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Fahrstuhl oder Treppe, was geht schneller, was ist ungefährlicher? Eigentlich haben alle Redakteure dazu bereits ihre feste Meinung, es gibt die faulen Liftbenutzer und die überzeugten Treppensteiger, außerdem noch ein paar Unglückliche, die bei der Vergabe der Fahrstuhlschlüssel leer ausgegangen sind und deshalb entgegen ihrer Neigung die Treppe in den vierten Stock nehmen müssen. Nach den dramatischen Ereignissen am letzten Freitagabend, als man den Albtraum vom Steckenbleiben am eigenen Leib erfahren musste, formieren sich die Lager neu. »Ich nehm’ die nächste Zeit lieber die Treppe«, erklärt die Inlandsredakteurin, mit der man übers Handy im Fahrstuhl Kontakt gehalten hat und die keinesfalls das nächste Opfer werden möchte. Auch der Lektor plant den Umstieg auf die Treppe. Ganz ungefährlich sei die Treppe aber auch nicht: »Die Stufen sind viel zu hoch und rutschig.«
Eigentlich wähnte man sich bereits im Wochenende, als man gegen 18 Uhr die Redaktion verließ und im Fahrstuhl abwärts sauste. Plötzlich gab es einen Ruck, ungefähr wie damals, als die »Titanic« den Eisberg rammte, und die Fahrt war irgendwo zwischen dem zweiten und dem ersten Stock beendet. Jetzt heißt es: Keine Panik! Den Notrufknopf drücken, die Adresse durchgeben und hoffen, dass das Fiepen aus dem Lautsprecher letzlich auf eine menschliche Stimme zurückgeht, die irgendwas in der Art von »Wir schicken jemanden« gesagt hat.
Besonders blöd ist, dass man Fußball gucken möchte und in weniger als drei Stunden Anpfiff ist. Griechenland vs. Deutschland. Seinen Tipp hat man auch noch nicht abgegeben, und der Rest der Spielgemeinschaft des Tippspiels »Schweini« wartet nur darauf, dass man einen Fehler macht oder die Tippabgabe verpennt, denn man führt mit Abstand. Und zwar sehr zum Ärger des Ressortkollegen, der beim »Schweini«-Spiel auf Platz vier gestrandet ist und dann auch prompt nicht ans Handy geht, als man versucht, ihn aus dem Fahrstuhlkerker heraus zu erreichen, um sicherheitshalber schon mal den Tipp durchzugeben, und überhaupt: menschliche Nähe, Solidarität usw. Also ruft man beim CvD an, der dann auch gleich in den Flur rennt, lustig gegen den Fahrstuhl trommelt und verspricht, alles Erforderliche zu unternehmen, falls man am Montagmorgen nicht bei der Konferenz auftaucht.
60 dunkle, heiße Minuten später: Die Stunde der Befreiung! Der Fahrstuhl wird ruckartig abgesenkt und der Befreier in Gestalt eines 1,90 Meter großen sexy Russen öffnet die Tür. Na gut, vielleicht war es auch ein unterbezahlter deutsch-polnischer Aufzugstechniker mit leichtem Akzent. Wie auch immer: Demnächst die Treppe.