Nur die Reue zählt

»Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft«, lehrt die Bibel. Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche scheinen die Geistlichen jedoch allenfalls dann die Wahrheit zu beichten, wenn sie ohnehin öffentlich bekannt ist. Zu fürchten haben sie weniger Gottes Strafgericht als die Medien. Die jüngsten Enthüllungen betreffen den als liberal geltenden Erzbischof Robert Zollitsch. Dem ARD-Magazin »Report Mainz« zufolge hat der 71jährige einen Missbrauchsfall vertuscht. Briefe zu Missbrauchsvorwürfen, die von Zollitsch, als damaligem Personalreferenten der Freiburger Erzdiözese unterschrieben wurden, belegen dies. Seit 1992 soll Zollitsch gewusst haben, dass Pfarrer Franz B. im badischen Oberharmersbach einen Ministranten sexuell missbrauchte, der der Neffe eines anderen Geistlichen war. Der promovierte Theologe Zollitsch habe ein Treffen mit Täter und Opfer veranlasst, bei dem Franz B. die sexuellen Übergriffe nicht bestritten haben soll. Weil sich der Pfarrer reuig gezeigt habe, habe sich Zollitsch aber nicht an die Staatsanwaltschaft gewendet. Ein Opfer zeigte den mutmaßlichen Sexualstraftäter später an, der sich 1995 erhängte.
Am Wochenende gab Zollitsch zu, dass es falsch gewesen sei, die Staatsanwaltschaft nicht einzuschalten. Als im März erste Vorwürfe gegen den amtierenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskon­ferenz erhoben wurden, war Zollitsch allerdings weniger einsichtig. Damals wies er die Beschuldigung zurück, er habe etwas verheimlicht. Wenig später empfahl er Bischof Walter Mixa »eine Zeit der geistlichen Einkehr«.
Als Aufklärer des Missbrauchsskandals kann Zollitsch nun wohl nicht mehr gelten, doch konnten bereits vor den jüngsten Enthüllungen Zweifel daran aufkommen, dass »Liberale« wie Zollitsch in der Kirche einen diskreten, aber beharrlichen Kampf gegen die Vertuschungspolitik reaktionärer Geistlicher führen. Der Erzbischof hält eisern an den katholischen Dogmen fest, das Priesteramt soll Männern vorbehalten bleiben, Homosexualität bezeichnet er als »Veranlagung«. Im Februar weigerte sich Zollitsch, einen Runden Tisch zur Aufarbeitung der sexuellen Übergriffe in der katholischen Kirche einzurichten. Überdies vertritt er noch immer die Ansicht, dass die Kirche Missbrauchsvorwürfe erst selbst prüfen solle, bevor staatliche Behörden angerufen würden. »Es werden ja auch viele Menschen völlig zu Unrecht beschuldigt«, meint Zollitsch.