Die Debatte um ein Zensurgesetz in Südafrika

Weitersagen verboten

In Südafrika ist der Entwurf für ein Zensurgesetz kürzlich entschärft worden. Dennoch fürchten Gewerkschaften einen Polizeistaat wie während der Apartheid.

Gewerkschaften, NGOs und Journalisten jubelten, als der in Südafrika regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) Mitte Mai den Entwurf des »Gesetzes zum Schutz von Staatsinformationen« abschwächte. Es war der erste Erfolg in ­ihrem Kampf gegen die sogenannte Secrecy Bill, von der Regierung fordern sie aber, das Gesetz weiter zu entschärfen. Es soll den Besitz, die Bekanntmachung und die Veröffentlichung von brisanten Geheiminformationen unter Strafe stellen und war bereits im November vorigen Jahres vom Unterhaus, der ersten Kammer des Parlaments, beschlossen worden.
Seit der Entwurf im Jahr 2010 zur Diskussion ins Parlament eingebracht wurde, hat es seitens der Opposition Widerstand gegeben. Gewerkschaften, Oppositionelle und andere politische Aktivistinnen und Aktivisten sahen in dem Gesetzesentwurf eine Rückkehr zur repressiven Gesetzgebung während der Apartheid, die 1994 beendet worden war. Dabei soll die Secrecy Bill eigentlich das Gesetz Akt 84 aus dem Jahr 1982 ersetzen. Akt 84 regelte die Zensur und den Schutz von Staatsgeheimnissen und war eines der wichtigsten Instrumente des Apartheid-Regimes.

Im Jahr 2000 evaluierte der ANC einen Großteil der Apartheid-Gesetze, einige wurden abgeschafft, andere überarbeitet. Auch bei der Pressefreiheit sah er Handlungsbedarf. Inzwischen sei der neue Entwurf jedoch wieder bei der alten repressiven Regelung angekommen, meinen Kritiker der Regierung. Cosatu, Südafrikas größter Gewerkschaftsdachverband, und »Right2Know«, ein Kampagnenbündnis für Pressefreiheit, fordern daher eine besondere Klausel, um Personen zu schützen, die Staatsinformationen »von öffentlichem In­teresse« verbreiten. Ein solches Interesse kann etwa darin bestehen, der Korruption vorzubeugen oder Bürgerinnen und Bürger über steuerfinanzierte Projekte aufzuklären. Die Gesetzeskommission nahm diese Klausel nun Mitte Mai in den Gesetzentwurf auf. Allerdings geht deren Text vielen Gegnerinnen und Gegnern der Secrecy Bill nicht weit genug. Murray Hunter, Sprecher von »Right2Know«, sagt der Jungle World: »Wir möchten klarstellen: Das ist nicht die Klausel, die wir wollten.« Sie sei eine Annäherung, übergehe aber wesentliche Punkte. Derzeit schützt der Paragraph nur Personen, die Staatsgeheimnisse »von öffentlichem Interesse aufdecken«, aber nicht jene, die sie in elektronischer Form oder auf Papier besitzen oder veröffentlichen.
Cosatu warnt, Südafrika drohe zu einem »Polizeistaat« zu verkommen. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbands, Zwelinzima Vavi, erinnerte an die beiden Minister, die Präsident ­Jacob Zuma voriges Jahr wegen Unterschlagung entlassen hatte. Zumas Entscheidung galt als größter Schlag gegen die Korruption seit dem Ende der Apartheid. Wäre das umstrittene Gesetz damals bereits in Kraft gewesen, wären die Minister heute noch im Amt, sagt Vavi. »Den Vorwurf ›Polizeistaat‹ äußert nicht nur Cosatu«, meint Hunter. Träte das Gesetz in Kraft, würde es Südafrika sicher nicht zurück in die Apartheid werfen, doch es schüre soziale Spannungen. Die Polizei und die Armee würden gestärkt und vor allem politisiert, sagt der Gewerkschafter.

Besonders hart würde das Gesetz investigative Journalistinnen und Journalisten treffen, die in Südafrika traditionell eine wichtige Kontrollfunktion gegenüber dem Rechtsstaat ausüben, zum Beispiel die Mitarbeiter der Wochenzeitung Mail & Guardian. Auch NGOs, die sich mit Regierungsführung beschäftigen, dürften keine Dokumente aus dem Parlament mehr empfangen, sollte das Zensurgesetz in Kraft treten. Bevor Präsident Zuma das Gesetz absegnet, wird am 30. Juni im Oberhaus abgestimmt. Das Votum wurde schon mehrere Male verschoben. Hunter findet auch den termin in zwei Wochen zu früh: »Die Diskussion ist immer noch offen. Die Abgeordneten sollten sich besser ihrer Stimme enthalten.« Einige von ihnen hätten den Entwurf noch gar nicht gelesen und würden ohne Kenntnisse abstimmen.