Katharina Hamann und Sebastian Kirschner im Gespräch über 20 Jahre Conne Island in Leipzig

»Spaß geht immer«

Das Conne Island wurde vor 20 Jahren im Leipziger Stadtteil Connewitz als Ort für Politik und Kultur erkämpft. Seitdem finden dort Konzerte und politische Veranstaltungen statt, es gilt als wichtiger Anlaufpunkt für die linke Szene. Zum 20jährigen Jubiläum gibt es ein Festprogramm mit Konzerten, Ausstellungen und Diskussionen, außerdem erscheint im Verbrecher-Verlag das Buch »20 YRS – Noch lange nicht Geschichte«. Die Jungle World sprach mit Katharina Hamann und Sebastian Kirschner vom »Projekt Verein e.V. Conne Island« über 20 Jahre Kulturbetrieb und Politik.

Welche Bedeutung hatte das Conne Island in seiner Gründungsphase?
Sebastian: Anfang der neunziger Jahre war es das erste und einzige linke Kultur- und Jugendzentrum in Leipzig und hat sich dann zu einem maßgeblichen linken Zentrum weit über die Stadt ­hinaus entwickelt. Damals war eine Freiraumkonzeption sehr wichtig. Wir hatten mit vielen Nazis auf der Straße zu tun, mit bekloppten Menschen in Institutionen, mussten uns da zurechtfinden – da wurde dann ein ganz klassisch linker Freiraum erkämpft. Es gab ein Haus und ein Gelände, wo Diskussionsabende und Konzerte veranstaltet werden konnten. Von diesem Startpunkt aus wurde ein politischer Standpunkt entwickelt.
Das Projekt ist unmittelbar nach dem Ende der DDR entstanden. Welche Einflüsse gab es damals durch die westdeutsche Szene, und welchen Einfluss hatten die DDR-Erfahrungen?
Katharina: Die Leute, die das Conne Island erstritten haben, kamen aus der DDR-Punkszene. Schon vorher wurden Punk- und Hardcorekon­zerte organisiert, und es gab Kontakte auch in den Westen und Ideen für ein autonomes Zentrum. Aber es ging nicht so sehr darum, dass etwas anders laufen muss, sondern darum, zu sagen: Wir müssen keine Konzerte mehr in der Kirche machen, wir haben keinen Bock mehr, uns ein­zumieten, sondern wollen unsere eigene politische Utopie leben. Die Entwicklung hatte letztlich eine eigene Dynamik und war keine Kopie des Westens.
Das Conne Island war dann auch bald ein Anlaufpunkt für internationale Bands, dadurch kamen sofort Diskussionen und etliche Einflüsse auf das Conne Island zu. Von Anfang an war es kein reiner Kulturschuppen und seit den Anfangstagen gab es im Laden ein Angebot für verschiedene Subkulturen und Musikrichtungen, nicht nur Hardcore und Punk, sondern auch Hip Hop und sehr früh Techno.
Das Conne Island entwickelte sich über die Jahre zu einem »Herz der progressiven Linken«. Wie seht ihr euch denn heute selbst?
Sebastian: Das ist natürlich eine Fremdbezeichnung. Davon gibt es einige. Meistens freuen wir uns darüber, selten sind sie völlig unzutreffend. Wir würden uns ganz banal als linkes Kulturzentrum bezeichnen, das schon politisch zielgerichtet, aber trotzdem breit aufgestellt ist. Es kommen nicht nur klassische Linke. Wir wollen auch Subkulturen und Menschen, die einfach nur tanzen wollen, einen Raum bieten.
Es gibt einen politischen Rahmen, den wir einst als antifaschistischen Grundkonsens umschrieben haben und der auch heute noch besteht. Darüber hinaus geht aber viel: Ob Lieblingstanzschuppen, der europaweit beste Ort für Oi!- und Skinheadkonzerte oder ein hervorragender Skateplatz. Das sind natürlich alles Definitionen, die wir richtig und wichtig finden.
Es gab immer wieder Kontroversen und Brüche in eurer Geschichte. Beispielsweise der Audiolith-Boykott ab 2008 oder die Absage des Vortrags von Justus Wertmüller im vorigen Herbst. Was würdet ihr selber als Brüche in der 20jährigen Geschichte bezeichnen?
Sebastian: Die beiden genannte Beispiele nun gerade nicht. Die Audiolith-Entscheidung ist enttäuschend, aber einen Bruch stellte sie nicht dar. Konflikte und Kritik gehören zum Conne Isalnd Alltag. Manche Debatten haben dazu geführt, dass wir uns gefetzt haben, aber das wird überbewertet. Wir würden eigentlich lieber auf Kontinuitäten verweisen. Wir finden, dass sich das Conne Island kontinuierlich weiterentwickelt hat. Bestimmte Elemente waren dabei immer wichtig. Das Element des einfachen Mitmachens, des po­litischen Engagements, dass man Leute fördert, die aufmucken wollen, ohne dabei aber die Kritik an Gesellschaft und Kultur auf der Höhe der Zeit zu vergessen. Wir wollten uns nie in der Nische des klassischen AJZ einnisten, aber ebenso wenig einfach nur ein Kulturzentrum sein, dem es darum geht, hohe Einnahmen zu machen.
Die größte Veränderung ist wohl, dass sich das Conne Island professionalisiert hat. Das hat sicherlich auch mit kulturindus­triellen Entwicklungen zu tun. Auch die linke und die linksradikale Szene haben sich natürlich verändert.
Wie meistert ihr den Spagat zwischen einem Kulturbetrieb, der auch eine Masse außerhalb der Szene bedienen will, und eurem eigenen politischen Anspruch?
Katharina: Für uns ist das gar kein Spagat, denn Spaß geht immer. Wir wollen, dass Menschen hier einfach Spaß haben können. Unser Anspruch ist genereller Art, und Kultur ist für uns auch nicht politikfrei. Wenn Leute hier aber einfach feiern wollen oder nur ein Bier trinken, dann ist das genauso Conne Island. Man muss keine Texte ge­lesen haben, um hier feiern zu können.
Für uns ist es eben nicht einerseits ein Kulturbetrieb und andererseits ein Politik­laden. Das Besondere ist, dass das hier einfach Hand in Hand geht. Die Politgruppen finden es auch gut, wenn sie nach dem Plenum noch auf ein Konzert gehen können.
Was sind denn zurzeit die größten Herausforderungen für das Projekt?
Katharina: Die größte Herausforderung ist, weiterzumachen und sich trotzdem zu verändern. Durch die verschiedenen Ladengenerationen wurden bestimmte Grundsätze weitergegeben, die Haltung gegenüber der Stadt und anderen Fördermittelgebern, zum Beispiel, war schon von Beginn an konfrontativ und pragmatisch zugleich. Natürlich hat sich auch die Musikindustrie verändert. Wenn Bands nur noch mit Konzerten Geld machen können, dann werden auch Konzerte teurer. In unserem gerade veröffentlichten Buch schildern wir einige Herausforderungen, mit denen wir oft konfrontiert sind.
Was sich nie verändert hat, ist euer Konzept der Basisdemokratie, es gilt nach wie vor das Konsensprinzip bei Entscheidungen. Gleichzeitig müsst ihr aber den Aufgaben eines modernen Kulturbetriebs gewachsen sein. Kann das heute noch funktionieren?
Sebastian: Das Konsensprinzip ist ein alternativloses Prinzip der Kommunikation für uns, und es ist wirklich existentiell. Wir treffen uns jeden Montag mit allen, die gerade das Conne Island gestalten wollen. Sowohl mit denen, die hier in ­einem Anstellungsverhältnis sind, als mit auch denen, die ehrenamtlich mitmachen.
Das ist manchmal haarig und dauert oft lange. Gerade wenn es um die politische Bewertung von Kultur geht, wird es oft sehr langwierig. Manchmal wird gestritten bis aufs Messer. Bisher hat das aber in fast allen Fällen funktioniert und trägt vor allem zur Stärkung dieses Projekts bei. Alle können dann nach einer Entscheidung diese ­erklären und verteidigen. Die wenigsten fühlen sich übergangen oder fremdbestimmt.
Katharina: Es gibt auch viel mehr Input. Wenn es nur zwei Leute wären, die Bands buchen, dann hätten wir niemals so ein breites Spektrum. Die Bandbreite an Genres hat unter anderem damit zu tun, dass hier so viele Leute eingebunden werden und mitmachen.
An welche Momente aus den vergangenen 20 Jahre erinnert ihr euch gerne zurück?
Katharina: Ich kann das individuell nicht ausmachen. Das Conne Island ist ein cooler Ort, an dem viel möglich ist. Es ist schon ganz schön verrückt, dass hier fast jeden Tag der Hof voll ist, Leute zum Skaten, Bier trinken und diskutieren kommen. Klar gab es nervenaufreibende Zeiten. aber die haben den Laden auch gestärkt und Leute politisiert und sind deshalb im Nachhinein gute Zeiten. Das Schönste am Conne Island ist eigentlich: alles.