José de Echave im Gespräch über die umstrittene Bergbaupolitik in Peru

»Es geht auch um die Regeln des Handels«

In Peru führt der Bergbau häufig zu Konflikten zwischen der ansässigen Bevölkerung, Minenbetreibern und der Regierung. Jüngstes Beispiel ist die Kupfermine Tintaya in der Provinz Espinar. Sie wird vom Schweizer Bergbaukonzern Xstrata betrieben. Bergbaugegner werfen Xstrata Umweltverschmutzung vor und wehren sich gegen den geplanten Ausbau der Mine. In der vergangenen Woche wurden bei Protesten mindestens zwei Bergbaugegner getötet und über 70 verletzt. Die Regierung verhängte in der Region daraufhin den Ausnahmezustand. Die Jungle World sprach mit José de Echave über die Probleme der peruanischen Bergbaupolitik. Echave ist Bergbauexperte und Ökonom. Er war stellvertretender Umweltminister in der Regierung Ollanta Humalas. Aus Protest gegen den Umgang der Regierung mit sozi­alen Konflikten ist er im November 2011 von seinem Posten zurückgetreten.

Wie beurteilen Sie den Konflikt um die Mine Tintaya?
Es gibt handfeste Befürchtungen der Bevölkerung. Zum einen rund um die alte Mine Tintaya, aber auch um das Erweiterungsprojekt Antapaccay. Für dieses Projekt sind alle Umweltgutachten angenommen, die Betriebserlaubnis ist erteilt worden. Die Bevölkerung befürchtet jedoch, dass ein weiteres Flussbecken beeinträchtigt wird. Der Bergbau in dieser Region dehnt sich stetig aus, und es wird darüber diskutiert, was der Bergbau der Region in den letzten Jahren gebracht hat. Viele Leute sind unzufrieden mit dessen Bilanz. Es hat sicherlich zu wenig Dialog zwischen den Parteien gegeben.
Der Bürgermeister von Espinar, Óscar Mollohuanca, wurde vergangene Woche bei den Protesten als einer der Rädelsführer festgenommen. Was halten Sie von der Reaktion der Regierung?
Das war eine wirklich schlechte Entscheidung. Man benötigt Ansprechpartner und Mollohuanca stand im Dialog mit Xstrata und der Bevölkerung. Mit wem will man jetzt den Dialog führen?
Xstrata genießt einen recht guten Ruf in Peru – teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, denn Xstrata bedient sich in der Provinz Espinar negativer Praktiken, das ist unstrittig. Und die Bereitschaft zum Dialog mit der Bevölkerung ist nicht sonderlich ausgeprägt. Man muss über die Befürchtungen der Bevölkerung reden, den Vorwürfen auf den Grund gehen und Untersuchungen einleiten. Wenn angeblich Flüsse verschmutzt werden, muss man Proben nehmen, diese untersuchen und die Erfüllung der Auflagen prüfen. Dazu gibt es keine Alternative.
Der Konflikt um die Mine Tintaya ist nicht der einzige Konflikt, der zurzeit Schlagzeilen macht. Auch rund um das Bergbauprojekt Conga in Cajamarca, wo in der Mine Yanacocha Gold gefördert werden soll, hat es vehemente Proteste gegeben (Jungle World 50/11). Bergbau und Landwirtschaft konkurrieren dort um die Wasserressourcen. Am 20. April betonte Präsident Ollanta Humala in einer Rede, dass die Minenbetreiber die sozialen und Umweltauflagen des Sachverständigengutachtens und der vorherigen Untersuchungen erfüllen müssten. Wurde der Konflikt danach beigelegt?
Die Regierung hat meiner Meinung nach lange geglaubt, dass es sich in erster Linie um ein technisches Problem handele, das mit einigen neuen Gutachten gelöst werden kann. Doch das Projekt Conga hat viele Facetten, es ist ein politisches, ein soziales und ein Umweltproblem, und der Konflikt ist mit der Rede des Präsidenten nicht beigelegt. Die Rede war ein Versuch, das Problem zu lösen, aber die Tatsache, dass die Regierung bisher ihre Beziehungen zu der Regionalregierung von Cajamarca nicht wieder hergestellt hat, zeigt, dass es nicht gelöst ist.
Wie bewerten Sie die Strategie der Regierung, die Betreiber der Goldmine Yanacocha stärker in die Pflicht zu nehmen? Deutet sich da ein Schritt in eine neue Richtung an?
Die Ankündigungen könnten den Auftakt für einen Wandel markieren, aber um diese Ankündigungen wahr werden zu lassen, sind weitgehende institutionelle Veränderungen bei der Kontrolle und der Durchsetzung der neuen Bestimmungen nötig. Dazu braucht es mehrere Reformen.
Die Rede des Präsidenten bestand aus zwei Teilen: Der eine beschäftigte sich ausschließlich mit dem Fall Conga, im anderen kündigte Humala einen neuen Bergbau für Peru an. Für beides braucht Peru einen institutionellen Rahmen, den es bisher nicht gibt. Zudem denke ich, dass der Konflikt um das Projekt Conga symbolträchtig ist, weil es auch darum geht, wie viele neue Bergbauprojekte die Region noch verträgt. Es gibt drei oder vier weitere Projekte der gleichen Größenordnung in der gleichen Region und es gibt ein Dutzend weiterer Projekte im Verwaltungsdistrikt. Die zentrale Frage ist nun: Werden wir jedes Projekt einzeln diskutieren oder wird definiert, wie viel Bergbau eine Region verträgt?
Was ist nötig, um Minenbetreiber zu kontrollieren, die über enorme Bedeutung und Einfluss in der Region verfügen?
Es fehlen drei Dinge: zunächst der politische Wille, diese Unternehmen zu kontrollieren. Derzeit regulieren sie sich selbst. Zweitens sind die staatlichen Institutionen in Peru ausgesprochen schwach, wie der Stellenwert des Umweltministeriums nur zu gut zeigt. Wir haben zwar seit 2008 ein Umweltministerium, aber es hat eben nicht die Kompetenzen, die es haben sollte. So entscheidet nicht das Umweltministerium über die Umweltstudien, die von den Unternehmen vorgelegt werden, sondern das Energie- und Bergbauministerium. Auch bei der Verteilung bzw. dem Umgang mit dem Wasser spielt das Umweltminis­terium nur eine nachrangige Rolle. Drittens fehlt uns eine klar definierte öffentliche Politik. Es ist zwar richtig, dass endlich das Gesetz über die Konsultation der Bevölkerung in Kraft getreten ist, aber es sorgt nicht automatisch für Partizipation, weil dessen Umsetzung sehr umstritten ist. Generell fehlt es an Grundsatzentscheidungen darüber, wie die Entwicklung des Landes voranschreiten soll.
Es gibt einen weiteren Fall, der in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen gesorgt hat: der Fall Doe Run Perú. Die Tochterfirma eines US-Unternehmens hat mehrfach Umweltauflagen nicht erfüllt und versucht die Regierung zu nötigen, ihr einen neuerlichen Aufschub zu gewähren. Was halten Sie von diesem Fall?
Dieser Fall zeigt nur zu gut, dass wir besser regulieren und kontrollieren müssen. Das Unternehmen hat mehrfach Aufschübe für die Erfüllung seiner Umweltauflagen erhalten und hat sie bis heute nicht erfüllt. Das hat gravierende Folgen für die Umwelt und den Gesundheitszustand der Bevölkerung, vor allem für die Kinder, die täglich Schwermetalldämpfe einatmen müssen. Es ist der dramatischste Fall in Lateinamerika und ein Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Unternehmen Umweltauflagen nicht erfüllen und der Staat sie nicht durchsetzen will. Dieser Fall zeigt auch, wie internationale Handelsverträge Umweltschutzbemühungen eines Landes auf den Kopf stellen und wie ein Unternehmen sich der Verantwortung und den vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen versucht: Doe Run Perú hat ein Schiedsgericht angerufen und den peruanischen Staat auf 800 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagt, weil er bestimme Vertragsbestimmungen nicht erfüllt hat.
Was lässt sich daraus für die Zukunft des Bergbaus in Peru lernen?
Die drei Fälle haben Symbolcharakter für ein Land wie Peru, wo der Bergbau der wichtigste Wirtschaftssektor ist. Sie zeigen die Unzulänglichkeiten der nationalen Bergbaupolitik auf und haben zu politischen Krisen mit weitreichenden Folgen geführt.
Welche Verantwortung haben die Industrieländer für einen »fairen« Bergbau?
Eine große Verantwortung, denn es geht nicht nur um die Importe von Mineralien und deren Produktionsbedingungen, sondern auch um die Regeln des Handels. Diese legen schließlich die Industrieländer fest, zum Beispiel mit entsprechenden Passagen über den Schutz der Investi­tionen in den Freihandelsverträgen. Im Falle der Verträge zwischen den USA und Peru verbieten die einschlägigen Paragraphen quasi eine Verschärfung der Umweltschutzbestimmungen und die Verbesserung sozialer Rechte. Jede Veränderung in den Bestimmungen kann letztlich von den Unternehmen, die in Peru investiert haben, herangezogen werden, um zu belegen, dass sich die Investitionsvoraussetzungen zum Negativen verändert haben. Man darf nicht vergessen, dass die wichtigsten Investoren im Bereich Bergbau nach wie vor aus Europa kommen.
Mitte Juni kommt Humala nach Europa, um für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Peru zu werben. Auch im Kanzleramt in Berlin wird er vorstellig werden. Dort könnten die Rohstoffpartnerschaften, die Deutschland mit Chile, Peru und anderen Ländern anstrebt, ein Thema sein. Was erwarten Sie davon?
Es hängt viel davon ab, ob es der deutschen Regierung nur um ihre Rohstoffversorgung geht oder auch um einen fairen Bergbau, der den Umweltschutz und die Interessen der lokalen Bevölkerung ernst nimmt.