Im Zwielicht

In der Provinz ist das Kulturprekariat noch nicht angekommen. »Immer noch Kreuzberg? Immer noch kein Auto?« ruft der frühere Nachbar, als ich vor dem Supermarkt die Einkäufe im Fahrradkorb verstaue. Nachdem ich zustimmend genickt habe, steigt er kopfschüttelnd in seinen Mercedes. Die kleine Enkelin aus dem Haus gegenüber begrüßt mich wesentlich enthusiastischer, obwohl wir uns kaum kennen. »Bringst du mir ein Autogramm von Robert Pattinson mit?« Stirnrunzeln. »Kristen Stewart würde auch gehen.« Okay, es geht um »Twilight«. Wie ich erfahre, werde ich die beiden im Herbst bei der Premiere in Berlin treffen, schließlich arbeite ich bei der Zeitung. Während ich noch überlege, ob ich ihr den Unterschied zwischen Pressevorführung und Premiere erklären soll, hat die Kleine die Lage längst überblickt: »Dein Chef schickt dich nicht hin!« Ihr Ton schwankt zwischen fassungsloser Empörung und aufrichtigem Mitgefühl. »Vielleicht kennst du jemanden, der jemanden kennt, der uns beiden die Autogramme besorgen könnte?« Ich versichere ihr, dass ich mich umhören werde. Die Nachbarin von nebenan reicht zur Begrüßung die Hand über den Gartenzaun. Vermutlich weiß sie schon, dass ich ohne Auto in Kreuzberg hocke und keine Autogramme kriege. Sie erzählt, wie viel Freude ihr die Blumen bereiten. Als sie jünger war, habe sie Gartenarbeit noch lästig gefunden. »Kauf dir doch auch was mit Garten«, schlägt sie mir vor. Ich reagiere verhalten. Sie lächelt wissend und empfiehlt mir fürs Erste eine Wohnung mit Balkon. Nicht nur für die Freude im Alter, sondern auch als Wertanlage.