Nazi-Lokal in Sachsen geschlossen

Der Eiche an die Wurzel gehen

Die Gaststätte »Zur deutschen Eiche« in der kleinen Ortschaft Geheege wurde innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten Veranstaltungsort für Nazis in Sachsen. Größerer Protest gegen die dortigen Umtriebe blieb aus. Nun wurde das Lokal geschlossen. Die Nazis dürften sich in der Region jedoch weiterhin wohlfühlen.

Kleine Kneipe, große Beliebtheit: Im Frühjahr 2009 eröffnete Steffen Hentschel die alte Dorfkneipe »Zur deutschen Eiche« in Geheege neu, einem Ortsteil der sächsischen Kleinstadt Rothenburg. Pünktlich gab er zum damaligen Wahlkampfauftakt der NPD im Kreis Rothenburg auch seine Mitgliedschaft in der Partei bekannt. Seitdem fanden in der Gaststätte über 40 Konzerte und Partys von und für Nazis statt. Während sich zu Veranstaltungen mit unbekannten Bands häufig nur wenige Gäste einfanden, bescherten manche Konzerte dem Örtchen weitaus mehr Besucher, als es Einwohner hat. So kamen zu einem Auftritt der Band »Die Lunikoff-Verschwörung«, der zu Ehren des verurteilten Kriegsverbrechers Erich Priebke stattfand, im November 2011 fast 1 400 Neonazis aus dem In- und Ausland in das Dorf mit seinen 200 Einwohnern. Damals richtete ein regionales Taxiunternehmen einen eigenen Shuttleservice für die Anreisenden ein.
Das Freizeitangebot für Nazis ist in Ostsachsen ohnehin recht gut: Nur zehn Kilometer von Ge­heege entfernt betreibt der aus Bayern stammende Nazi Helge Redeker zusammen mit seiner Frau das »Niederschlesische Feriendorf« am Quitzdorfer See. Das Gelände dient bereits seit Ende der neunziger Jahre als Veranstaltungsort und wird zudem regelmäßig von der regionalen Kameradschaft »Schlesische Jungs« genutzt. Den vorläufigen Höhepunkt stellte im August 2010 das »Pressefest« der NPD-Zeitung Deutsche Stimme dar, das etwa 2000 Gäste anzog. Anders als die »Deutsche Eiche« wurde das Feriendorf bisher kaum von örtlichen Medien und bürgerlichen Organisationen kritisiert. Bis vor kurzem galt Redeker in der Region als gewöhnlicher Geschäftsmann, in Berichten der Lausitzer Rundschau wurde er beispielsweise schlicht als Investor und Betreiber eines Campingplatzes bezeichnet.

Nazis fühlen sich bereits seit der Wiedervereinigung in der Lausitz besonders wohl, dort haben sie sich um die Schaffung und den Erhalt eigener Treffpunkte bemüht. So fand etwa der »Nationale Jugendblock Zittau« in den Neunzigern mit der Unterstützung von Sozialarbeitern Unterschlupf in einem Gebäude der städtischen Wohnbaugesellschaft, das sich zu einer festen Anlaufstelle für die überregionale Naziszene entwickelte. Im Dorf Mücka eröffnete Mitte der Neunziger die Diskothek »Wodan«, in der Nazis fortan regelmäßig Konzerte und Großveranstaltungen ausrichteten. Erst nach dem regionalen Wahlerfolg der NPD im Jahr 2004 und ihrem anschließenden Einzug in den sächsischen Landtag erhielt das Treiben in Mücka überregional Aufmerksamkeit. Im Jahr 2005 schloss das »Wodan«.
Geblieben ist der Unwille der Öffentlichkeit, sich mit den Betätigungen der Nazis in der Region auseinanderzusetzen. In Geheege beschränkte sich die Polizei meist auf Vorkontrollen der anreisenden Konzertbesucher. In den vergangenen drei Jahren wurde eine Veranstaltung in der »Deutschen Eiche« vorzeitig aufgelöst, eine weitere vorab verboten. Gegen die Treffen der Nazis gab es meistens weder von Anwohnern noch von antifaschistischen Gruppen Proteste.
Einzig die Bürgermeisterin von Rothenburg verurteilte die Umtriebe in der »Deutschen Eiche« frühzeitig. Dadurch stieß sie eine zaghafte öffentliche Diskussion an, in der es jedoch weniger um die Frage ging, warum sich die Nazis ausgerechnet diesen Ort ausgesucht hatten, als darum, eine Rufschädigung für die ohnehin strukturschwache Region zu verhindern. Die wenigen öffentlichen Betätigungen gegen rechts, die folgten, wurden so zur heimatverbundenen Selbstvergewisserung, verbunden mit der Forderung, der Staat müsse »extremistischen Entwicklungen« endlich Einhalt gebieten.
Der Sächsischen Zeitung, die zeitweise über das Geschehen in Geheege berichtete, galten dementsprechend nicht nur die in Scharen anreisenden Konzertbesucher als Gefahr, die Rothenburg und die umliegenden Ortschaften regelmäßig in eine »national befreite Zone« verwandelten. Sie warnte zugleich vor Gewalttaten »linksgerichteter Gegenkräfte«. Das Blatt bediente sich so frühzeitig der sächsischen Extremismusdoktrin, die Nazis mit Antifaschistinnen und Antifaschisten auf eine Stufe stellt. So sah sich das jährlich in der Umgebung von Geheege stattfindende »Faetzig Camp« vor zwei Jahren von einer Räumung durch die Polizei bedroht, nachdem ausgerechnet Nazis Anzeige wegen Ruhestörung erstattet hatten. Und auch die jüngst ins Leben gerufene Kampagne »Switch off! – Weg mit dem Nazisounddreck«, die sich gegen Nazikonzerte und das »kollektive Bagatellisieren neonazistischer Umtriebe« in Ostsachsen richtet, hat bereits die Aufmerksamkeit des Staatsschutzes auf sich gezogen.

Da ist es nur ein kleiner Trost, dass die »Deutsche Eiche« seit kurzem nicht mehr geöffnet hat. Der Betreiber Hentschel ist offenbar insolvent. Die örtliche Ordnungsbehörde hat das Etablissement wegen baulicher Mängel und auf Druck des Insolvenzverwalters geschlossen. Das regionale Nazi­problem ist damit aber keinesfalls gelöst. Zwar feiert die Öffentlichkeit die Schließung als Erfolg, die von Bund und Ländern alimentierte »Zivilgesellschaft« muss in ihrem »Kampf gegen rechts« schließlich Ergebnisse vorzeigen. Und auch die Bevölkerung verlangt Ruhe und Ordnung. Doch erneut bleibt eine Kritik an den Verhältnissen aus, welche die Region bei Nazis seit der Wiedervereinigung so überaus beliebt machen. Von einer solchen Kritik dürften auch die örtlichen Vertreter von Politik und Medien nicht ausgenommen werden. Eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der neonazistischen Bewegung in Sachsen und den Gründen für ihre Stärke wird daher vermieden. Und dass statt einer Nazikneipe zur Abwechslung einmal ein linkes Jugendzentrum in der Lausitz eröffnet wird, ist weiterhin unwahrscheinlich.