Ein Klavier!

Anfang Juli lieferte sich Chilly Gonzales in Duisburg einen Kampf mit Helge Schneider – nicht mit den Fäusten, am Klavier natürlich. Barjazz wurde mit schwermütigen Etüden gekontert, Schumann-Paraphrasen gegen Blues ausgespielt. Der Schauwert dieser humorvoll theatralischen Inszenierung war auch deshalb so hoch, weil da nicht nur zwei hochkarätige Spinner am Werk waren, sondern auch extreme Musikliebhaber und Könner. Diese kompetente Leidenschaft des in Paris lebenden Kanadiers Gonzales kam beim Publikum nicht immer an: »Soft Power«, Gonzales’ Hommage an das Popjahr 1978, wurde kaum geliebt; vor allem wurde das Werk als glamouröser Witz missverstanden, die intimen Dimensionen darin wurden verkannt. Was Gonzales mächtig fuchste. Nun legt er mit »Ivory Tower« nach. Mit einem Album, das auch Soundtrack ist für Gonzales’ gleichnamigen Schachspielfilm. Fürs Album hat sich der Produzent von Feist in Form von Boys Noize hippe Unterstützung aus der Clubelektronik-Ecke geholt. Der junge House-Fachmann hat das Album produziert. Und er hat seine Sache gut gemacht, hat das durchaus kraftvolle Klavierspiel von Gonzales in den Mittelpunkt gestellt, Akkorde geloopt, süffige Melodie-Soundschnipsel geschickt im Raum verteilt. Manche Songs erinnern an den Pop von Abba, andere schwärmen durch die Luft wie Stücke von Air, nur sind sie lauter arrangiert, und in den Songs von Air singt bzw. brummt auch kein Gonzales seine unappetitlichsten Reiseeindrücke. Fabelhafter Entertainer, der Mann.

Gonzales: Ivory Tower (Gentle Threat/Edel)