Der Kunst williger Vollstrecker

Die Kampagne von Jung von Matt, bei der Prominente ihre Meinung zur Bild mitteilen und die dann als Bild-Werbeplakat gedruckt wird, ist zweifellos geschickt. Die Prominenten werden prominenter, die Bild inszeniert sich als kreatives, sogar selbstkritisches Blatt. Doch welche Prominenten haben aus der Chance, ihre Meinung zur Bild auf den omnipräsenten Plakaten mitzuteilen, etwas gemacht? Wer erinnert sich an die Slogans von Dieter Bohlen oder Hans-Dietrich Genscher? Sidos »Danke für die Titten« ist in Erinnerung geblieben, aber sonst? Hat nicht Judith Holofernes von Wir sind Helden den größten Werbe­erfolg eingestrichen, als sie die Anfrage von Jung von Matt mit einem symphatischen, aber naiven Bild-Bashing ablehnte?
Jetzt aber hängen überall Bild-Plakate, die funktionieren: Jonathan Meeses Slogan »Die Diktatur der Kunst braucht keine Meinung«, rot auf schwarz in brachial-brutaler Metal-Typographie gedruckt. Das wird Meese Aufmerksamkeit verschaffen – zumal bei sensibleren Betrachtern das Nazometer leise tickt. Wer aber klagt, da verunstalte ein faschistoides Plakat die Bushaltestellen Berlins, sieht sich ermahnt: Das ist Kunst – die darf das! (Obwohl die Bild selbst Kunst öfter mal in Anführunszeichen setzt, wenn sie ihr zu subversiv erscheint.) Für subversiv hielten manche Meese-Fans auch ihr Idol. Sie sind empört, dass er nun Werbeflächen ziert. Dabei nahm Meese schon den Kulturpreis von Springers B.Z. aus den Händen Guido Westerwelles entgegen und malte eine Warhol-Suppendose für die B.Z. – »auf Meese-Art: wild und aggressiv«, wie der Springer Verlag verkündete. Meese passt schon lange gut zu Springers Boulevard. Er gibt sich schrill, obszön und ab und an auch sehr deutsch: Bei seinen Performances zeigt er immer wieder den Hitlergruß, ganz so, als könne er nicht anders. Aber ohne NS-Referenz wäre sein Werk auch ziemlich öde. Und wer Meese, der sich gern als geniales Muttersöhnchen geriert, irgendwie kritisiert, hat ihn nicht verstanden. Er ist nach eigenem Bekunden nur »eine Ameise der Kunst«, die ausführt, »was alternativlos ohnehin passieren wird«. In der »Diktatur der Kunst« regiere »die Sache, wie Licht, Atmung, Gelee (Erz), Liebe oder totale Schönheit, wie z.B. Scarlett Johansson«, schreibt Meese. Vielleicht hat er sogar recht: Wie ein Bild-Journalist der Kunst ventiliert er nur den ganzen Mist, der ohnehin in Deutschlands Köpfen spukt. Daher sollte man ihm eigentlich dankbar sein, dass er bloß Künstler geworden ist.