Der Rentenrebell

Zum Jahreswechsel hat der Einstieg in die Rente mit 67 begonnen. Für den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer schien mit dem Inkrafttreten der Reform endlich die Gelegenheit gekommen zu sein, in einem Interview mit Bild am Sonntag seine Bedenken zu äußern, schließlich sei es um die Chancen älterer Arbeitnehmer hierzulande nicht allzu gut bestellt. Seehofer forderte eine »breite öffentliche Debatte« über die Rente mit 67 und stellte klar: »Mit mir ist eine massenhafte Rentenkürzung nicht zu machen.« Besonders begeistert wurde der Auftritt des »Rentenrebells« nicht aufgenommen, weder von seinen Koalitionspartnern noch von den Medien. »Zu spät gebrüllt, Seehofer!« schrieb der Kölner Stadtanzeiger und machte damit lapidar auf das schlechte Timing des bayerischen Ministerpräsidenten aufmerksam. Die Rentenreform wurde bereits 2007 von der Großen Koalition beschlossen, damals hatte Seehofer allerdings noch keine Zweifel an dem Vorhaben erkennen lassen. Stattdessen hatte er Arm in Arm mit Franz Müntefering (SPD) die Vision einer verläss­lichen Alterssicherung bejubelt. »Seehofer ­attackiert Seehofer« kommentierte der Stern diesen bizarr anmutenden Sinneswandel, um anschließend festzustellen, dass Seehofer sich auf gewisse Weise aber auch treu geblieben sei: »Mal wieder macht er Stimmung gegen eine Sache, die er selbst beschlossen hat.« Bei der Welt zeigt man sich hingegen schwer beeindruckt von Seehofers Schnelligkeit, immerhin ist es ihm schon am ersten Tag des neuen Jahres gelungen, die »Koalitionspartner auf die Barrikaden« zu treiben. Marco Wanderwitz, der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, fand Seehofer zu schnell. Die Debatte komme zur »Unzeit«, schließlich würden erst 2029 tatsächlich Menschen mit 67 in Rente gehen. 2029 wird Seehofer 80 Jahre alt. »Die Alten bleiben auch länger jung«, stellte Ursula von der Leyen (CDU) fest. Zumindest für Seehofer dürfte das beruhigend klingen.