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In der vergangenen Woche war es wohl ziemlich ruhig in der Redaktion. Frisch zurückgekehrt aus dem Urlaub, fällt der Tischnachbarin zur Frage, ob man viel verpasst habe, nicht wirklich viel ein. Nur dass weniger Leute als sonst an den Sitzungen teilgenommen haben. Kein Wunder, einige waren auf der Buchmesse in Leipzig, andere im Rest der Republik unterwegs. Müde schaut er aus, der Kollege, der in Leipzig war. Obwohl er der festen Überzeugung ist, dass er am Abend seiner Rückkehr noch viel müder ausgesehen habe – da hat ihn allerdings niemand von uns zu sehen gekriegt. Sein blasser Teint könnte am Essen liegen, nach einer Woche, in der täglich Würstchen und Kartoffelsalat auf dem Speiseplan standen und literweise Kaffee geschlürft wurde, scheint es um seinen Vitaminhaushalt nicht allzu gut bestellt zu sein. Zum Glück war immerhin die Raucherlounge dermaßen ungünstig in der Messehalle platziert, dass ihm die Freude an der Zigarette fast gänzlich verleidet wurde. Für Rauchpausen wird er allerdings ohnehin kaum Zeit gehabt haben, schließlich durfte er den lieben langen Tag am Stand der Jungle World stehen und reden. Mit Illustratoren, mit Ostdeutschen, die ihm unsere »Die Ossis kommen«-Ausgabe förmlich aus der Hand rissen, mit Autoren und mit anderen Vertretern der Verlagsbranche. Und als unser Zeichner Wolfgang Buechs sein neues Buch »Zuhause während der digitalen Revolution« signierte, ging der Andrang erst so richtig los. Früher Feierabend war natürlich auch nicht drin, auf die Tage am Stand folgen in Leipzig die Nächte mit Partys. Der Kollege kann nun sämtliche Charthits der vergangenen drei Jahrzehnte mühelos mitträllern, was ihm sichtlich unangenehm ist. Aber vielleicht lässt sich dieses unfreiwillig erworbene Talent noch für einen spektakulären Auftritt bei unserer Jubiläumsgala nutzen. Auf Prominenz legt der Kollege aber ohnehin nicht viel wert, zumindest glaubt er nicht, auf der Buchmesse irgendwelche Berühmtheiten gesehen zu haben. Vermutlich kann er sich einfach nur nicht mehr richtig erinnern, schließlich lautet sein Fazit der Woche: »Je länger die Messe, desto früher der Wein.« Vielleicht ist so eine Messe aber auch einfach der falsche Ort, um die Prominenz in den Blick zu kriegen. Zu viele Menschen, zu viel Lärm, zu viele Scheinwerfer. Da hatte es die Tischnachbarin schon leichter, am idyllischen Heiligen See konnte sie schon kilometerweit vorher sehen, dass ihr Günther Jauch entgegenkommt. Aber weil sie ohnehin ständig irgendwelche früheren und zukünftigen Bundespräsidenten in Kaufhäusern und Kinos trifft, findet sie, ein Fernsehmoderator beim Sonntagsspaziergang sei nicht der Rede wert.