Über Schwarze und Muslime in der französischen Nationalmannschaft

Athletik schwarz, Technik weiß

Französische Fußballfunktionäre wollten für Änderungen in der Nationalmannschaft sorgen: Schwarze und Muslime sollten weniger gefördert werden.

Als vor zwei Wochen die Wahlkampagne für den Posten des Vorsitzenden des französischen Fußballverbands FFF begann, war schon klar, dass ein Thema allenfalls unterschwellig eine Rolle spielen würde – offiziell wird der jüngste Rassismus­skandal dagegen wohl kaum erwähnt werden. Rassismusskandal? Im französischen Fußball?
Was in deutschsprachigen Medien wenig Erwähnung fand, begann bereits Ende April. Da veröffentlichte Médiapart, die Internetzeitung des früheren Chefredakteurs von Le Monde, Edwy Plenel, der aus der radikalen Linken der siebziger Jahre kommt, einen Artikel unter der Aufsehen erregenden Überschrift: »Französischer Fußball: Die Führungsleute wollen weniger Schwarze und Araber«.
Die Ausführungen des sehr langen Texts basieren auf Tonbandmitschnitten einer Sitzung von Vorstandsmitgliedern des Dachverbands, die im vergangenen November stattfand. Inzwischen steht fest, dass die – eigentlich illegalen – Aufzeichnungen von Mohammed Belkacemi angefertigt wurden, der beim FFF für die Entwicklung des Fußballs in den französischen Trabantenstädten verantwortlich ist.
Was Belkacemi schockiert hatte, war die auf der Sitzung geführte Debatte über herkunftsbezogene Quotierungen für den Fußballnachwuchs. Dem war schon seit Monaten eine ähnliche Diskussion vorausgegangen. Dabei wurden zwei unterschiedliche Fragen miteinander vermengt: die über den Umgang mit »Doppelstaatsbürgern« einerseits und die über die Sicht auf Minderheiten auf der anderen Seite. Erstaunlich leichtfertig wurde eine Assoziationskette aufgebaut, die von der »doppelten Staatsbürgerschaft« über »die Afrikaner oder Araber« und bisweilen die Zugehörigkeit zum Islam bis hin zu vermeintlich biologisch determinierten, körperlichen Eigenschaften reichte.
Ausgangspunkt der heiklen Debatten innerhalb des französischen Fußballverbands war die Krise, die durch das blamable Ausscheiden und vor allem die heftigen inneren Konflikte der Nationalelf bei der Fußball-WM vor einem Jahr entstanden war (Jungle World 26/10). Damals war die Mannschaft der bleus zerstritten wie noch nie. Vielfach wurden die Konflikte zwischen ihren Mitgliedern in der danach laufenden öffentlichen Debatte jedoch ethnisiert dargestellt: als vermeintlicher Kampf zwischen Schwarzen und Weißen, zwischen Kindern der Trabantenstädte und Franzosen aus anderen sozialen Verhältnissen sowie zwischen Nichtmuslimen und Muslimen. Bei diesen handelte es sich im Übrigen nicht um Einwandererkinder, sondern in der Regel um Konvertiten wie Franck Ribéry und Nicolas Anelka.
In der Folgezeit schwelte dieser Konflikt, auch wenn er nach außen hin unausgesprochen blieb, innerhalb des Verbands weiter. Bei der Sitzung im November wurde die Debatte um eine eventuelle Einschränkung der Zahl von Spielern, die aus bestimmten Bevölkerungsgruppen stammen, jedoch zunächst mit Blick auf die Doppelstaatsbürgerschaft geführt. Den Anlass dafür gab die Befürchtung, Inhaber der doppelten Staatsbürgerschaft könnten – einmal von Frankreich unter vorgeblich hohen Kosten ausgebildet – später dann in den Nationalmannschaften anderer Länder spielen. Die Antwort darauf lautete, es solle eine pauschale Quote für Doppelstaatsangehörige festgelegt werden – jedoch nicht formell, denn die Teilnehmer waren sich offenkundig im Klaren darüber, dass dies eine rechtswidrige Diskriminierung bedeutet hätte. Am Gesetz vorbei sollen jedoch, so behauptet es jedenfalls Médiapart, informell bereits Anweisungen in diesem Sinne an größere Clubs wie Olympique Lyon und Olympique Marseille gegeben worden sein. Der technische Direktor des Dachverbands, Laurent Blaquart, wird seit Erscheinen des ersten Artikels zu dem Thema immer wieder mit den Worten zitiert: »Man kann, ohne es zu sagen, eine Art von Quote festlegen.« Zudem wurde noch eine Graphik publik, die mutmaßlich von Blaquart entworfen worden war und den Anteil von »Doppelstaatsbürgern« in den Jugendmannschaften verschiedener Vereine zeigt.
Diese Diskussion um die Spieler mit doppelter Staatsangehörigkeit verschmolz jedoch mit einer zweiten, bei der es um die künftig zu fördernden, körperlichen Eigenschaften der Fußballer ging. Die Quintessenz lautete: Bislang seien »athletische Züge«, also die Muskelkraft, bevorzugt worden, in Zukunft jedoch sollten lieber intelligentes Spiel und Technik gefördert werden. Diese jeweiligen Eigenschaften wurden dabei de facto mit der jeweiligen Herkunft und Hautfarbe von Spielern in Verbindung gebracht. Der Nationaltrainer Laurent Blanc wurde von Médiapart mit den Worten zitiert: »Und was gibt es an Großen, Kräftigen, Starken? Die Schwarzen. So ist das nun einmal. Und Gott weiß, dass viele in den Ausbildungszentren sind.« Aus anderem Anlass soll er auch Verantwortliche des spanischen Fußballverbands mit den Worten zitiert haben: »Die Spanier sagen uns: Wir haben keine Probleme. Schwarze haben wir nicht.«
Mit dem Kampf um den Vorsitz im Verband hat dies alles nichts zu tun – jedenfalls offiziell nicht. Einige Insider behaupten jedoch, der Zeitpunkt der Veröffentlichung der belastenden Dokumente in Médiapart hänge mit dem Machtkampf zusammen. Bewiesen ist dies jedoch nicht.
Zwei Anwärter konkurrieren in den nächsten Wochen offiziell um den Vorsitz der FFF: Fer­nand Duchaussoy, der den Posten bereits seit Juli vergangenen Jahres als Interimspräsident bekleidet, und sein Herausforderer Noël Le Graët. Dieser ist seit 2002 der mit den »wirtschaftlichen Angelegenheiten« betraute Vizepräsident der FFF. Le Graët wirft seinem Konkurrenten vor, nicht professionell genug in Wirtschaftsfragen zu handeln. »Die FFF ist ein Unternehmen mit 200 Millionen Euro jährlichem Umsatz und 240 Angestellten«, da könne man sich kein mangelndes unternehmerisches Denken leisten. Graët möchte den Verband gerne wie eine erfolgreiche Firma lenken. In den Jahren von 1991 bis 2000 hatte der Mann, der seit langem den Fußballverein »En avant Guingamp« (Vorwärts Guingamp) in der Bretagne leitet, dem Verband der Profifußballer vorgesessen. Duchaussoy hingegen führte von 2005 bis 2010 den Amateurverband, die Ligue du football amateur. Entsprechend unterschiedlich ist die Macht der beiden Männer.
Wenn der Wettbewerb um den Vorsitz entschieden ist, sind die Konsequenzen des jüngsten Rassismusskandals jedoch noch längst nicht ausgetragen. Ungefähr zum selben Zeitpunkt, voraussichtlich Mitte bis Ende Juni, wird das französische Sportministerium unter Chantal Jouanno seinen Abschlussbericht zu den diesbezüglich eingeleiteten Untersuchungen vorlegen. Bei der Präsentation des vorläufigen Untersuchungsergebnisses am 10. Mai hatte Jouanno vor der Presse gesagt, ihr Ministerium werde nicht die Justiz einschalten. Dennoch sprach sie von »Absichten, die an rassistische Entgleisungen grenzen«, und forderte den Dachverband dazu auf, unverzüglich eine »unabhängige Beobachtungsstelle für Diskriminierung, Rassismus und Kommunitarismus« einzurichten.