Gandhi ist immer gut

Von den Piraten über die Linksjugend Eisenach bis zur NPD: Wann immer sich Anhänger einer wie auch immer gearteten politische Gruppierung gegenseitig Mut machen möchten, greifen sie zu dem Mohandas Karamchand Gandhi zugeschriebenen Spruch und tröten fröhlich: »Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.« Klingt schließlich sehr schick, der Spruch, und weil Gandhi draufsteht, auch wahr, denn das kennt man ja: Fernöstliche Weisheiten stimmen immer.
Wie im Internet üblich, hat natürlich keiner derjenigen, die den Slogan bei jeder auch nur halbwegs passenden Gelegenheit verbreiten, sich auch darum gekümmert, ob der Polit-Popstar wirklich sagte, was ihm zugeschrieben wurde, zum Beispiel, weil aufgefallen wäre, dass der Satz nicht wirklich zur Diktion von Gandhi passt. Was schade ist, denn ansonsten wäre jetzt der US-Gewerkschaftler Nicholas Klein zu spätem internationalem Ruhm gekommen. Denn während Gandhi den fraglichen Satz niemals geäußert hatte, erklärte Klein sehr wahrscheinlich im Jahr 1918 (einige Quellen geben allerding das Jahr 1914 an) in einer Grußad­resse anlässlich eines Kongresses der US-Gewerkschaften: »Und, liebe Freunde, in dieser Geschichte findet ihr die Historie unserer gesamten Bewegung wieder: Zuerst ignorieren sie dich. Dann machen sie dich lächerlich. Dann greifen sie dich an und wollen dich verbrennen. Und dann errichten sie dir Denkmäler. Und das ist genau das, was den vereinigten Arbeitern der Bekleidungsindstrie Amerikas passieren wird.«
Und trotzdem wird es im Internet auch weiter heißen: »Wie Gandhi schon sagte: …« Klingt ja auch besser als »Wie der Gewerkschafter Nicholas Klein schon schrieb...«