Über den Wahlkampf der NPD in Bremen

Wahlkampf als Opfer

Die NPD möchte in ein westdeutsches Landesparlament einziehen. In Bremen rechnet sie sich Chancen aus.

Die NPD hat Probleme. Sie ist finanziell gebeutelt durch ein Bußgeld in Millionenhöhe wegen Verstößen gegen das Parteiengesetz. Bei ostdeutschen Landtagswahlen musste sie Verluste hinnehmen, und Ende Januar gab das Münchener Landgericht der Klage von vier DVU-Landesverbänden statt, die die Rechtmäßigkeit der Fusion von NPD und DVU anzweifeln. Die NPD sucht also ein Erfolgserlebnis.
Wenn es nach ihrer Führungsclique geht, dann soll sich der Erfolg in Bremen einstellen. Für die Bürgerschaftswahl am 22. Mai kündigte die Partei einen Wahlkampf an, »wie ihn die nationale Opposition noch nie geführt hat«. Seither fließen alle Ressourcen, die die NPD aufbringen kann, nach Bremen. Kader aus der Parteizentrale wurden entsandt, und schon Ende November begannen sie einen für NPD-Verhältnisse überaus professionellen Wahlkampf. Denn obwohl das seit jeher sozialdemokratisch regierte Bremen als eher liberal gilt, sind die Bedingungen für einen Einzug der NPD in ein westdeutsches Landesparlament seit den sechziger Jahren dort günstig.

So gibt es im Wahlrecht des aus den Städten Bremen und Bremerhaven bestehenden Landes eine Sonderklausel, mit der die Fünf-Prozent-Hürde umgangen werden kann: Es genügt, die Marke in nur einer der beiden Städte zu überspringen. Und in dem von Arbeitslosigkeit geprägten Bremerhaven gibt es eine rechtsextreme Stammwählerschaft. Seit 1999 sitzt der Kaufmann Siegfried Tittmann für die DVU in der Bürgerschaft. Die NPD hatte wegen einer »Deutschland-Pakt« genannten Vereinbarung lange darauf verzichtet, der DVU in Bremen Konkurrenz zu machen. Doch dann trat Tittmann aus der DVU aus, und die NPD hofft nun auf die Stimmen der rechten Klientel in Bremerhaven. Allerdings könnte die Entscheidung des Münchener Landgerichts, mit der die Rechtmäßigkeit der Verschmelzung von DVU und NPD fraglich geworden ist, der NPD Schwierigkeiten bereiten. Der frühere DVU-Vorsitzende Matthias Faust tritt in Bremen als Spitzenkandidat der NPD an. Im Bremer Wahlrecht ist für Kandidaten die Mitgliedschaft in zwei Parteien jedoch nicht vorgesehen. NPD-Wahlkampfleiter Jens Pühse gibt sich dennoch demonstrativ optimistisch und progonstiziert, dass die Fusion der beiden Parteien bis zur Wahlzulassung abgeschlossen sein werde.
Dass Bremen als erstes Bundesland die Altersgrenze für die Teilnahme an Landtagswahlen kürzlich auf 16 Jahre senkte, wird von der NPD als Vorteil gewertet. Bei den »Juniorwahlen« 2007, einer Wahlsimulation an Schulen, kam die DVU ohne nennenswerte Werbung auf 5,4 Prozent – landesweit. Folgerichtig kündigte Pühse an, durch »gezielte Ansprache« Jugendliche »für die Ziele der nationalen Opposition zu sensibilisieren« – und so das Ergebnis bei den Jungwählern »mindestens zu verdoppeln«. Das Schulamt hielt daraufhin alle Schulen zur Wachsamkeit an, offiziell darf die Partei an Schulen nicht in Erscheinung treten. Doch Pühse hat sich daran bisher nicht gestört: Der Spitzenkandidat für Bremerhaven ist der Erfinder der »Schulhof-CD« der NPD.
Seit Jahren organisiert er Großveranstaltungen, seit 1998 sitzt er im NPD-Bundesvorstand. Schon als 15jähriger trat er den »Jungen Nationaldemokraten« bei, verließ sie aber wieder, weil sie ihm »zu liberal« waren. Er stieg bei der »Nationalistischen Front« ein, die er später führte. Vor allem aber machte er seit 1993 in Deutschland mit seinem »Blitzversand« Rechtsrock populär. Später kam ein Plattenlabel hinzu, 1998 wurde das Label dem »Deutsche-Stimme-Verlag« der NPD angeschlossen. Seither steht Pühse auch für die Verbindung der Freien Kameradschaften mit der Partei.
Mit deren Unterstützung plant er einen Aufmarsch der NPD am 1. Mai in Bremen mit 1 000 Teilnehmern. Begleitet werden soll das Ganze auch noch von einem »Sozialkongress gegen Turbokapitalismus« vor den Bremer Messehallen.

Seit dies bekannt wurde, werden in Bremen Gegenaktionen vorbereitet. Pühse und Faust stört das nicht: Ihre Strategie kalkuliert die Anfeindungen ein. Sie machen etablierten Organisationen politische Avancen oder stellen Ansprüche an staatliche Stellen, um sich nach deren Zurückweisung als Opfer eines »Meinungskartells« in Szene setzen zu können – und treiben so ihre Gegner vor sich her.
Die Bremer DGB-Vorsitzende Annette Düring, die zu den Organisatoren eines Sternmarsches gegen die NPD gehört, wurde von Pühse dazu eingeladen, mit einer Riege prominenter Neonazis auf seinem »Sozialkongress« zu diskutieren. Er sei »gespannt auf ihre Argumente«. Als Düring ablehnte, kündigten Pühse und Faust kurzerhand an, ausgerechnet zum ersten Mobilisierungstreffen gegen die NPD-Aktivitäten Mitte Januar für einen »Gedankenaustausch« ins DGB-Haus zu kommen. Düring erteilte ihnen Hausverbot. Zuvor hatte Pühse die Befürchtung geäußert, es könne diesmal in Bremen aus Angst vor der NPD keinen »Wahl-O-Mat« geben – jene Website der Landeszentrale für politische Bildung mit Original-Wahlprogrammen aller Parteien, auf der sich vor allem Schüler anhand ihrer eigenen Ansichten Wahlempfehlungen holen können. Prompt wurden tatsächlich Stimmen aus der SPD laut, den »Wahl-O-Mat« diesmal besser sein zu lassen.
Kurz darauf verklagte die NPD die staatliche Bremer Landesbank, weil die ihr kein Konto eröffnen wollte. Vor allem Pühse gibt sich umtriebig. Er lud sich, allerdings erfolglos, selbst zu einer Podiumsdiskussion an einer Bremer Schule ein, in der eine Ausstellung zum Thema »Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen« gezeigt wurde. Darüber hinaus schloss er sich einer Initiative der Bremer Jusos für den Dalai Lama an. Schließlich versuchte er es bei der aus der Schill-Partei hervorgegangenen Gruppierung »Bürger in Wut« um den Bundespolizisten Jan Timke. Der sitzt zwar seit 2007 in der Bürgerschaft, glaubt aber, dass es bei der vorigen Landtagswahl Wahlbetrug gab. Timke hat deshalb bei der OSZE Wahlbeobachter angefordert, um Unregelmäßigkeiten im Mai zu verhindern. Die NPD stimmte begeistert zu – und Timke versuchte, mit einem zurückgewiesenen »Unterlassungsbegehren« die unerwünschte Unterstützung abzuwehren. Ob sich die Taktik provozierter Zurückweisung für die NPD in Wählerstimmen niederschlägt, ist fraglich. Schon jetzt finden sich so viele Unterstützer für die Gegenaktionen am 1. Mai, dass die Zahl der Demonstranten leicht so groß wie im Jahr 2006 werden könnte. Damals stellten sich der NPD in Bremen über 10 000 Menschen in den Weg. Die Nazis kamen nur rund 100 Meter weit.