vanillearomas, das auf dem Weltmarkt zu finden ist, hinzu, versetzt die Masse noch mit ein wenig sauer gewordener Schlagsahne und friert das Ganze dann ein. Oder so. Falls der Hersteller solcher nichtswürdiger Eispampe Wert auf gehobenere Kundentäuschung legt, dann müssen zuvor natürlich noch schwarze Pünktchen in das Zeugs hineinappliziert werden, dazu eignet sich Kakerlakenkacke vermutlich ganz gut, ansonsten dürften es kleingemahlene Kohlestückchen oder die Überbleibsel des im Winter vorm Laden verteilten Rollsplits genau so gut tun.
Äh, ist Zitroneneis nicht vielleicht doch eine gute Alternative zu scheußlichem Vanilleeis?
Möglicherweise. Aber es gibt ja auch noch das großartige Vanilleeis, und das ist gar nicht so selten. Ob es allerdings auch irgendwann zum Albtraum werden kann, müsste man mal ausprobieren. Am besten an einem rund sechsjährigen Kind, das man mit vielen Kugeln Vanilleeis vollstopfen müsste, bevor man es eine halbe Stunde Karussel fahren lässt. Verlangt es anschließend, obwohl ihm das vorher Gegessene sowohl aus dem Mund als auch aus der Nase herausfließt, wieder nach Vanilleeis, steht fest, was ja aber sowieso schon klar ist: Beste Eissorte.
Elke Wittich

Der Maschinen-Typ
Liebe Eisfreunde!
Um uns herum beginnt die Hitze zu randalieren, der Sommer tritt quasi die Tür ein, doch in Ihrem Herzen geht es zu wie in Pjöngjang zur Geisterstunde? Das muss doch nicht sein!
Um Abhilfe zu schaffen, beschaffen Sie sich zunächst eine Eismaschine im Kaufhaus Ihres Vertrauens. Klingeln Sie auf dem Heimweg bei Ihrer schönen Nachbarin, und bitten Sie sie zur Eisverkostung auf den Balkon. Während die junge Dame sich noch kurz das Näschen pudert, werfen Sie 300 Gramm reife Erdbeeren, gewaschen und entstielt, zwei Löffel Honig und einen Viertelliter Sahne in eine Schüssel. Das Ganze wird püriert, nicht geschüttelt, mit einer Prise Zimt gewürzt und in die Maschine gefüllt. Sollte die Nachbarin zu jenen Menschen zählen, die angesichts eines Viertelliters Sahne ganz zittrig vor Angst um ihre Konfektionsgröße werden, ist sie sowieso die Falsche.
Auf jeden Fall wird die Eismaschine beruhigend, aber doch leicht vibrierend schnurren, wenn die frisch umsorgte Nase vor der Tür steht. Sie servieren Espresso, bringen die Maschine zum Schweigen und vollführen vor den staunenden Augen der Nachbarin einen kulinarischen Zaubertrick – klein geschnittene Ruccola-Blätter platzieren Sie auf einem flachen Teller und lassen die Eiskugeln kurz darüber rollen, um das Naschwerk zu ummanteln. Servieren Sie, nachdem aus lockerem Handgelenk einige rote Pfefferkörner über das Arrangement gestreut haben.
Mittlerweile schmiegen sich die Strahlen der Nachmittagssonne auf den Balkon, und ihrer beiden Venen können nicht mehr entscheiden, ob es schon Zuneigung oder noch das Koffein ist, das die Herzen pochen lässt.
Das Eis wird das Eis brechen, und vielleicht brauchen Sie schon am nächsten Morgen Hefeteig für das erste gemeinsame Frühstücksbrötchen.
Mahlzeit!
Knud Kohr

Der Wassereis-Typ
Was gar nicht geht, sind diese obersüßen angeberischen Kreationen auf Milchbasis, die hierzulande meist unter »Eis« verstanden werden. Möglichst noch ein Waffelchen obendrauf und Zuckerlis, Krokant oder Kunst-Himbeer-Schoko­soße und Sahne. Das würgt mich fast. Selbst dann, wenn frisches Obst oder ein komischer Likör dazu gemanscht wird. Über die Industrieprodukte aus den Tiefkühltruhen der Supermärkte will ich schweigen, einfach, weil sie keine Zeile wert sind. Die wenigen Male, in denen ein Magnum meinen Lebensweg kreuzte, habe ich nur die knirschende Palmöl-Schokoladenschale geknabbert und den Rest dezent entsorgt. Wenn ich vor die Wahl gestellt würde, nähme ich alternativ so ein billiges Wassereis aus gefärbtem, mit Geschmacksstoffen versehenem Wasser, wie es früher in kleinen Plastikschläuchen verkauft wurde, sehr schön bunt und witzig. Grün oder violett.
Katja Leyrer