Kirgisien nach den Wahlen

Wenige Wähler, viele Parteien

Kirgisien ist nun eine parlamentarische Republik, doch gibt es keine Partei, die größere Unterstützung in der Bevölkerung hat.

Man kann sich darüber streiten, ob es fünf Sieger gab oder keinen einzigen. Am 10. Oktober haben die Kirgisen ein neues Parlament gewählt, die Wahlbeteiligung lag bei bescheidenen 56 Prozent. Von den 29 zugelassenen Parteien schafften fünf den Einzug ins Parlament, die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Immerhin hat Kirgisien Ende Juni als erstes Land in Zentralasien per Verfassungsreferendum den formalen Übergang zur parlamentarischen Demokratie gemeistert. Fast 70 Prozent der Wahlberechtigten hatten damals ihre Stimme abgegeben, wobei die Mehrheit sich für die Reformen aussprach.
Offizieller Sieger wurde mit etwas mehr als acht Prozent der Stimmen die »Idealistische demokratische politische Partei Ata-Zhurt« (Vaterland), die ihre Wählerbasis im Süden des Landes hat und mit dem im April gestürzten Präsidenten Kurmanbek Bakijew assoziiert wird. Die nationalistische Ata-Zhurt kann etwa 29 von insgesamt 120 Abgeordnetenmandaten beanspruchen, aber nicht allein die Regierung stellen.
Als zweitstärkste Partei folgen die Sozialdemokraten mit acht Prozent und knapp dahinter die Ar-Namys des ehemaligen Premierministers Felix Kulow, deren Anhängerschaft aus dem Norden stammt. Kulow ist zudem auch unter der usbekischsprachigen Bevölkerung populär. Ebenfalls im Parlament vertreten sind die Respublika des einflussreichen Geschäftsmanns und früheren Vizepremierministers Omurbek Babanow sowie die sozialistische Partei Ata-Meken (Heimat) mit sieben bzw. knapp sechs Prozent.

Das Parlament repräsentiert lediglich etwa ein Drittel der ohnehin geringen Wählerschaft, eine überzeugende demokratische Legitimation ist das nicht. Daran wird sich auch nichts ändern, falls mit Budun Kyrgyzstan (Einiges Kirgistan) noch eine sechste Partei über die Fünf-Prozent-Hürde kommen sollte. Bei der Stimmenauszählung ergab sich nämlich in den Verzeichnissen ein unerklärlicher Überschuss von 200 000 Wählern heraus. Würden sie aus der Liste gestrichen, läge der Stimmenanteil von Budun Kyrgyzstan bei über fünf Prozent. Die Entscheidung der Wahlkommission steht noch aus. Außer der Partei von Felix Kulow, der eine Koalition mit dem »Einigen Kirgistan« anstrebt, scheinen die Wahlsieger die Ergebnsse nicht in Frage stellen zu wollen.
Eine stabile Koalition braucht eine Basis sowohl im Norden als auch im Süden des Landes. In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass jede Regierung, die sich auf eine treue Anhängerschaft nur in einer der beiden recht unterschiedlichen Regionen stützen kann, bald an ihre Grenzen stößt. Gleichzeitig ist Kirgisien auf gute politische und ökonomische Beziehungen zu den beiden Nachbarstaaten Russland und Kasachstan angewiesen. Kulow verfügt im Unterschied zu den meisten anderen Parteiführern über gute Beziehungen zu beiden Staaten, das verbessert seine Chancen auf ein hohes Regierungsamt.

Den offiziellen Auftrag zur Regierungsbildung will Präsidentin Rosa Otunbajewa, die sich Ende vergangener Woche mit allen Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien außer dem der Sozialdemokraten traf, erst nach der amtlichen Bekanntgabe der Wahlergebnisse vergeben. Ihre Ansprüche haben die Parteiführer bereits genannt, allein Ata-Zhurt fordert für sich nicht den Posten des Premierministers, sondern lediglich den des Parlamentssprechers.
Egal wer am Ende die begehrten und seit der Vergassungsreform mit neuen Vollmachten ausgestatteten Ämter bekommt, großer Optimismus ist jedenfalls nicht angebracht. So gelang es in den vergangenen Monaten nicht, das Juni-Massaker (Jungle World 25/10) an der usbekischen Minderheit im Süden aufzuarbeiten. In der Regel folgt auf einen Umsturz in den ehemaligen Sowjetrepubliken nach einer kurzen Phase der Um­orientierung eine erneute Zentralisierung der Staatsmacht. Kirgisien wird da wohl keine Ausnahme bilden.