Dad is dead!

Schonungslos schildert die 2008 mit dem wichtigsten katalanischen Literaturpreis ausgezeichnete Autorin Najat El Hachmi in ihrem Roman »Der letzte Patriarch«, wie Mimoun, der Vater der fiktiven Erzählerin, zu einem unberechenbar gewalttätigen Patriarchen heranwächst. Schon als wehrloser Säugling erhält der spätere Frauenpeiniger seine erste schallende Ohrfeige und wird noch als Kind zum hinterhältigen Brudermörder. Als junger Mann mit Familie sieht er sich gezwungen, aus dem marokkanischen Dorf nach Spanien auszuwandern, wo er als Arbeitsmigrant allen möglichen Demütigungen ausgeliefert ist. Nach einer Weile holt er seine Familie nach, die er jedoch im fremden Land weiterhin quält und unterdrückt. Dennoch liebt die scharfsinnige Tochter ihren im Grunde schwachen Vater, weshalb er ihr je nach seinem Gutdünken gelegentlich gewisse Freiräume lässt. Ganz zufällig erhält sie eine Chance auf Bildung. Eine Gelegenheit, die sie nutzt, um sich selbst zu finden und von den Eltern zu emanzipieren. Das katalanische Wörterbuch wird für sie das verlässliche Tor zur Freiheit.
Die Ich-Erzählerin begreift so allmählich, »dass nicht alles im Buch des Lebens im Voraus geschrieben wird«. So steht am Ende des Romans die unausweichliche Entmachtung des Vaters, und mit ihr kommt ein System zu Fall, das längst überholt ist.
Womöglich ist der fulminante Roman »Der letzte Patriarch« von Najat El Hachmi nicht zufällig im Jahr der Revolutionen in Nordafrika erschienen.

Najat El Hachmi: Der letzte ­Patriarch. Aus dem Katalanischen von Isabel Müller. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011, 352 Seiten, 22,90 Euro