Auszug aus dem Buch »Zungenbrecher«

Wo widdn dei ha hi ho he?

Ein Ausflug in den deutschen Wortschatz.

Man könnte trübsinnig werden, wenn man in den gängigen Sammelbänden und auch in den entsprechenden Internetforen immer wieder den gleichen abgedroschenen Oldies unter den Zungenbrechern begegnet – fliegenden Fliegen, robbenden Robben, kriechenden Griechen, wohlgeschlissenen Schleißenscheiten, badenden Baden-Badener Damen oder dem Braunbier brauenden Bierbrauer Bauer; ganz zu schweigen von den noch viel bekannteren und noch weniger originellen Evergreens aus der Umgebung der Wiener Waschweiber und des unvermeidlichen Fischersfritzen. Unter diesen Umständen wirkt bereits die anspruchslose Mitteilung, dass Esel keine Nesseln äßen, ebenso erfreulich wie der relativ selten zu beobachtende Flugplatzspatz, der auf dem Flugplatz beziehungsweise auf dem Flugblatt Platz nimmt. Gelegentlich rafft sich der Volksmund auch dazu auf, die eine oder andere annehmbare Variante eines zungenbrecherischen Klassikers hervorzubringen:

Grießbrei bleibt Grießbrei, und Kriegsbeil bleibt Kriegsbeil.
Plättbrett bleibt Plättbrett, und Brotlaib bleibt Brotlaib.

Apropos Brot: Es gibt einen reinen, wenn auch nicht stubenreinen Schüttelreim, den sich speziell die Störer der Kundgebungen von Rechtsextremisten einprägen sollten, denn er lässt sich gut skandieren, und er ist stark genug, um jeden glatzköpfigen Volksredner an den Rand der Verzweiflung zu treiben:

Du musst dein Brot schön kaun,
dann wird dein Kot schön braun.

Doch zurück zu den Klassikervarianten. Man kann das Spiel mit ihnen noch etwas weitertreiben:

Spucknapf bleibt Spucknapf, und Schluckspecht bleibt Schluckspecht.
Schaschlick bleibt Schaschlick, und Schicksal bleibt Schicksal.
Chakra bleibt Chakra, und Rikscha bleibt Rikscha.
Kronprinz bleibt Kronprinz, und Prittstift bleibt Prittstift.
Bratklops bleibt Bratklops, und Kroppzeug bleibt Kroppzeug.
Plockwurst bleibt Plockwurst, und Preissturz bleibt Preissturz.
Sintflut bleibt Sintflut, und Zinsfuß bleibt Zinsfuß.
Tripolis bleibt Tripolis, und Klitoris bleibt Klitoris.
Bizeps bleibt Bizeps, und Blitzschach bleibt Blitzschach.

Und Mainz bleibt Mainz. Es wäre möglich, beliebig lange so fortzufahren, doch binnen kurzem verliert auch dieser unschuldige Zeitvertreib seinen Reiz, und man sehnt sich nach anderen Tönen und überraschenderen Wendungen, die das Spiel mit der Sprache hergibt. Komische Wirkungen können dabei auch Sätze entfalten, die einem leicht über die Zunge gehen:

Er isst Apfel, sie ’ne Apfelsine.
Hab’ ich nun ’n Habicht oder hab’ ich ’n Huhn?
Selten ess ich Essig; ess ich Essig, ess ich Essig mit Salat.

Wieder etwas anders sieht es mit den netten Zungenbrechern aus, die das Volk in unzähligen Variationen erzeugt hat, ohne einen Gedanken an die Frage zu verschwenden, ob in der Nettigkeit nicht auch etwas zu viel von der Ödnis eines misslungenen Kegelabends mitschwingen könnte, an dessen Ende die leicht angetrunkenen Teilnehmer die Stimmung mit heiteren Wortspielen anzuheizen versuchten. Zum Beispiel mit diesen hier:

Schnecken erschrecken, wenn Schnecken an Schnecken schlecken, weil zum Schrecken vieler Schnecken Schnecken nicht schmecken.
Mischwasserfischer heißen Mischwasserfischer, weil Mischwasserfischer im Mischwasser Mischwasser­fische fischen.
Die Boxer aus der Meisterklasse boxten sich zu Kleistermasse, und aus dem ganzen Massenkleister erhob sich stolz der Klassenmeister.

Darüber kann man, wenn man nicht ganz und gar anspruchslos ist, ungefähr ein halbes Mal schmunzeln, bevor man sich dazu entschließt, Zungenbrecher dieser gekünstelten Bauart aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Sie bewegen sich auf dem gleichen humoristischen Niveau wie die Aufforderung: »Lies nicht die Witze an der Wand, den größten hältst du in der Hand.« Es handelt sich um minderwertige Ware für unbedarfte Erstleser.
Wer sich auf die langwierige Suche nach feinerer beziehungsweise schärferer Kost begibt, der wird sich vielleicht schon freuen, wenn er zwischen den allgegenwärtigen Zwetschgenzweigen und Whiskymixern etwas weniger Abgelutschtem begegnet:

Schwarze Schmeißfliege frisst frisches Fischfleisch.
Ingrid impft Igel im Innenhof.
Die borkige Rinde der breitblättrigen Linde bröckelt leicht ab.
Der Metzger wetzt das Metzgermesser mit des Metzgers Wetzstein.
Auf einem russischen Passagierschiff jammte ein tschechischer Swing-Jazz-Session-Cellist.
Ein chinesischer Chirurg schenkt tschechischen Skifreunden frischgebackene Shrimps.

Ganz niedlich ist auch der folgende Schüttelreim:

Auf der Liebesreise
sprach der Leibesriese:
»Bitte, reib’ es, Liese«,
und sie rieb es leise.

Aber es wäre doch sonderbar, wenn die deutsche Sprache keine Zungenbrecher zu bieten hätte, die es an Pracht mit den hochmittelalterlichen Merseburger Zaubersprüchen aufnehmen könnten. Einst, so heißt es sinngemäß in dem ersten Spruch, setzten Frauen sich nieder, hier und dort; einige banden Fesseln, einige hielten das Heer auf, und einige lösten die Fesseln: »Entspringe, Gefangener, den Fesseln und entweiche den Feinden!« Die Aussicht, den althochdeutschen Originaltext vortragen zu müssen, würde wohl selbst so manchem gestan­denen Nachrichtensprecher den Schweiß auf die Stirn treiben:

Eiris sazun idisi sazun hera duoder suma
hapt heptidun suma heri lezidun suma clu
bodun umbi cuonio uindi insprinc hapt
bandun inuar uigandun.

Waghalsige Wendungen weist auch die spätmittelhochdeutsche Dichtkunst auf, deren bedeutender Vertreter Oswald von Wolkenstein in einem nahezu sinnfreien Silbengeturtel das Entzücken über den roten Mund einer Geliebten wiedergegeben hat:

Luntzlot muntzlot kluntzlot und zysplot wysplot
freuntlich sprachen
auss waidelichen guten rainen sachen
sol dein pösschelochter rotter mund
der ser mein hertz lieplich hat erzunt …

In seinem Gedicht »Das große Lalula« hat sich der Dichter Christian Morgenstern dann die Freiheit herausgenommen, einmal vollkommen sinnlos irgendwas zu stammeln und zu lallen:

Kroklowafzi? Semememi!
Seiokronto pafriplo:
Bifzi, bafzi! Hulalemi:
quasti basti bo …
Lalu lalu lalu lalu la!

Der Lyriker August Stramm, ein Zeitgenosse Morgensterns, hat seine Muttersprache auf eine ganz andere Weise verhackstückt; nicht spielerisch und fröhlich, sondern wütend, in expressionistischer Manier, um das unvorstellbare Grauen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs sprachlich abzubilden. »Knattern schrillen / Knattern hieben / Knattern stolpern / Knattern / Übertaumeln / Gelle / Wut / Der Blick /  Spitz / Zisch«, dichtete Stramm, und er suchte bis zu seinem Tod nach noch genauer treffenden Formulierungen für das Kriegserlebnis. »Glotzenschrecke Augen brocken wühles Feld« – so lautet eine von Stramms Schlachtbeschreibungen, denen wir als Nachgeborene mehr über das mörderische Kriegsgeschehen entnehmen können als allen Akten aus den Beständen der Reichswehr.
Das Erlebnis des Kampfs im Schützengraben hat der Dichter Ernst Jandl in die primitivste und damit auch am besten angemessene aller möglichen Formen zu bringen versucht, indem er sich auf die Geräusche konzentrierte, die den Frontsoldaten zu Ohren gekommen waren:

schtzngrmm
schtzngrmm
t-t-t-t
t-t-t-t
grrrmmmmm
t-t-t-t
s-c-h
tzngrmm
tzngrmm …

Jandl war es damit ernst. Als ausgebuffter Sprachspieler hätte er jedoch gewiss auch nichts gegen das Experiment einzuwenden gehabt, den Literaturpreisen, mit denen er ausgezeichnet worden ist, spaßeshalber die Vokale zu entziehen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Schwerer ist es schon, es vorzulesen:

Hrsplprs dr Krgsblndn
Grg-Trkl-Prs
strrchschr Wrdgngsprs
Mnskrpt-Prs ds Lnds Strmrk
ntn-Wldgns-Prs dr strrchschn Indstr
Grßr strrchschr Sttsprs
Grg-Bchnr-Prs
Prs dr Dtschn Schllplttnkrtk
hrnmdll dr Bndshptstdt Wn n Gld
Ksslr Ltrtrprs fr grtskn Hmr
Dtschr Klnknstprs
Frnkfrtr Hrsplprs
Ptr-Hchl-Prs
strrchschs hrznzchn fr Wssnschft nd Knst
Frdrch-Hldrln-Prs
hrnzchn ds Lnds Strmrk
Grßs Gldns hrnzchn fr Vrdnst m d Rpblik strrch

Die Gegenprobe ist auch nicht ganz uninteressant. Ohne Konsonanten lesen sich Ernst Jandls Literaturpreise folgendermaßen:

öiee e ieie
eo-a-ei
Öeeiie üiuei
auiei e ae eiea
Ao-ia-ei e öeeiie Iuie
oe Öeeiie aaei
eo-üe-ei
ei e eue aaeii
Eeeaie e ueaua ie i o
aee ieauei ü oee uo
eue eiuei
aue öieei
ee-ue-ei
Öeeiie Eeeie ü iea u u
iei-öei-ei
Eeeie e ae eiea
oe oee Eeeie ü eiee u ie eui Öeei

Das dürfte zwar so ungefähr den Tönen entsprechen, die ein ungeschulter Jünger der Kunst des Barfußlaufens auf glühenden Kohlen hervorbringt, aber es ist unverkennbar reine Poesie.
An diese Reinheit reichen auch manche Lautgebilde aus den Niederungen des deutschen Sprachraums heran: aus den Mundarten, in denen jahrhundertelang aneinander gewöhnte Dorfnachbarsfamilien kommunizieren können, während ihre Aussagen ortsfremden Landsleuten, die im Prinzip doch mit der gleichen deutschen Muttersprache aufgewachsen sind, vollkommen unverständlich bleiben müssen:

Harr’k ’n Hark hatt, harr’k harken künnt.

So lautet auf Plattdeutsch der Satz: »Hätte ich eine Harke gehabt, hätte ich harken können.« Noch etwas hakliger wird es, wenn ein norddeutscher Kleingärtner behauptet, dass er geharkt hätte, wenn er eine Harke gehabt hätte, und dass er gehackt hätte, wenn er eine Hacke gehabt hätte:

Harr’ck ’ne Hark hat, harr’ck harkt hat.
Harr’ck ’ne Hack hat, harr’ck hackt hat.

Und dann gibt es natürlich auch Laute, die ähnlich klingen, aber an der Nordseeküste etwas völlig anderes bedeuten als zum Beispiel in der Pfalz. Ein Friese, der durch die Vordertür hindurchkommt (»dör de Vordördöör dör«), könnte in seinen eigenen vier Wänden so gut wie nichts mit der pfälzisch artikulierten Warnung anfangen, dass ihm sein unzureichend bewässerter Kaktus verdorren werde:

Wenn de deun Kaktus nit gießt, donn verderr der der.

Auf taube Ohren würde in Friesland überdies der Einwand eines Niederbayern stoßen, dass der arme Kaktus seinem Eigentümer auch an einem anderen Platz vertrocknen werde:

Do dadada aa dadiirn!

Wiederum aus der Pfalz stammt die berühmt gewordene Auskunft der Verkaufskraft eines Geschäfts, das zwar Hämmer führt, aber keine Hemden:

Hemmer hem mer, aber Hemmer hem mer kaee.

Vielen Ausländern fällt ja bereits das Erlernen des Hochdeutschen schwer genug. Selbst wenn sie es auf sich genommen haben, in Abendkursen eine exzellente Deutschkenntnis zu erwerben und sie jahrelang zu perfektionieren, werden sie vor einem teekesselartigen Rätsel stehen, sobald sie in der Pfalz den feinen Unterschied zwischen »Hemmer« und »Hemmer« heraushören sollen. Und noch nach zwanzig Semestern Germanistik an der Sorbonne oder in Oxford wäre es ihnen so gut wie unmöglich, den Sinn der folgenden Aussage zu entschlüsseln:

Lu mo loa, do leira doch.

So klingt es, vertrauenswürdigen Ohrenzeugen zufolge, wenn jemand im Saarland sagen will: »Sieh einmal dorthin, da liegt er doch.«
Mit unüberwindbaren Verständnishürden haben die Deutschen ihren Dialekt auch andernorts durchsetzt. Die schlichte, von einem Enkelkind an seine Großmutter gerichtete Bitte, noch einmal die Schallplatte mit dem Schlager »La Paloma« auflegen zu dürfen, nimmt sich in der rheinländischen Mundart aus wie das Gebrabbel eines Zechbruders, der sein Gebiss verloren hat:

Oma, lo ma noma »La Paloma« lope lote.

Und wenn im Sauerland, wo so etwas vorzukommen scheint, ein Bauer mit der Uhr über die Mauer gekrochen ist, verzeichnet der lokale Volksmund diesen Vorgang in einer Weise, die Zugereiste radikal ausgrenzt:

De Biuer kräug mit der Iuer öwwer de Muier.

Was das bedeuten könnte, wäre nicht zu begreifen, wenn man es nicht erklärt bekäme, sei es als Deutscher oder als ausländischer Germanist.
Angeführt sollte in diesem Zusammenhang auch der scheußliche hessische Zungenbrecher werden, in dem es um ein Würmchen geht, das mit einem Schirmchen unterm Ärmchen auf einem Türmchen sitzt, als ein Stürmchen aufkommt, das das Würmchen mit dem Schirmchen unterm Ärmchen vom Türmchen wirft:

Sitzt e Wermsche uff ’m Termsche mit ’em Schermsche unnerm Ermsche. Kimmt e Stermsche, werft des Wermsche mit ’m Schermsche unnerm Ermsche vom Termsche.

Wer außerhalb von Hessen aufgewachsen ist, der könnte aus manchen Äußerungen der Einheimischen einen ostasiatischen Dialekt heraushören:

Kenn, gied eren, hei henn san noch mi Kenn hen.
Wo widdn dei ha hi ho he?

Beides ist Deutsch, wie man es in Hessen spricht. Ersteres bedeutet: »Kinder, kommt herein, hier drinnen sind noch mehr Kinder zugegen.« Und letzteres: »Wo willst du dein Heu hier hinhaben?«
Verwirrend wirkt sich zudem der Umstand aus, dass so mancher Gegenstand viele verschiedene Namen tragen kann, die bei weitem nicht alle im Duden stehen. Allein der Schnuller, beispielsweise, heißt mal und mal so und dann wieder vollkommen anders, je nach Region: Nuckel, Proppen, Stöppel, Zulp, Zütz, Bätz, Föpp, Nuttel, Noller, Zapfen, Luppe, Schlotzer, Päpper, Nucki, Batzer, Dietzel oder Dutzel. Oder das Brotende – zwischen Rügen und Lörrach hört es auf so unterschiedliche Namen wie Kanten, Knust, Korste, Kappe, Kuppe, Knietzchen, Fieze, Ränftel, Rindel, Krüstchen, Kürstchen, Knäustchen, Knörzchen, Knörzel, Krüstel, Ärschel, Gickel, Riebele, Scherzel und Kipf, und das ist bei weitem noch kein vollständiges Register. Bisweilen weichen die Bezeichnungen für eine und dieselbe Sache sogar schon von Dorf zu Dorf geringfügig bis eklatant voneinander ab. Für dieses Phänomen sind besonders der Vogelsbergkreis und das sogenannte Schlitzerland berüchtigt, seit der Dichter F. W. Bernstein sich den Spaß erlaubt hat, in seinem Kurzdrama »Das Landexamen« einen Prüfling vorzuführen, der vor seinem Umzug in den Vogelsberg einen amtlich vorgeschriebenen Vokabeltest bestehen muss. Der Mann versagt jedoch bereits bei der Aufgabe, sich an die verschiedenen Namen für das Mutterschwein zu erinnern: In Angersbach heißt es »Dack«, in Maar, Stockhausen und Meiches »Dock«, in Herbstein, Ilbeshausen, Volkartshain und Freiensteinau »Freckelsau« und in Ullrichstein »Mock«. Katastrophale Folgen hat am Ende der Versuch des Kandidaten, den Begriff »morgen nachmittag« in die je­weilige Ortssprache zu übersetzen: In Stockhausen wäre »mornze-unnen« korrekt, in Angersbach »monnochmiddoag«, in Ilbeshausen und Freiensteinau »mornzonnen«, in Metzlos-Gehaag »mornzemiddag«, in Maar »monze-nochmiddäg« und in Herbstein »mornoachmid­doag«. Danach gelingt es ihm nicht mehr, den Satz »Vorgestern nachmittag ist unsere Großmutter mit den Zigeunern fort« ins Ullrichsteinische zu übersetzen, denn seine Zunge sträubt sich, und er bringt bloß noch Gestammel hervor: »Innechnächzeon … «, »Innechnächzeon-­nächin nechzeon-zenächte … «, »Innennechzeon-nächze … « Woraufhin der Prüfer zum Telefon greift und das Einwohnermeldeamt alarmiert: »Ein schwerer Fall. Bitte holen Sie ihn ab. Er muss sofort wieder in die Großstadt eingeliefert werden.«
Leichter wäre diesem Kandidaten das Examen auch im Schwabenland nicht gefallen, wo der Hinweis, dass man es nun ebenfalls schon halbwegs aufgegeben habe, folgendermaßen zur Sprache gebracht wird:

I hao’s ao schao gao lao.

Schwaben, die irgendwelche Gestalten bei ihrem undurchsichtigen Treiben in einer Tannenschonung beobachten, legen sich die Frage vor:

Wa dennd denn dia do danne en dene Dennele danna?

Vergleichsweise simpel nehmen sich dagegen die populärsten schwäbischen Zungenbrecher aus, die besagen, dass ein Gartentürchen unangenehm grün angestrichen sei, dass man ein klebriges Bonbonpapier vor sich habe und dass in der Nähe von Blaubeuren ein Klötzchen Blei liege:

A oagnehm grea ogschdriches Gardederle.
Ä verbäbt’s Gutzlespabiergickele.
Glei bei Blaubeira leit a Gletzle Blei.
Vertrackter verhält es sich mit der Geschichte, in der sich jemand dazu bekennt, dass er einmal jemanden gekannt habe, der eine gekannt habe, die ein Kind gehabt habe, aber nicht von jenem Bekannten, denn der habe nichts mehr von ihr wissen wollen; sie habe noch einen anderen Mann gekannt, der noch kein Kind gehabt habe, und von dem habe sie das Kind gehabt, und wenn sie den nicht kennengelernt hätte, dann hätte auch sie kein Kind gehabt. Und nun das ganze auf Schwäbisch:

I han amol oin kennt g’hett, der hot oine kennt g’hett, die hot a Kend g’hett. Des hot se aber ned von sellem g’hett, der hot se nemme kennt g’hett. Sui hot no an andra kennt g’hett, der hot no koi Kend g’hett, von dem hot se des Kend g’hett. Wenn se den ed kennt g’hett hätt, no hätt se au koi Kend g’hett.

Belastungen, die die Elternschaft mit sich bringt, kommen auch in einer badischen Redewendung zu einem angemessen komplizierten Ausdruck:

Chlaini Chindre chlai Chrüz, großi groß Chrüz.

Kleine Kinder, kleines Kreuz beziehungsweise kleine Sorgen; große Kinder, große Sorgen: Davon könnten auch bayerische Eltern ein Lied singen, wenn sie nicht schon mehr als genug damit zu tun hätten, ihren Kindern einzuschärfen, dass sie einen Eichhörnchenschwanz mit Vitriolöl für zwei Pfennig einölen müssten:

An Oachkatzlschwoaf muast mid umaran zwoaring Vitrioiöi eiöin.

So hatte es die Tradition jedenfalls bis zur Einführung des europäischen Währungssystems vorgeschrieben.
Unmittelbar vor dem Grenzübertritt in die deutschsprachigen Nachbarländer sollte hier zu guter Letzt auch noch ein sächsisches Bonmot Erwähnung finden:

Dor Bäggor baggd Bredchn, dor Bassdor dud bredchn.

In einem Landstrich, wo der Bäcker die Brötchen backt und der Pastor predigen tut, scheint die vorindustrielle Gesellschaftsordnung immer noch so gut intakt zu sein wie in den Gefilden Österreichs, in denen es sich von selbst versteht, dass eine Müllerstochter sowohl eine Mehlnudel-Lade als auch eine Nähnadel-Lade ihr eigen nennt:

A Müllamadl hot a Möhnudlladl und a Nahnodlladl a.

Im Umlauf befindet sich auch die Mitteilung einer aus Niederösterreich stammenden Person, dass ihre Großmutter sowohl eine Nadel-Lade als auch eine Nähnadel-Lade besitze:

Mei Ural hot a No’l-lal und a Nahno’l-la’l a.

Aus dem gleichen Sprachgebiet ist uns die Rechnung überliefert worden, dass zwanzig zerquetschte Pflaumen und zwanzig zerquetschte Pflaumen insgesamt vierzig ergäben:

Zwanz’g z’quetschte Zwetschk’n und zwanz’g z’quetsch­te Zwetschk’n san vieazk z’quetschte Zwetschk’n.

Nach allem, was man so hört und liest, ist demgegenüber in Oberösterreich vor allem der Ausdruck »Ödögidöggi« im Schwange (für »Öltigeldeckel«), und in Tirol wird die Erkundigung, ob ein bestimmter Mensch denn jetzt gleichfalls herunterkomme, in die knappen Worte gefasst:

Kimmscht e a oui?

Wer wollte, wenn er etwas derartig Schnuckeliges vernommen hat, nicht so schnell wie möglich von wo auch immer herunterkommen, um unten sein Soll zu erfüllen?
Behäbiger als in Deutschland und in Österreich vollzieht sich das Leben in der Schweiz, obwohl deren Bewohner ihrer Zunge mehr abverlangen als alle anderen Mitglieder der deutschen Sprachgemeinschaft, die zum Verschlucken von Konsonanten neigt. Die Schweizer unterziehen sich ohne weiteres der Mühe, aus Rachen und Gaumen die absonderlichsten Wortgebilde entstehen zu lassen: »Möuchmäuchterli« (Milchkessel aus Holz), »Chläberli« (Klebestreifen), »Chlüpperli« (Wäscheklammern), »Chlütterli« (Bastler), »Chnöpfli« (Spätzle), »Chnüüschlotteri« (weiche Knie), »Chrotte­pösche« (Löwenzahn), »Ofechüechli« (Windbeutel), »Schliifschüendle« (Eislaufen), »Sprützchanne« (Gießkanne), »Stinkrüebli« (Zigarette), »Tschütterlichaschte« (Tischfußball), »Tüttichräze« (Büstenhalter) und »Unterpöpsli« (Unterhose). In dieser zuckrigen Sprache wirkt nicht einmal die Nachricht bestürzend, dass sich die Katze in den Küchenschrank erbrochen habe:

Die Chatz chat ins Chuchichäschtli chechözelet.

In der Schweiz hat man ganz andere Sorgen. Dort empfiehlt man unruhigen Zeitgenossen, sich nach Gümlingen zu begeben und dort festzustellen, ob ein gewisser Gottfried Gugger Karamel kaufe:

Gang geng gredi gäge Gümlige ga güggele, gob Guggers Gödeli geng ga Garamell gänggele geit.

Oder ob ein Gewitter über Zürich hinweg­brause:

Blitzt’s z’mitz’s z’ Züri?

Oder ob in Rheinfelden eine rohe Rehleber unter der rechten Rheinbrücke liege:

Z’ Rhyyfälde under der rächte Rhyybrugg liit e rauhi Rehläbere.

In Luzern ist sogar schon die These aufgestellt worden, dass drei runde Röhrchen und drei runde rohe Rehlebern vonnöten seien, um die Leute zum Reden zu bringen:

Drüi rundi roui Röhrli und drüi rundi roui Rehläberli lehre d’ Lüüt rächt rede.

Verfeinert worden ist dieser abseitige Gedanke in einem Zungenbrecher, der darauf hinausläuft, dass die Menschen ihre Aussprache mit Hilfe dreier dünner, dürrer, langer, leerer und hohler Rohre auf der Rapperswiler Brücke am Züricher See verbessern könnten:

Uf de Rapperswiler Brugg schtönd drü dünni, dürri, langi, lääri, hohli Röhrli, und dur die drü dünni, dürri, langi, lääri, hohli Röhrli lehred d’ Lüüt rächt rede.

Wenn es so wäre, dann wäre trotzdem nichts gegen einen Krankentransport in die nächstgelegene Großstadt einzuwenden, in der man Hochdeutsch spricht.

Gerhard Henschels kleines Kompendium der Zungenbrecher enthält neben Beispielen aus dem Deutschen, Französischen und Englischen (»If two witches would watch two watches, which witch would watch which watch?«) auch solche aus Finnland, Tschechien, Ungarn, der Türkei, China und vielen anderen Ländern.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus: Gerhard Henschel: Zungenbrecher. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012, 128 Seiten, 17,99 Euro. Das Buch ist soeben erschienen.