Enten für die Antifas

Berlin Beatet Bestes. Folge 91. Das tolle Entenbuch (1933).

Iiihhh! 1933!?«, sagt meine Freundin angewidert. Aber bevor sie sich aufregen kann, erkläre ich ihr, dass dieses Buch zwar 1933 erschienen ist, aber dass es ein antifaschistisches Buch ist und kurz nach Erscheinen verboten wurde. Das beruhigt sie zwar, scheint sie aber auch nicht sonderlich zu interessieren. Für sie ist sowieso alles, was ich nach Hause schleppe, nur olles Gelumpe. Dabei habe ich mich sehr gefreut über meinen großen Fund, dies ist ein sehr seltenes und großartiges Buch. Ich konnte es kaum fassen, als ich in einem Trödelladen tatsächlich nur einen Euro dafür zahlen musste. Ich hätte sicher auch mehr ausgegeben. Allerdings nicht 120 Euro. Im Internet wird ein Exemplar in schlechterem Zustand zu diesem Preis angeboten. Die Aufmachung lässt zunächst auf ein schlichtes Humorbuch schließen, aber schon der Klappentext stellt klar: »Die Ente gehört in die Hand jedes Antifaschisten!« Dieser Sammelband des von 1931 bis 1933 wöchentlich erschienenen Heftes enthält auf 114 Seiten über 100 teils politische, teils heiter erotische Zeichnungen und Texte von Erich Kästner, Hardy Worm, Alexander Roda Roda, Erich Weinert, Jonny Liesegang und anderen. Und Witze wie diesen:
Adolf Hitler wird erwartet. Die SA-Stürme stehen schnurgerade ausgerichtet, das Publikum gröhlt komische Lieder, die Herrn Unter- und Oberführer rennen umher, knallen die Hacken zusammen und tun so, als hätten sie zu tun. Endlich verkündet ein Trompetensignal das Nahen des Führers. Adolf schreitet gravitätisch aufs Podium, er stellt sich vors Mi­krophon, Stille tritt ein, aber Adolf redet nicht, sieht sich nur suchend um.
»Was ist los? Warum fängt er nicht an?«, fragt einer. »Die Hauptperson fehlt noch!« entgegnet ein Gauführer. »Der Photograph Hoffmann.«
Die Lässigkeit, mit der man sich hier über die Nazis lustig machte, ist beeindruckend. Vor allem, weil wir heute wissen, wie sehr sich wenig später alles änderte. Erich Kästner und Jonny Liesegang, der berühmteste Weddinger Schriftsteller, erhielten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme Berufsverbot. Der jüdische Satiriker Roda Roda, langjähriger Mitarbeiter des Simplizissimus, musste, über 70jährig, in die USA emigrieren. Der Kommunist Erich Weinert ging in die Sowjetunion, wo er von stalinistischen Säuberungsaktionen betroffen war, und nahm später als Frontberichterstatter der Internationalen Brigaden am spanischen Bürgerkrieg teil. Der Illustrator und Karikaturist Karl Holz, ein großartiger Stilist, der bereits 1919 als Soldat an der Novemberrevolution teilgenommen hatte, erhielt Berufsverbot als Pressezeichner und musste von 1939 bis 1945 erneut als Soldat in den Krieg. 1949 wurde er wegen einer im Schweizer Satiremagazin Nebelspalter ver­öffentlichten Stalin-Karikatur von einem sowjetischen Militärgericht zu einer Haftstrafe von 25 Jahren in Bautzen verurteilt. Erst 1956 wurde er begnadigt, aber nie rehabilitiert.