Kristina Schröder, die Antifeministin

Kinder, Küche, Kaviar

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ist stets auf der Suche nach neuen Feindbildern. Mittlerweile hat die Ministerin auch den Feminismus als Feind ausgemacht und sorgt mit ihrem Buch »Danke, emanzipiert sind wir selber!« für Aufregung.

Dass Kristina Schröder (CDU) sich nicht für Gleichstellungspolitik interessiert, ist kein Geheimnis. Der Unterhaltungswert ihrer Politik ist denn auch größer als der Ertrag ihrer bisherigen Arbeit. Ewig in Erinnerung bleiben wird wohl ihre Definition von Rassismus. Dazu zähle auch, wenn Jugendliche als »deutsche Schlampen« oder »deutsche Kartoffeln« bezeichnet würden, erklärte sie vor zwei Jahren. Spätestens mit dieser Warnung vor deutschenfeindlichen Muslimen fand die Bundesfamilienministerin einen Platz im Herzen politikverdrossener Bürger.
Für Differenzierungsfähigkeit war Schröder dagegen nie bekannt. Als Ministerin war ihre erste politische Handlung die verbindliche Einführung der »Demokratieerklärung«, besser bekannt als Ex­tremismusklausel. Wer sie nicht unterzeichnet, erhält keine Fördergelder des Familienministeriums – die dann an Projekte wie »Dortmund den Dortmundern« gehen, in dem »normale« Jugendliche und Neonazis gemeinsam Demokratie lernen sollen. Ebenfalls verantwortlich ist Schröder für die Entscheidung, auch Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus zu fördern. Denn gerade der Linksextremismus, so behauptet eine von ihrem Ministerium geförderte Publikation für den Politikunterricht, propagiere undemokratische Gleichheitsvorstellungen.

Gerechtigkeit hat auf keinen Fall etwas mit Chancengleichheit zu tun – diese Überzeugung liegt auch Schröders Dissertation mit dem Titel »Gerechtigkeit als Gleichheit« zugrunde, wie der Informatiker Hadmud Danisch in seinem Blog »Forschungsmafia« aufzeigt. Ausgehend von einem kolportierten Zitat des ehemaligen mecklenburgischen Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (SPD), demzufolge »die Ostdeutschen« lieber trockenes Brot essen würden als solches mit Margarine, wenn andere Kaviar dazu bekämen, untersucht die Arbeit die Gerechtigkeitsvorstellungen von CDU-Abgeordneten im Vergleich mit denen einfacher Parteimitglieder. Das wenig überraschende Ergebnis: Größtmögliche Gleichheit ist kein politisches Ziel der Christdemokraten. Für Schröder ist es völlig legitim, dass es für die meisten nur Margarine gibt, so lange die Leistungsträger sich Kaviar aufs Brot schmieren können.
Mit dieser Argumentation lässt sich auch die strukturelle Diskriminierung von Frauen verteidigen. Denn darum geht es in ihrem Buch »Danke, emanzipiert sind wir selber«, das die Ministerin in der vorigen Woche vorstellte. Schröder kennt natürlich die Fakten. Sie weiß, dass Frauen weniger verdienen als Männer, dass sie in wichtigen Positionen nicht gleichberechtigt vertreten sind, dass meist sie es sind, die weniger Rente erhalten, wenn sie wegen der Kinder zu Hause bleiben. Ändern möchte sie das – wenn überhaupt – aber nicht durch bessere Rahmenbedingungen, sondern ausschließlich durch die Aufgabe des »von Feministinnen befeuerten Diktats der Rollenbilder«, denn »Frauen werden von beiden Seiten für das jeweilige gesellschaftspolitische Anliegen in die Pflicht genommen: von Strukturkonservativen als Bollwerk zum Schutz der Familie, von Feministinnen als Bodentruppen im Kampf für die Gleichheit von Frau und Mann«.
Schröders politisches Ziel lautet: Frauen sollen nicht mehr bevormundet werden, sondern frei entscheiden können, ob sie Kinder, Karriere oder beides wollen. Zur Frage, was die Entscheidungsfreiheit nützt, wenn Mütter immer noch große finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen, fällt der Ministerin wenig ein. Jede Entscheidung bringe eben auch Nachteile mit sich, dafür habe man dann ja viel Zeit mit dem Kind, sagte die Politikerin im »Morgenmagazin« des ZDF. Die Politik müsse solcherlei Entscheidungen respektieren. »Hören wir auf, darüber zu streiten, wie Menschen leben sollen. Fangen wir an, darüber zu reden, wie wir leben wollen – als Partner, als Eltern, als Berufstätige«, heißt es salbungsvoll im Buch, das Schröder gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Caroline Waldeck geschrieben hat.

Das Private ist privat und soll nicht politisch werden. Jeder und jede ist für sich selbst verantwortlich. Der Staat darf keine lenkende Funktion übernehmen, allenfalls eine pädagogische, wie Schröder im Gespräch mit EU-Kommissarin Viviane Reding in Hinblick auf ihre »Flexi-Quote« erklärt: »Ich will, dass die Unternehmen sich damit auseinandersetzen müssen, wie sie den Frauenanteil konsequent erhöhen. Wenn sie die selbstgesteckten Ziele nicht erfüllen, soll es Sanktionen geben.« Wo kämen wir denn hin, wenn die Politik den Unternehmen etwas vorschriebe?
Ebenso wenig soll der Staat für die Emanzipa­tion der Geschlechter eintreten. Schließlich möchte Schröder nicht die »Gouvernante der Nation« sein. Trotzdem berichtet sie immer wieder gern von den eigenen Erfahrungen, die anderen Frauen Mut machen sollen. So habe Angela Merkel sofort Verständnis gezeigt für ihre Entscheidung, ein Kind zu bekommen. Wenn ich das schaffe, können das andere auch, bedeutet das. Und wenn nicht, nun, es können eben nicht alle Kaviar essen. Dass nicht alle Frauen bei ihrer Chefin mit Verständnis rechnen können, dass nicht alle einen Ehemann haben oder wollen, dass nicht alle der Meinung sind, »Zeit mit dem Kind« wiege prekäre Lebensverhältnisse auf, interessiert Schröder nicht.

Viele ihrer Thesen lesen sich wie dem Lehrbuch des Antifeminismus entnommen. Frauen und Männer seien eben unterschiedlich und würden es immer bleiben. Der Ruf nach Gleichheit sei deshalb ein Ruf nach Gleichschaltung und entspreche dem Machtbedürfnis der »feministischen Lobby«: »Feministinnen erheben ein Rollenbild, das sie für sich selbst als vorzugswürdig erkannt haben, zum Rollenleitbild, das für alle gelten soll, und ziehen damit in den Kulturkampf um das richtige Frauenleben.« Sexismus existiert in Schröders Weltbild überhaupt nicht: »Man darf die Warnung vor der Degradierung der Frau zum Objekt männlicher Sexualität wohl getrost vor allem als raffinierte Form feministischer Herrschaftssicherung im öffentlichen Diskurs interpretieren.«
Als Maßnahme im Sinne der Wahlfreiheit von Frauen versucht Schröder auch das Betreuungsgeld zu verkaufen, das die CSU den Koalitionspartnern abzupressen versucht. 1,2 Milliarden jährlich soll die Reform kosten, die weder in der CDU noch in der FDP eine Mehrheit hat, Geld, das beim Ausbau der Kinderbetreuung besser untergebracht wäre. Dass das Betreuungsgeld sämtlichen Bemühungen im Weg steht, die Chancengleichheit aller Kinder zu verbessern, ist Schröder durchaus bewusst. Ihr Gegenmittel besteht darin, die Auszahlung an ärztliche Pflichtuntersuchungen zu knüpfen. Erziehen soll der Staat sein Volk dann doch. Selbst so konservative Frauen wie die Schauspielerin Uschi Glas sehen nicht, wie das der Entscheidungsfreiheit von Frauen dienen soll. »Das Betreuungsgeld halte ich auch für die Frauen für einen Rückschritt. Zum einen werden sie aus ihrem beruflichen Werdegang herausgerissen, zum anderen werden sie in der Zukunft benachteiligt – etwa durch nicht geleistete Zahlungen in die Rentenkasse und folglich eine geringere Altersversorgung«, sagte die CSU-Anhängerin dem Spiegel.

Gleich zwei Internet-Kampagnen kritisieren die Ministerin nun – und könnten tatsächlich genügend Druck aufbauen, um Schröder aus dem Amt zu hieven. Den Aufruf »Nicht meine Ministerin« hatten am Wochenende bereits über 10 000 Menschen unterzeichnet, eine Petition der bayerischen Grünen, die vor allem den Ausbau der Kitaversorgung fordert, fast 1 500. Ob der Ruf »nicht meine Ministerin« besonders emanzipatorisch ist, sei dahingestellt – nicht zuletzt meldeten sich Migrantinnen und das Netzwerk Women of Color, die sich von diesem Aufruf nicht vertreten fühlen. Erste Wirkung zeigt der Aufruhr um das Buch jedenfalls schon: Beim Bundesfrauenrat am Sonntag forderte die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, die Entlassung der Ministerin.
Zurücktreten müsste Schröder wohl auch, wenn sich ihre politischen Widersacher mit der verbindlichen Frauenquote durchsetzen sollten. Zu oft hat die Familienministerin versprochen, in ihrer Amtszeit werde es keine Quote geben. Wenig bliebe dann übrig von Schröders Politik. Von den geplanten Neuerungen konnte sie kaum ­etwas durchsetzen – die Verlängerung der Elternzeit entfiel aus finanziellen Gründen, die »Flexi-Quote« ist wie das Betreuungsgeld bisher nur Theorie. Immerhin gibt es aber mittlerweile ein Referat für Männer- und Jungenpolitik.